Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Wahnsinn, warum haben wir das Jet-Set-Outlet eigentlich nicht schon früher entdeckt?«, seufzte Susanne und drehte sich in einer weißen Skihose mit kakifarbenen Ledersternen vor dem Spiegel.
»Also ich weiß nicht recht .«, murrte Heike, die gerade mit spitzen Fingern eine Fellweste mit Farbverlauf von Gelb bis Lila vom Tisch hob, ». meines Erachtens sind die meisten Sachen nicht nur aus der letzten, sondern sogar aus der vorletzten Saison .« Sie hielt die Weste hoch und legte den Kopf schief. »Obwohl, dieses Teil hier . ist gar nicht mal so übel .«, sie drehte das Preisschild um, ». für achtzig Franken! Die hat vorher mal neunhundert gekostet.«
»Na, dann los«, lachte Susanne, »lass uns die Fummel einpacken!«
Sie verließen das Outlet und kämpften sich durch das immer stärker werdende Schneetreiben auf dem schmalen Gehsteig der Via Maistra voran, in den Ortskern von St. Moritz. Heike trug Fellmütze und Sonnenbrille, schon bald bildeten die dicken Flocken eine weiße Haube auf den Kaninchenhaaren. »Wenn das so weitergeht, war gestern unser einziger richtiger Skitag. Langsam weiß ich nicht mehr, wohin mit den ganzen Einkäufen. Ich habe schon vorsorglich überall die Etiketten abgeschnitten und die Tüten gar nicht erst mit ins Hotelzimmer genommen, damit Tom nichts merkt .«
»Das alte Spiel?«, grinste Susanne, bevor sie vor dem Prada-Store stehen blieb und in das Innere des Ladens sah. »Guck mal da: Kennen wir die nicht?« Sie deutete auf eine kleine, untersetzte Frau mit Kurzhaarschnitt, die sich in einem hautengen rotbraunen Lederkleid in Pose stellte. Mit dem Rücken zum Fenster, auf einer Couch, saß ein Mann mit gelglänzenden schwarzen Haaren, neben prasselndem Kaminfeuer. Er sah nur kurz von seinem Smartphone auf, reckte den Daumen in die Luft und drehte ihn abwägend hin und her.
»Sollen wir reingehen und sie begrüßen?«, fragte Heike.
Susanne sah sie durch ihre grünen Brillengläser an: »Warum nicht? Ich kenne inzwischen sowohl das komplette Sortiment auf der Via Maistra als auch auf der Via Serlas, und langsam werden sogar Gucci und Roberto Cavalli langweilig.«
Sie gingen in Richtung Ladentür, die ihnen sogleich von einem in Schwarz gekleideten Türsteher geöffnet wurde. Iris Sommer bemühte sich gerade, das Kleid über ihren Hüften weiter nach unten zu ziehen, als sie aufblickte und die beiden erkannte. »Nein, das gibt's ja nicht! Anscheinend sammelt sich diesen Winter der halbe Vordertaunus im Engadin. Letztes Jahr war es doch noch Lech .«
». was angesichts des Wechselkurses auch weitaus vernünftiger gewesen wäre .«, ergänzte Michael Sommer und erhob sich, um Susanne und Heike mit Wangenküssen zu begrüßen.
»Aber dafür kostet der Skipass diese Saison nur fünfundzwanzig Franken pro Tag!«, antwortete Heike.
»Und, was meint ihr?«, fragte Iris Sommer und strich über das Lederkleid.
»Eine Nummer zu klein«, kam es prompt von Heike. Iris' Gesicht wurde wächsern. Es entstand eine Pause. Dann schnalzte sie mit der Zunge und gab der Verkäuferin Anweisung, das Kleid in Größe 42 zu holen.
»Wie war denn Ihr Heli-Trip auf die Lagalb?«, wechselte Susanne rasch das Thema.
»Phantastisch!«, antwortete Iris. »Traumhafter Tiefschnee! Wenn wir gewusst hätten, dass Sie beide auch in St. Moritz sind, hätten wir Sie mitnehmen können. Wir hatten noch Plätze frei, die Kinder waren ja in der Skischule.« Sie wandte sich an ihren Mann, der sich inzwischen wieder gesetzt hatte. »Nicht wahr, Michael, wäre das nicht nett gewesen?«
Michael Sommer nickte, ohne den Blick von seinem Smartphone abzuwenden: »Ja, sicher, sicher .«
»Na«, meinte Heike cool, »kann man ja immer noch irgendwann mal machen. Wir sind schließlich jedes Jahr hier, und die Lagalb ist eigentlich ein wenig flach . Ihr habt kurzfristig gebucht? Und da gab es noch Zimmer?«
»Zwei Junior-Suiten im Kempinski konnten wir noch ergattern. Es ist ein wenig beengt, aber für eine Woche kommen wir damit klar«, setzte ihr Iris Sommer auseinander.
»Teuer geht immer!«, kommentierte ihr Mann und hielt auf einmal sein Smartphone in die Höhe: »Sieh mal einer an. Jetzt wird die Eichberg-Villa schon vom vierten Makler angeboten.« Er hob den Kopf und suchte Heikes Blick. »Langsam bewegt sich der Preis für das Grundstück eurer Nachbarn auf ein attraktives Niveau zu. Soweit ich weiß, hat dein Mann auch schon ein Gebot abgegeben.«
Heike lief rot an. Tom hatte ihr nichts davon erzählt. »Ja . natürlich .«, stammelte sie, »so eine Gelegenheit kann man sich doch nicht entgehen lassen . und wie steht es mit euch?«
Michael Sommer schüttelte energisch den Kopf: »Mit diesen minimalen Baufenstern und dem Denkmalschutz an der Backe ist es immer noch ein reines Liebhaberobjekt. Für euch wäre es natürlich die Gelegenheit, den Garten ein wenig zu vergrößern. Aber die Gebäude entsprechen einfach nicht unseren Ansprüchen.«
»Das ist der Nachteil, wenn man auch noch im Urlaub Königsteiner trifft. Schon geht es wieder um die ewig gleichen Themen. Aber habt ihr das von dem vermissten Schüler im Alpeninternat gehört?«, schaltete sich seine Frau ein. Sie hatte inzwischen das Lederkleid in Größe 42 an und baute sich erneut vor dem Spiegel auf. »Ist nicht der Sohn von Ihrem .«, sie schien nach dem richtigen Ausdruck zu suchen und sah dabei Susanne an, ». Lebensgefährten auf dieser Schule?«
Susanne nickte und fragte: »Ja, stimmt. Und wer wird da vermisst?«
»Es stand gestern in der Schweizer Illustrierten, ich habe sie beim Hotelfriseur gelesen, bin übrigens froh, wenn ich endlich wieder zu Matthias in Kronberg gehen kann!« Sie zupfte unzufrieden an ihrer brünetten Kurzhaarfrisur herum.
»Ist mir eindeutig zu moskauerisch geraten, ich konnte den Coiffeur gerade noch davon abhalten, mir rote Strähnen reinzufärben . aber wie dem auch sei . der Sohn eines Hoteliers, hier aus der Region, Carsten Bucher heißt er, glaube ich. Ist schon seit Mitte Dezember aus dem Internat verschwunden. Kam einfach nach dem Wochenende nicht ins Internat zurück, war aber auch nicht zu Hause. Es fehlt jede Spur von ihm.«
»Das habe ich gar nicht gelesen, und Marcel hat auch nichts davon erzählt .«, sagte Susanne, und Iris sah sie einen Augenblick lang verwundert an: »Das muss doch schon früher durch die Presse gegangen sein .« Dann stampfte sie zurück in die Umkleidekabine: »Na, von mir aus nehme ich es. Aber lange lasse ich mir das nicht mehr bieten. Früher war eine italienische 46 noch eine deutsche 40, und da habe ich auch immer reingepasst. Doch Miuccia Prada glaubt offenbar, uns für dumm verkaufen zu können!«
Heike fragte die Verkäuferin: »Haben Sie eigentlich noch diese Kristallohrringe mit den Kunstharzrosen?«
Die Verkäuferin schüttelte mit unbewegtem Gesicht den Kopf: »Leider alle ausverkauft.«
Susanne zeigte auf eine hübsche dunkelhaarige Frau, die gerade den zweiten Clip an ihrem Ohr befestigte. Sie drehte den Kopf hin und her, und die hellblauen Swarovski-Kristalle blitzten unter den Halogenspots. Ihr gutaussehender Begleiter in schwarzer Daunenjacke und weißem T-Shirt gab Kommentare in russischer Sprache dazu ab. Nur der halbwüchsige Junge, der offenbar auch dazugehörte, sah weiter gebannt auf den Bildschirm seines Smartphones.
»Sieh mal da, meintest du vielleicht diese?«, fragte Susanne.
Heike verzog den Mund zu einem künstlichen Lächeln und wandte sich erneut an die Verkäuferin, die gerade mit Iris' Lederkleid zur Kasse ging: »Gibt es bei Ihnen womöglich Kunden erster und zweiter Klasse?«
Sie blieb stehen, und ihre Augen verengten sich: »Wie meinen Sie das?«
Heike deutete auf die Frau mit den Ohrringen: »Ausverkauft, ja?«
Die Verkäuferin zuckte mit den Schultern: »Das war dann wohl das letzte Paar - vielleicht eine Retoure«, und wendete sich ab.
Die russische Schönheit bemerkte, wie Heike und Susanne sie anstarrten, und schenkte ihnen ein entwaffnendes Lächeln, das strahlend weiße, ebenmäßige Zähne freilegte. Sie war kaum geschminkt und hatte schulterlange, ebenholzfarbene Haare, die unfrisiert wirkten, ihrem breiten Gesicht mit dem hellen Teint jedoch einen perfekt natürlichen Rahmen gaben.
Heike erwiderte das Lächeln zögernd.
»Do you like these earrings? Do they really fit me?«, fragte die Frau an Heike und Susanne gewandt. Ihre englische Aussprache klang hart.
Heike trat näher und wog ihre Antwort genauestens ab. Nach einer Weile sagte sie: »Probably white or coral would go better with your beautiful dark eyes.«
Die Frau sah ihr sekundenlang in die blauen Augen und schien zu spüren, dass sie es ehrlich meinte. »Probably you are right. They would fit you much better than me.«
Sie zog die Clips von ihren Ohrläppchen ab, legte sie auf die Glastheke und sagte etwas in ihrer Muttersprache zu dem Mann.
Der ließ einige kurze abgehackte Sätze hören, aus denen zu schließen war, dass er ihre Meinung nicht teilte. Dann wies er die wartende Verkäuferin an, ihm die Ohrringe einzupacken. Die hübsche Frau schüttelte den Kopf und machte eine bedauernde Geste in Heikes Richtung.
Heike starrte die beiden an, bis Susanne sie am Oberarm packte und flüsterte: »Komm jetzt endlich, sonst wird es peinlich. Du siehst doch, dass sie die Ohrringe kaufen.«
Heike warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf den funkelnden Modeschmuck, der...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.