Schweitzer Fachinformationen
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Mit einem erleichterten Seufzer klappte Karin Wolf den Deckel der eben bearbeiteten Akte zu. Wieder eine geschafft, dachte sie. Aber als ihr Blick auf den Stapel der noch unerledigten Mappen fiel, schlich sich Verzweiflung in ihr Gemüt. Viele Stunden eintöniger Arbeit lagen noch vor ihr.
Jetzt geh ich erst mal essen, entschied sie. Entschlossen stand sie auf, schnappte sich ihren Rucksack, da klingelte das Telefon. Nach einem kurzen Moment des Schwankens zwischen Hunger und Pflichtgefühl nahm sie ab. Kriminalrat Haupt zitierte sie in sein Büro.
Als Karin das Büro ihres Chefs betrat, kam er wie immer hinter seinem Schreibtisch hervor und begrüßte sie freundlich. Kriminalrat Haupt war eine beeindruckende Erscheinung. Trotz seines Alters von fünfzig Jahren strahlte sein Körper eine gewaltige Kraft aus. Dies war vor allem auf seine Größe von einem Meter neunzig zurückzuführen. Dadurch wurde auch der nicht zu übersehende Bierbauch relativiert. Karin zog ihren Chef gern bei schwierigen Verhören hinzu. Haupt pflegte dabei still in einer Ecke zu stehen, ein bitterböses Gesicht aufzusetzen und versetzte so auch den verstocktesten Kriminellen in Panik.
Doch jetzt strahlte er Karin freundlich an und wies auf die bereits in seinem Büro sitzende Frau. »Darf ich vorstellen, Frau Kriminaloberkommissarin Sandra König. Ich freue mich, dass ich Frau König für unsere Abteilung gewinnen konnte, bei ihren herausragenden Referenzen wird sie eine willkommene Verstärkung für unser Team sein.«
Karin nahm neben der jungen Frau Platz und reichte ihr die Hand. »Freut mich. Wo haben Sie bisher Dienst geschoben?«
»In der Betrugsabteilung, Schwerpunkt Internetkriminalität.«
»Und jetzt zieht es Sie zum Morddezernat.« Karins Feststellung klang wie eine Frage.
Frau König zögerte kurz, bevor sie vage antwortet: »Ich hab keine Lust mehr, den ganzen Tag allein vor dem Computer zu hocken. Dadurch bekomme ich nur rechteckige Augen und einen Buckel. Ich suche einen Neubeginn und will mehr unter Menschen.«
»Menschen .?« Karins Lachen klang bitter. »Ja, da werden Ihnen in Zukunft sicher ein paar ganz besonders feine Exemplare über den Weg laufen. Auftragskiller, Psychopathen und kaputte Typen, die im Drogenrausch wahllos morden.«
»Karin malt wie üblich den Teufel an die Wand«, schaltete sich Haupt ein. »Sie dürfen sie nicht ganz so wörtlich nehmen. Karin, ich möchte, dass du deine neue Partnerin unter die Fittiche nimmst. Am besten du führst sie im Gebäude herum und machst sie mit den Örtlichkeiten vertraut.«
»Okay, da zeige ich meiner neuen Kollegin gleich, wo es hier was zu essen gibt. Ich bin nämlich am Verhungern.«
Mit diesen Worten erhob sie sich und bedeutete Sandra, ihr zu folgen. Auf dem Weg zur Kantine sagte Karin: »Wenn es dir recht ist, lassen wir dieses förmliche Sie weg, ich bin Karin.«
Bevor Sandra antworten konnte, piepte Karins Handy.
»Oh Shit«, sagte sie nach dem kurzen Telefonat. »An einer Autowaschanlage wurde eine männliche Leiche gefunden. Konnte der nicht wenigstens bis nach dem Essen warten! Aber so ist das hier immer. Willkommen bei der Mordkommission.«
Sie verließen die Polizeidirektion auf der Schießgasse und fuhren in den Dresdener Osten, wo sich die betreffende Tankstelle befand. Karin ließ Sandra fahren und nutzte die Zeit, um ihre neue Kollegin verstohlen zu mustern. Sandra war sehr schlank und größer als Karin. Obwohl Karin mir ihren ein Meter fünfundsechzig für eine Frau nicht klein war, hatte sie auf dem Weg zum Auto nach oben sehen müssen, um ihrer zehn Zentimeter größeren Partnerin in die Augen zu blicken. Allerdings, so fand Karin, lohnte dieser Anblick. Sandra hatte sehr schöne, große braune Augen. Sie war überhaupt recht hübsch, daran konnte auch ihre etwas zu große Nase nichts ändern. Eben eine Schnüfflernase, passt zum Beruf, dachte Karin und grinste innerlich. Doch gleich wurde sie wieder ernst. »Was mir vorhin über das Mordopfer rausgerutscht ist, tut mir leid, normalerweise spreche ich nicht so über die Opfer von Gewalttaten. Ich war nur frustriert, weil wieder mal das Essen ausfällt. Der Tote kann ja nichts dafür, er hat sich sicher nicht mit Absicht ermorden lassen.«
»Ist schon okay«, meinte Sandra. »Ich verstehe das. Wenn ich Hunger habe, werde ich auch unleidlich. Und bis auf Suizidfälle gilt das mit der fehlenden Absicht für alle unsere Kunden.«
Als die beiden Beamtinnen die Tankstelle erreichten, war der Tatort bereits weiträumig abgesperrt und die Kollegen von der Spurensicherung hatten gerade mit der Arbeit begonnen.
Über der Tankstelle schwebte der charakteristische Geruch nach Waschzusatz, der den früher vorherrschenden Benzingestank abgelöst hatte.
Karin lief schnurstracks zu einem Streifenpolizisten. »Hallo, Bernd. Warst du als Erster vor Ort?«
»Hm«, brummte Polizeiobermeister Stein. »Wir waren am nächsten dran und müssen nun den Laden schmeißen. Das Opfer wurde von einem Rentner gefunden, für den ist das Ganze eine nette Abwechslung. Der Kollege nimmt gerade seine Aussage auf. Die Dame von der Kasse hat es nicht ganz so gut verkraftet. Als sie von dem Rentner herbeigerufen wurde, ist sie gleich weggetreten. Jetzt sitzt sie in der Tankstelle und wird versorgt. Komm, der Tote liegt neben seinem Auto.«
Noch bevor der Streifenpolizist den beiden Frauen das Opfer zeigen konnte, fuhr mit tiefem Dröhnen eine Harley-Davidson an die Waschstraße. Ein in schwarzes Leder gekleideter Mann kam zu der Gruppe. Sandra staunte nicht schlecht, als er seinen Motorradhelm abnahm. So einen jungen Mann hatte sie nicht unter dieser dunklen Kluft erwartet. Erst als sie ihn genauer ansah, bemerkte sie die Lachfältchen in den Augenwinkeln. Er hinterließ einen jüngeren Eindruck, als die dreißig Jahre, die er ihrer Schätzung nach auf dem Buckel hatte.
»Das ist Dr. Bretschneider, unser zuständiger Gerichtsmediziner und die junge Dame, die dich mit ihren Rehaugen mustert, ist meine neue Partnerin, Oberkommissarin Sandra König«, stellte Karin vor.
Dr. Bretschneider hielt sich nicht mit Formalitäten auf, nickte nur und begab sich sofort zu der Leiche. Nach einer kurzen Untersuchung meinte er: »Ungefähr seit einer Stunde tot, länger auf keinen Fall. Der Todeskampf war kurz, sonst hätte er mit seinen Schuhen oder Händen Spuren im Staub hinterlassen. Das ist bei dieser Wunde nicht verwunderlich. Scheinbar hat jemand mit einem spitzen Gegenstand sein Rückenmark durchtrennt, sein Licht wurde innerhalb von Sekunden ausgeknipst. Genaues kann ich erst nach der Untersuchung sagen, mein detaillierter Bericht liegt morgen Mittag vor.«
»Wieso erst mittags«, sagte Karin verwundert, »es ist gerade dreizehn Uhr.«
»Weil ich heute Abend eine Verabredung mit einer sehr hübschen Blondine habe und es hoffentlich sehr spät wird. Da schlafe ich morgen aus.«
Karin winkte ab. »Also dann eben morgen Mittag«, und rief dem davoneilenden Doktor noch schnell ein »Tschüss« hinterher.
»Der ist aber süß«, meinte Sandra, »aber schon vergeben und außerdem zu jung für mich.«
»Wenn du den willst, zieh 'ne Nummer. Der Doktor ist nicht vergeben, er sammelt Eroberungen. Und wieso zu jung? Ihr müsstet im selben Alter sein, er ist dreißig.«
»Hm. Rehaugen! Dreißig Jahre! Ich wusste, dass ich dich lieben würde. Leider ist mein dreißigster Geburtstag schon vier Jahre Geschichte.«
»Da hast du dich gut gehalten.«
»Das liegt daran, dass ich keine grauen Haare habe und mir keinen Bart stehen lasse.«
Karin lächelte kurz, während sie sich Latexhandschuhe überzog. »Okay, zurück zur Tagesordnung. Ich schlage vor, du filzt den Golf und ich sehe mir das Opfer an.«
Diesen Teil ihres Jobs mochte Karin ganz und gar nicht, immer wenn sie einen toten Menschen durchsuchte, kam sie sich wie eine Leichenfledderin vor. Sie wusste, dass dieses Gefühl Quatsch war - die Arbeit war wichtig und musste getan werden - aber dennoch konnte sie es nie ganz abschütteln. Zunächst blieb sie neben der Leiche stehen und musterte sie. Das wenige Blut, das aus der Nackenwunde gesickert war, hatte sich mit dem Wasser vermischt, welches aus der Waschhalle kam. Von da war die hellrote Flüssigkeit in einem dünnen Rinnsal in die Schleuse geflossen. Mehr als der Doktor bereits gesagt hatte, konnte sie aus dieser Position nicht erkennen.
Karin ging in die Knie und inspizierte gründlich alle Taschen des Opfers. Gierig hatten die Kleidungsstücke die Feuchtigkeit aufgesogen. Ein Taschentuch, das er in seiner Hosentasche hatte, ließ sie für die KTU dort stecken. Die Brieftasche und den Schlüsselbund nahm sie an sich. Als sie die Untersuchung der Kleider des Toten abgeschlossen hatte, setzte sie sich ohne Umstände auf das Gras neben der Waschbox und studierte den Inhalt der Brieftasche. Danach gönnte sie sich einen kurzen Moment, um mit geschlossenen Augen ihr Gesicht von der Sonne bescheinen zu lassen. Mit Mühe riss sie sich nach fünf Minuten von der angenehmen Wärme los und ging zu Sandra. Sie schaute in das offene Beifahrerfenster des Golfs und bemerkte erfreut, dass Sandra bei...
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