Schweitzer Fachinformationen
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Die Heizkörper stießen ein bedenkliches Blubbern aus, und das Aufdrehen des Warmwasserhahns im Badezimmer bestätigte Lisas Befürchtung. »Verdammt«, murmelte sie und startete einen zweiten Versuch mit der Brause in der verglasten Duschkabine. Als einige Spritzer des eiskalten Wassers auf ihren nackten Körper trafen, sprang sie zurück. Und als sie nach mehreren Minuten feststellen musste, dass das Wasser noch immer nicht warm geworden war, stieß sie einen resignierten Seufzer aus.
Na super! Ausfall der Heizungsanlage bei einer Außentemperatur von minus zwölf Grad. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, wo sie seit einer Woche eh schon auf der Kippe zu einer Erkältung stand und seit gestern Halsschmerzen hatte. Zwar gab es im K1 im Augenblick keine aktuellen Fälle, aber sie konnte sich keinen Ausfall erlauben, da sie gerade an einem »cold case« arbeitete, einem Altfall also, der ihre ganze Aufmerksamkeit erforderte. In beharrlicher Regelmäßigkeit nahmen sich die Mitarbeiter des K1 ungelöster Mordfälle an, denn Mord verjährte nie.
Und so brachte Lisa ihre Morgentoilette ohne die gewohnte Dusche hinter sich und konstatierte, dass man sich auch anders behelfen konnte, wenn man die Zähne nur fest genug zusammenbiss und das ganze Prozedere als eine etwas andere Form der Abhärtung betrachtete. Bevor sie ins Büro fuhr, klingelte sie bei ihrem Nachbarn, der als Hausmeister fungierte und ihr hoffentlich sagen konnte, was denn nun mit der Heizung war.
»Der Kessel ist heute Nacht von der Wand gefallen«, lautete seine stoische Antwort, nachdem er sich kräftig die Nase geschneuzt hatte.
»Und was bedeutet das jetzt für uns?«
»Die Firma ist benachrichtigt. Ich hoffe, dass bald mal einer hier auftaucht. Dann müssen wir weitersehen.«
Das hörte sich nicht gut an.
»Nun machen Sie nicht so ein Gesicht, Frau Sanders. Wenn wir Glück haben, ist heute Abend wieder alles in Ordnung. Seien Sie froh, dass Sie ins Büro gehen dürfen. Meine Frau und ich müssen das den ganzen Tag hier aushalten.«
Da hatte er auch wieder recht. Das Rentnerdasein brachte also doch nicht nur Vorteile mit sich.
Der Wintereinbruch hatte die ohnehin schon knappen Parkmöglichkeiten in der Blumenstraße noch weiter eingeschränkt. Am Straßenrand türmte sich der von den Räumfahrzeugen zusammengeschobene Schnee. Der Fußweg bestand aus einem schmalen Trampelpfad, der mittlerweile so vereist war, dass man bei jedem Schritt Gefahr lief, auszurutschen und hinzufallen. Offensichtlich gingen die Streumittel der Stadt langsam zur Neige, in der Blumenstraße jedenfalls waren sie in den vergangenen Tagen nicht mehr zum Einsatz gekommen. Lisa bog nach rechts in die Wilhelminenstraße ein, überquerte dann die Legienstraße und fand einige hundert Meter weiter tatsächlich einen halbwegs geräumten Parkplatz auf der rechten Seite. Während sie den Weg zur Bezirkskriminalinspektion zurückstapfte, sann sie darüber nach, ob sie den Wagen zu Hause stehen lassen sollte, solange keine Wetterbesserung in Sicht war. Aber der Gedanke an zugige Bushaltestellen und überfüllte Verkehrsmittel war auch nicht gerade verlockend.
Im Büro war es kuschelig warm. Während Lisa Norwegermütze, Schal und Handschuhe auf dem Schreibtisch ablegte und sich dann aus ihrer dicken Steppjacke zu schälen begann, betrat ihr Kollege Uwe Grothmann das Büro.
»Du kannst die Klamotten anbehalten«, sagte er statt einer Begrüßung. »Wir müssen zum Kanal. Da liegt Tiefkühlware rum, die richtig scheiße aussehen soll.«
Lisa zog den Reißverschluss der Jacke wieder hoch und unterdrückte die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Mit Uwes sarkastischer Art würde sie sich niemals anfreunden können.
Das Trakehnergestüt Lankenau schien einem Wintermärchen entsprungen. Der Schnee gleißte, wenn ihn die Strahlen der Sonne trafen, die sich tapfer um die Vorherrschaft am Himmel bemühte. Bäume und Büsche wurden fast erdrückt von der weißen Pracht, das Wasser des Sees war gefroren. An den Dächern der Gebäude hatten sich lange Eiszapfen gebildet.
»Wie schade«, meinte Barbara bedauernd, als sie an Fehrbachs Seite aus dem Herrenhaus trat und auf den Gutsarbeiter aufmerksam wurde, der sich gerade anschickte, die größten der Eiszapfen abzuschlagen.
»Es ist zu gefährlich, sie hängen zu lassen. Wenn sie herabfallen, könnten sie jemanden verletzen«, sagte Fehrbach und zog den Autoschlüssel aus der Tasche seiner Daunenjacke.
»Ich weiß.« Barbara schlang die Arme um seine Taille und hob ihr Gesicht, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. »Ich liebe dich«, murmelte sie und presste sich noch enger an ihn. »Warum habe ich nur so lange gebraucht, das zu erkennen?«
Fehrbach löste sich von ihr und registrierte den verletzten Ausdruck, der in ihre Augen trat. Er wusste, was sie von ihm erwartete, aber er brachte die drei Worte einfach nicht über die Lippen. Früher hatte er sie ihr häufig gesagt, aber zwischen damals und heute lag ihr Betrug, den er noch immer nicht vergeben konnte, sosehr er sich auch bemühte. »Wir sehen uns nächstes Wochenende.«
»Und haben danach eine ganze Woche in New York vor uns.« Sie drückte seinen Arm und strahlte über das ganze Gesicht. »Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich auf diesen ersten Urlaub mit dir freue. Weitab von allem, nur wir beide.«
Fehrbach drückte einen flüchtigen Kuss auf ihre Wange und machte sich auf den Weg zur Remise, in der er seinen Wagen untergestellt hatte.
»Melde dich, wenn du in Kiel bist«, hörte er sie rufen. »Nur damit ich weiß, dass du heil angekommen bist.«
Er drehte sich noch einmal um und nickte bestätigend. Barbara warf ihm eine Kusshand zu und verschwand dann wieder im Herrenhaus.
Die Fahrt nach Kiel wurde auch heute wieder durch die Wetterverhältnisse erschwert und dauerte fast anderthalb Stunden. Die B 202 war zwar geräumt, allerdings wies die Straße mittlerweile so viele Schlaglöcher auf, dass man gezwungen war, langsam zu fahren, wollte man nicht einen Achsbruch riskieren.
So ergab sich für Fehrbach die Möglichkeit, die vergangene Zeit noch einmal Revue passieren zu lassen. Viel war geschehen seit seiner Rückkehr. Die neue Arbeitsstätte in der Staatsanwaltschaft in Kiel, sein neues Zuhause in der Landeshauptstadt und sein altes auf Lankenau. Das nicht enden wollende Zerwürfnis mit seinem Bruder, der noch immer nicht auf das Gestüt zurückgekehrt war, die Versöhnung mit Barbara.
Und die Begegnung mit Lisa Sanders .
Wie immer schob er die Gedanken an sie so schnell wie möglich beiseite. Es brachte nichts, darüber nachzudenken, was hätte sein können, wenn er sich anders verhalten hätte und Lisa nicht so verdammt stur gewesen wäre. Er hatte sie schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen, obwohl er bereits seit Monaten wieder im Dienst war. Es hatte keine Fälle gegeben, die sie hätten zusammenführen können, und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte er sie an seine Mitarbeiter abgegeben. Er wollte endlich Ruhe in sein Leben bringen und der neu aufgelebten Beziehung mit Barbara eine Chance geben. Außerdem schien Lisa nach wie vor mit diesem Maler liiert, den sie während ihrer ersten Zusammenarbeit kennengelernt hatte. Fehrbach hatte vor einiger Zeit einen Artikel über Peter Lannert in den Kieler Nachrichten gelesen. Das dazugehörige Foto zeigte Lisa an Lannerts Seite mit dem Hinweis, dass es sich um die Lebensgefährtin des bekannten Malers handle.
Das Klingeln des Handys holte Fehrbach in die Gegenwart zurück. Er drückte auf die Freisprechtaste und meldete sich.
»Wo steckst du?«, war die Stimme seines Vorgesetzten Norbert Sievers zu vernehmen, Leitender Oberstaatsanwalt in Kiel.
»Ich bin auf dem Weg nach Kiel.«
»Ich dachte, du fährst immer schon am Sonntagabend zurück.«
»Normalerweise ja, aber es gab noch etwas wegen des Umbaus der Hauptscheune zu klären, und der Architekt hatte erst am Abend Zeit, vorbeizukommen. Ich hatte einfach keine Lust mehr, noch so spät nach Kiel zurückzufahren.«
Was nicht ganz stimmte. Der Architekt war gegen zwanzig Uhr gegangen. Als Fehrbach danach aufbrechen wollte, hatte Barbara ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.
»Ich möchte, dass du bleibst«, hatte sie geflüstert und sich an ihn geschmiegt. »Wir haben so viel nachzuholen.«
Wie schon häufiger hatte er nachgegeben. Seitdem sie wieder zusammengekommen waren, konnte er nicht genug bekommen von dieser Frau, die seine Jugendliebe gewesen war, die er hatte heiraten wollen. Ohne lang zu überlegen, hatte er deshalb auch ihrem Vorschlag zugestimmt, eine Urlaubswoche in New York zu verbringen, obwohl er diese laute und hektische Stadt nicht mochte.
»Dann müssen wir ohne dich anfangen«, drang Sievers' Stimme in seine Gedanken.
»Ich denke, die Sitzung beginnt erst um zehn.«
Sievers hatte eine große Runde anberaumt, in der eine Umstrukturierung der Staatsanwaltschaft zur Debatte gestellt werden sollte, die eine partielle Neuverteilung der Aufgaben sowie eine Bündelung der Kräfte ermöglichen würde, wie es so vollmundig kommuniziert worden war. Anweisung von oben. Weder Sievers noch Fehrbach hielten etwas davon, hatten aber dem Begehren des Generalstaatsanwalts nachgeben müssen.
»Ich habe sie um eine Stunde vorverlegt. Hat deine Sekretärin dich nicht informiert?«
»Nein«, sagte Fehrbach und spürte Verärgerung in sich aufsteigen. »Und ich kann mir auch den Grund dafür denken.«
»Was meinst du damit?«
»Ich habe sie neulich zusammen mit Gerlach gesehen. Die Situation war eindeutig.«
Carsten Gerlach arbeitete bereits seit vielen...
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