Schweitzer Fachinformationen
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Es ist nicht mehr weit, nur ein paar Meter noch. Jesus zögert. Nach rechts. Oder links? Ach da! Die Leuchtreklame ist von Weitem zu sehen. Er geht immer wieder gerne dorthin. Die elektronische Tür gleitet auf und die bekannte Atmosphäre umfängt ihn sofort, dieser unverwechselbare Geruch, das etwas andere Licht. Ja, hier fühlt er sich wohl.
Seine Gedanken fliegen dahin, zurück in alte Zeiten.
Ich weiß gar nicht, was mein Vater sich damals dabei gedacht hat. Er hat mir gesagt, ich solle den Menschen sein Wort verkünden. Natürlich habe ich das gemacht. Es hat mir ja auch Spaß gemacht. Aber es war keine Rede davon, dass das von Dauer sein sollte. Die haben damals schon nicht richtig zuhören wollen, und heute noch viel weniger. 2000 Jahre! Und wie sieht das hier aus?! Wieder alles voller Händler, die ihre Waren anpreisen: Wurst, Käse, Brötchen.
Er bleibt mit seinem Einkaufswagen abrupt stehen und ruft zornig: »Händler, Feilscher! So sieht das Haus Gottes doch nicht aus! Ihr solltet euch schämen!«
Die Menschen im Supermarkt drehen sich abrupt um. Sie versuchen, zu verstehen, weshalb der Mann im Jogginganzug mit den langen Haaren und dem Bauch plötzlich einfach losbrüllt. Kopfschüttelnd schauen sie und schieben dann ihre Einkaufswagen weiter. Nur einer bleibt neben ihm stehen und legt Jesus die Hand auf die Schulter. Er ist ganz in schwarz gekleidet, ein weißes Collar an seinem Hemdkragen weist ihn als Priester aus. Er ist dem an der Kirche vorbeieilenden Jesus hierher gefolgt.
»Nein, Jesus«, sagt Jakob leise, »du hast dich wieder verlaufen.«
Er versucht sanft, mit seinem Wagen den von Jesus in Richtung Ausgang zu drücken. Nur keine Aufmerksamkeit erregen! Aber Jesus erhöht den Druck auf seinen Einkaufswagen. Beide drücken, sich äußerlich freundlich anlächelnd, so feste sie können.
Der Pastor hat einen schlechteren Stand, sein Wagen gibt nach und landet krachend an der Truhe mit den Tiefkühlpizzen. Jesus schießt, von der freigewordenen Energie ungewollt beflügelt, an ihm vorbei in Richtung Fleischtheke. Um nicht den Halt zu verlieren und hinzufallen muss er viele lange Schritte machen. Er gibt wirklich eine komische Figur dabei ab.
Die Leute schauen wieder. Und schütteln die Köpfe. Unmögliches Benehmen. Der Pastor hat sein inneres Gleichgewicht wiedererlangt, als Jesus sein körperliches wiedergewonnen hat. Er wirft den Kopf mit den langen Haaren nach hinten und schaut den Pastor herausfordernd an. Was sollte das denn? Weshalb war er überhaupt hier?
Ach, wenn doch diese Vergesslichkeit nicht wäre! 2000 Jahre, das sind 24.000 Monate, das sind 24 x 365 x 1000 Tage, also, ähm, das sind., ach egal! Einfach zu viele Tage, um sich alles merken zu können. Obwohl, vor 500 Jahren, zu Zeiten Luthers, da konnte er sich noch an alles erinnern. Nur in der letzten Zeit, da wurde es schwieriger. Sollte er dement geworden sein? Geht das überhaupt, der Sohn Gottes und dement?
»Das geht doch gar nicht, Vater! Oder?«
Jesus wendet sich fragend, ja hilfesuchend nach oben. Draußen donnert es plötzlich heftig. Vor zehn Minuten war es noch sonnig gewesen, jetzt schlägt plötzlich unter lautem Krachen ein Blitz in die Hähnchenwagen vor der Ladentür. Während der sofort in Flammen aufgeht, rennt sein Besitzer vor Schreck schreiend ins Freie.
Die Leute im Laden lassen ihre Einkaufswagen stehen und drängen sich neugierig an den Ausgang, einige Mutige gehen nach draußen und reißen ihre Handys hoch, um alles direkt ins Internet zu übertragen.
Jesus schüttelt verzweifelt den Kopf.
»Ach, Vater! Kannst du nicht einmal ganz normal antworten? Ich bin müde.«
Aus der Tiefkühlabteilung winkt vorsichtig der Geistliche, Pfarrer Jakob. Er hat den Kopf eingezogen als fürchte er, der Himmel würde ihm auf den Kopf fallen. Fragend zeigt er mit dem Finger erst auf Jesus, dann gen Himmel. Er lächelt gequält und zieht fragend die Schulter hoch.
Jesus nickt ihm kurz zu. Ja, das war wieder einmal eine Regieanweisung von oben.
Pfarrer Jakob, ja, in ihm hat Jesus wirklich einen guten Gefährten in dieser Zeit gefunden. Er hält treu zu ihm, obwohl er innerlich schwankt zwischen seiner Treue zur Kirche und seiner eigenen Überzeugung. Er würde gerne lauthals herausschreien, dass der Mann an seiner Seite tatsächlich der Sohn Gottes ist. Dass die Kirche nicht weitersuchen muss, er hat ihn gefunden. Aber die Kirche fordert unwiderlegbare Beweise, und die konnte Jakob bisher nicht liefern.
Mitverantwortlich dafür ist natürlich auch Jesus, der es seit Jahrhunderten bei >kleinen Wundern< belässt und keine großen Auftritte sucht. Er hat sich dafür entschieden, im Verborgenen zu wirken. Das hält er für nachhaltiger als große Auftritte.
Langsam schiebt der Pfarrer seinen Wagen wieder näher an Jesus heran, vergewissert sich vorsichtig zur Seite und nach oben, dass keine Gefahr droht.
»Jesus, Jesus! Immer noch gut in Form, wie ich gemerkt habe.«
Er zuckt kurz mit dem Arm, widersteht aber der Versuchung, Jesus am Oberarm zu fassen und spielerisch die Muskeln zu fühlen. Das wäre ihm doch zu vermessen.
»Was wolltest du eigentlich hier?«, fragt er stattdessen.
»Ich weiß das auch nicht mehr so genau.«
Jesus schaut in seinen Einkaufswagen. Der ist akkurat zu einer Hälfte gefüllt mit Rasierschaumdosen, zur anderen mit Galia Melonen.
Pfarrer Jakob schaut Jesus fragend an. Dieser zuckt entschuldigend die Schultern und schaut sich kurz um. Dann lässt er den Wagen mit einem leichten Schubs durch die Gänge mit Tiernahrung davon rollen. Er kommt vor dem Schild HEUTE 20% AUF ALLES zum Stehen.
»Was habe ich mir wieder dabei gedacht?«
Jesus schüttelt den Kopf und folgt dem Geistlichen Richtung Ausgang. Er hatte doch in die Kirche gehen wollen!
Vor dem Geschäft ist ein kleiner Tumult entstanden. Die Polizei sichert den Bereich um die brennende Imbissbude, während die Feuerwehr mit den Löscharbeiten beginnt. Es riecht intensiv nach Hähnchen.
Am VW Bulli der Polizei lehnt Joe, der Besitzer des Hähnchenwagens und erzählt der blonden Polizistin mit dem langen Zopf, wie es zu dem Brand gekommen ist. Nein, er habe nichts falsch gemacht. Kein technischer Defekt. Er sei gerade dabei gewesen, ein Hähnchen zu halbieren, als sich der Himmel plötzlich verdunkelte. Die Polizistin nickt und tut so, als ob sie mitschreibt. Als Joe laut und aufgeregt von dem überraschenden Gewitter und dem Blitzschlag erzählt, nicken einige der anwesenden Schaulustigen eifrig und gestikulieren mit den Händen.
>Hühner-Joe< blickt unvermittelt auf und Jesus direkt in die Augen. All seine Aufregung verfliegt in Sekundenbruchteilen. Seine Schultern sacken nach unten und er bedankt sich bei der Polizei und der Feuerwehr für ihre Hilfe. Dann geht er langsam zurück zu den qualmenden Resten seines Wagens und beobachtet die weiteren Löscharbeiten.
Jesus schaut Joe mitfühlend an. Dass sein Vater es einfach nicht lassen kann, sich immer so in Szene zu setzen. Das war genauso, als er damals zwischen dieser Stadt und Osnabrück als >Friedensreiter< unterwegs war.
Seine Gedanken wandern zurück in die Mitte des 17. Jahrhunderts und zu seinem treuen Esel Nikolas. Seit mehr als einem Jahrtausend waren die beiden damals schon unterwegs und unzertrennliche Freunde geworden. Es war die Zeit des 30-jährigen Krieges, der das Land und die Menschen zermürbte.
Nach vielen >Einmischungen< in die Geschichte der Menschheit hatte Jesus sich vorgenommen, dieses Mal noch mehr Zurückhaltung zu zeigen. Er wollte den Menschen den Weg aus der Not zeigen, ohne zu sehr einzugreifen. Ähnlich wie beim Konzil in Nicäa wollte er die Rolle eines >aktiven Beobachters< einnehmen.
»Jakob, habe ich dir schon erzählt.?«, beginnt Jesus. Der Pfarrer blickt genervt gen Himmel, besinnt sich dann schnell eines Besseren und antwortet: »Bestimmt! Aber erzähl ruhig!«
Beide spazieren über den Schlossplatz zur Kirche.
»Ja! Genau hier war es, vor knapp 400 Jahren! Nikolas und ich waren im Dienste des westfälischen Friedens unterwegs. Nikolas kann so schnell sein wie ein Pferd, wenn er will. In dem Schloss dort fanden schließlich die Friedensverhandlungen statt. Kaiser und Könige aus ganz Europa waren anwesend, sogar eine Frau, die schwedische Kaiserin.«
Jakob bleibt abrupt stehen, als das Glockenspiel vom Schloss her tönt: >Die Gedanken sind frei< wendet sich Jesus zu. »Dort? In dem Schloss?«
Jesus nickt und schaut versonnen über den großen Platz. »Ich weiß es noch wie heute.«
»Da? Wirklich da?«
»Hörst du schwer? Ja, da! Ich höre noch das Getrappel von Nikolas' Hufen auf dem Pflaster.«
»Du meinst den westfälischen Frieden 1648?«
Jesus nickt vehement.
»Weißt du, wer das Schloss erbaut hat?«
»Johann Conrad Schlaun, 1767 bis 1787.« Jesus setzt...
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