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Nichts von dem, was in den letzten Stunden geschehen war, hatte in seiner Absicht gelegen. Aber seinem Schicksal konnte man nicht entfliehen, das war ihm jetzt endgültig klar geworden.
»Bleib!« Er zog sie an sich, so fest er konnte, und seine Hände fanden den Weg über die Wölbung ihres schmalen Rückens, die festen Pobacken und die straffen Schenkel, die sich an seine schmiegten. Ihre samtene Haut, die Wärme ihres Körpers brachten ihn schier um den Verstand. So lange schon hatte er auf diesen Augenblick gewartet.
»Ich kann nicht. Amal erwartet, dass ich zu ihrer Geburtstagsfeier komme. Sie ist meine beste Freundin, ich kann ihr diesen Wunsch nicht abschlagen.« Sie gab ihm einen schnellen Kuss auf den Mund und entwand sich seinem Griff, um aus dem Bett zu schlüpfen.
Er schaute ihr hinterher, wie sie durch das Zimmer in Richtung Flur schritt, mit diesem stolzen Gang, dem stets selbstbewusst erhobenen Haupt. So schreitet eine Königin, hatte er gedacht, als er sie das erste Mal gesehen hatte, und ihr Anblick hatte ihm für einen Moment den Atem geraubt.
Es war in Lübeck gewesen, in der Fußgängerzone, als sie die Hüxstraße heraufgekommen war und zielstrebig auf das Arkadencafé von Lübecks heimlichem Wahrzeichen, dem Niederegger, zugehalten hatte, wo sie sich einmal in der Woche mit zwei Freundinnen traf. Stets am Sonnabend, nachmittags um fünfzehn Uhr. Im Sommer draußen auf der Marktterrasse des Cafés, im Winter im Inneren des Gebäudes. Im Dossier hatten auch die Namen der Freundinnen sowie eine Reihe weiterer Informationen über die beiden jungen Frauen gestanden. Das Wichtigste in dem Schriftstück waren allerdings die Namen sämtlicher in Lübeck gemeldeter Familienmitglieder des Zaidan-Clans gewesen. Die Akte war weiterhin um deren Bekannte und Freunde ergänzt worden, soweit bekannt. Das Zusammentragen und fortwährende Ergänzen dieser Angaben war eine größere Aufgabe für die Kollegen des Dezernats 21 im LKA Kiel, die jetzt bereits seit drei Jahren andauerte, nachdem sich seinerzeit die ersten Mitglieder des berüchtigten libanesischen Clans in Lübeck niedergelassen hatten.
Während er das Wasser in der Dusche rauschen hörte, gingen seine Gedanken zu jenem schicksalhaften Tag vor zehn Monaten zurück, als sein Einsatz endgültig begonnen hatte .
Sie hatten festgelegt, dass sie es zu zweit machen würden. Mark Holtkamp sollte mit dem Wagen an der Ecke Wahmstraße/Kohlmarkt warten, und zwar an einer Stelle, von der er gute Sicht in den letzten Bereich der Breite Straße hatte. Nach Beendigung des nachmittäglichen Treffens mit ihren Freundinnen würde Yara dort entlangkommen. Allein, denn die Frauen trennten sich immer am Café. In den zwei Monaten, in denen Steffen sie jetzt observierte, hatte es noch nie eine Veränderung in diesem Ablauf gegeben; und so waren er und sein Kollege guter Hoffnung, dass es auch an diesem Tag nicht anders sein würde.
Steffen würde Yara unauffällig folgen. Wenn sie in Sichtweite des Wagens kamen, sollte Mark anfahren und auf sie zuhalten. Im letzten Moment würde Steffen hinzuspringen und Yara zur Seite reißen.
Das war der Plan, hinter dem die Hoffnung stand, Kriminalhauptkommissar Steffen Sattler als verdeckten Ermittler in den Zaidan-Clan einzuschleusen. Denn Yara war nicht irgendeine muslimische Frau, sondern eine von vier Schwestern des Clanchefs Faris Zaidan, von der es hieß, dass sie ihm sehr nahestand. Ihr Leben zu retten würde hoffentlich der Türöffner in den Zaidan-Clan sein.
Sie hatten lange überlegt, wie sie an Faris Zaidan herankommen konnten, und diese Möglichkeit schließlich als die beste erachtet, da sich das Risiko für alle Beteiligten in Grenzen hielt. Mark war ein gewiefter Autofahrer, und außerdem hatten sie die Situation mehrere Male mit einer Kollegin geübt. Bei dem Wagen würde es sich um einen unauffälligen und in die Jahre gekommenen Passat mit verdreckten Nummernschildern handeln, damit sie nicht Gefahr liefen, dass ihnen aufmerksame Passanten womöglich noch die Kollegen von der Schutzpolizei auf den Hals hetzten. Das wäre nämlich das Letzte, was sie gebrauchen konnten, da von Steffens Einsatz nur sein Vorgesetzter Holger Behrens, Mark Holtkamp sowie der zuständige Staatsanwalt Thomas von Fehrbach Kenntnis hatten. Holtkamps Stellvertreter Roland Theissen war zwar bekannt, dass ein VE in den Clan eingeschleust werden sollte, allerdings kannte er weder Steffens wirklichen Namen noch den seiner Legende. Der Rest des Dezernats wusste nichts von seinem Einsatz. Wenn ein verdeckter Ermittler ins Spiel kam, war es aus Sicherheitsgründen immer geboten, den Personenkreis, der davon Kenntnis hatte, so klein wie möglich zu halten.
Es war ein heißer Tag Mitte September gewesen, viel zu heiß für die Jahreszeit, der unzählige Menschen ins Freie gelockt hatte. Die Fußgängerzone war voll von ihnen; auch viele Touristen hielten sich noch immer in Lübeck auf, wie Steffen den unterschiedlichen Dialekten entnehmen konnte, die ihn umschwirrten.
Yara Zaidan und ihre beiden Freundinnen hatten vor einer Stunde Platz auf der Marktterrasse genommen. Steffen saß im Inneren des Cafés, von wo aus er die Frauen gut beobachten konnte. Sie plauderten angeregt, redeten teilweise mit Händen und Füßen. Vor allen Dingen Yara, die seinen Blick immer wieder auf sich zog. Sie war die klassische arabische Schönheit mit ihrer geschmeidigen Figur, den dunklen Augen und den glänzenden schwarzen Haaren, die ihr lang den Rücken hinunterfielen. Er wusste aus dem Dossier, dass sie neunundzwanzig Jahre alt war, als Assistenzärztin an der Uni-Klinik arbeitete und einen westlichen Lebensstil pflegte. Sie liebte schöne Kleidung und Schmuck, übertrieb es allerdings nicht mit dem Geldausgeben. Laut den Unterlagen lebte sie allein in einer Zweizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Kleinen Petersgrube, nur einen Steinwurf von St. Petri entfernt. Eine Beziehung war nicht bekannt.
Heute hatten sich die Frauen offensichtlich besonders viel zu erzählen, denn als sie endlich aufbrachen, war es schon nach halb sechs. Steffen bezahlte und beobachtete, wie sie sich mit Wangenküssen voneinander verabschiedeten. Wie erhofft ging Yara die Breite Straße Richtung Kohlmarkt hinunter. Er folgte ihr und musste lächeln, als sie plötzlich aus ihren Sandalen schlüpfte und sich zwischen die Wasserspiele begab, um ihre nackten Füße mit dem erfrischenden Nass zu kühlen. Er hätte es ihr gerne gleichgetan, denn die Hitze war wirklich mörderisch. Er dachte an Mark, der jetzt bereits seit Stunden dazu verdammt war, in dem unklimatisierten Wagen auszuharren.
Nach kurzer Zeit streifte Yara ihre Sandalen wieder über und wandte sich einem Juweliergeschäft auf der linken Seite zu, wo sie einen Blick in das Schaufenster warf und dann im Laden verschwand. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder herauskam und zu Steffens Erschrecken den Weg zurückging, den sie gerade gekommen war. Hastig zog er sein Smartphone aus der Hosentasche und schickte seinem Kollegen eine kurze Nachricht. Dann folgte er ihr. Sie passierte wieder das Café Niederegger, den Eingang zum Rathaus, dann St. Marien, bevor sie nach links in die Mengstraße einbog und schließlich vor dem Buddenbrookhaus stehen blieb. Steffen hielt Distanz und runzelte die Stirn. Was wollte sie hier? Das in aller Welt bekannte Haus, das heute ein Literaturmuseum war, schloss seine Pforten um sechs Uhr, und jetzt war es bereits halb sieben. Er sah, wie sie sich dem Fenster zur Linken des Eingangs zuwandte, auf dem die Öffnungszeiten des Hauses und Hinweise zu Führungen angebracht waren. Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und machte eine Aufnahme davon. Nachdem sie das Mobilfunkgerät wieder verstaut hatte und sich erneut in Bewegung setzte, traten zwei junge Männer aus der Zufahrt des Hauses links neben dem Literaturmuseum und kamen mit schnellen Schritten auf sie zu. Verwaschene T-Shirts, Haare im Undercut-Style, osteuropäisches Erscheinungsbild. Als sie Yara erreicht hatten, umklammerte einer der Männer sie mit festem Griff, während der andere versuchte, ihr die Handtasche zu entreißen. Yara schrie auf und wehrte sich nach Kräften, aber sie hatte keine Chance. Als Steffen lossprintete, um ihr zu Hilfe zu eilen, hatte einer der Männer sie bereits zu Boden gebracht und trat mehrere Male auf ihre linke Hand, damit sie die Tasche losließ. Allerdings waren seine Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt, und als Steffen ihn sich gerade vornehmen wollte, sah er ein Messer in der Hand des zweiten Mannes aufblitzen. Drohend kam der Typ auf ihn zu, wurde aber mit einem gezielten Griff von Steffen außer Gefecht gesetzt, woraufhin der andere Mann in seinem Tun innehielt, kurz zu überlegen schien und dann das Weite suchte. Es wäre ein Leichtes für Steffen gewesen, zumindest den zweiten Mann bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten, aber damit riskierte er seine Tarnung. Also lockerte er seinen Griff, woraufhin der Mann aufsprang und hinter seinem Kumpel herrannte.
»Sind Sie verletzt?« Steffen kniete neben Yara nieder, die sich aufzurichten versuchte und dabei schmerzhaft ihr Gesicht verzog.
»Geht schon.« Sie wehrte ihn ab und stieß einen leisen Schmerzensschrei aus, als sie sich mit der lädierten Hand abstützte und wieder auf das Pflaster des Gehwegs zurücksank. Kurz entschlossen packte Steffen sie und zog sie hoch.
»Wo sind die Typen hin?«, fragte sie und blickte sich suchend um. Steffen bemerkte die Abschürfungen auf ihrer Hand und sah, dass der kleine Finger in einem unnatürlichen Winkel abstand.
»Da runter.« Er deutete die Mengstraße entlang. Die beiden Männer waren nicht mehr zu sehen, und er überlegte kurz, wie er jetzt weiter vorgehen sollte. Der unerwartete Überfall hatte...
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