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Gesenkten Kopfes stand Leutnant Uwe Friedrich vor den Leichen der beiden Frauen. Er war überwältigt von Traurigkeit, konnte die Sinnlosigkeit dieses Verbrechens nicht begreifen. Was musste das für ein Mensch sein, der seinen inneren Dämonen nachgab, um wie ein wildes Tier über seine Mitmenschen herzufallen? Er schloss für einen Moment die Augen und schüttelte die unproduktiven Emotionen ab. Es hatte keinen Zweck, sich von Wut oder Trauer vereinnahmen zu lassen. Solche Gefühle würden ihn nur auffressen und daran hindern, am Tatort Eindrücke zu sammeln.
Der junge Leutnant trat einige Schritte zurück. Um auf andere Gedanken zu kommen, warf er einen Blick in die Runde. Der Tatort war weiträumig abgesperrt. Mehrere Streifenwagen waren vor Ort, ebenso der Barkas der Kriminaltechnik.
Wieder klar im Kopf wandte er sich zuerst der älteren Frau zu. Er schätzte sie auf Anfang fünfzig. Rundliche Figur, jedoch nicht dick. Bekleidet war sie mit einem Rock, der bis unter die Knie reichte, sowie einer graubraunen Jacke. Ihre Gesichtszüge waren von dem ausgestandenen Entsetzen und den furchtbaren Schmerzen, die sie hatte erleiden müssen, verzerrt. Die Ursache für ihre Pein war auf den ersten Blick offensichtlich. Sowohl der Rock als auch ihre Beine waren voller Blut.
Er war gerade im Begriff, neben der Leiche in die Hocke zu gehen, da hielt ihn ein kurzer Pfiff zurück. Er blickte sich suchend um, und als er seinen Freund Detlev Möckel entdeckte, lief er zu ihm hin. Der Oberleutnant hatte die Fäuste in die Seiten gestemmt und schüttelte missbilligend den Kopf. »Du wolltest doch nicht etwa ohne Handschuhe an den Opfern rumfummeln und sämtliche Spuren verunreinigen?«
Ertappt ließ Uwe die Schultern hängen und gab sich zerknirscht.
»Tu bloß nicht so schuldbewusst, das kaufe ich dir nämlich nicht ab.«
»Hab im Eifer des Gefechts nicht dran gedacht. Seid ihr mit der Untersuchung des Tatorts schon fertig?«
»Scherzkeks. Unter den Bäumen ist es finster wie im Bärenarsch. Wir sind nur ganz grob über den Boden gegangen, die Feinarbeit beginnt bei Tagesanbruch. Sobald die Genossen die Lampen aufgebaut haben, machen wir Fotos von den Opfern, danach kommen sie in die Gerichtsmedizin.«
»Darf ich bis dahin einen Blick auf die Toten werfen?«
Detlev griente schief, holte aus seiner Umhängetasche ein Paar Schutzhandschuhe heraus und reichte sie ihm. »Trampel nicht unnötig herum und fass nur das Nötigste an.«
Die wenigen Worte, die er mit seinem Freund gewechselt hatte, waren wie Balsam für Uwes Nervenkostüm gewesen. Detlev war es abermals gelungen, mit seinem schrägen Humor das Grauen am Tatort zu verjagen. Ein freches Grinsen stahl sich auf Uwes Gesicht, er salutierte. »Zu Befehl, Genosse Oberleutnant!«
»Hau ja ab!« Der schlaksige Kriminaltechniker schnitt eine Grimasse und steckte seine Nase wieder ins Notizbuch.
Uwe ging neben der älteren Frau in die Knie und schob ihren Rock hoch. Die grauenvolle Wunde zwischen ihren Beinen ließ seinen Atem stocken. Obwohl er schon viel Schlimmes gesehen hatte, war er einem derartigen Sadismus noch nie begegnet. Er bekam Angst bei dem Gedanken, dass der Mörder noch auf freiem Fuß war. Schaudernd zog er den Rock wieder herunter und widmete seine Aufmerksamkeit den Würgemalen am Hals der Toten sowie der klaffenden Wunde an ihrem Hinterkopf.
Anschließend wandte er sich der jüngeren Frau zu und nahm deren Verletzungen in Augenschein. An ihr hatte sich der Täter ebenso brutal vergangen. Die Wunde im Unterleib und die Strangulationsmarken am Hals stimmten mit denen der anderen Frau auf den ersten Blick überein. Damit hörten die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Der Kopf der jungen Frau war unversehrt und sie war über dreißig Jahre jünger. Ihr kurzer Rock ließ schöne, schlanke Beine sehen. Obwohl ihr Gesicht von Panik und Qual verzerrt war, konnte er erkennen, dass sie sehr hübsch gewesen sein musste.
Die Gegensätze im Erscheinungsbild der Frauen überraschten ihn. Normalerweise bevorzugten Lustmörder einen bestimmten Typ und legten sich auf ihn fest. Warum war der Täter von seinem Schema abgewichen? Er zuckte mit den Schultern. Was wusste denn er, wie ein so perverses Hirn tickte.
Die Ankunft seines direkten Vorgesetzten Oberleutnant Ludwig Unger riss ihn aus seinen Überlegungen. »Hab's nicht schneller geschafft. Was haben wir bis jetzt?«, keuchte Unger, vom schnellen Lauf außer Atem.
Sachlich und ohne die Ereignisse zu kommentieren, fasste Uwe sie zusammen. »Zwei Männer, die von der Kneipe nach Hause wollten, sind aufmerksam geworden, als sie jemanden um Hilfe rufen hörten. Nachdem sie ihren Schreck verdaut hatten, fanden sie hier im Gebüsch einen jungen Mann, der versuchte, eine Gehenkte zu stützen. Mit vereinten Kräften haben sie es geschafft, die Frau abzuschneiden, aber es war zu spät. Sie war bereits tot. Der eine der beiden Männer war so geistesgegenwärtig, sofort zur nächsten Telefonzelle zu sprinten, um die Polizei und die SMH zu verständigen. Wenig später waren die Einsatzkräfte vor Ort. Die Genossen haben als Erstes dafür gesorgt, dass der junge Mann auf schnellstem Weg ins Krankenhaus kam. Er stand unter Schock und war nicht mehr ansprechbar. Als ich eintraf, hatte ein Arzt schon die Totenscheine ausgestellt und eine erste Untersuchung vorgenommen. Wir warten bloß noch auf die Lampen, damit der Fotograf loslegen kann.«
Ein hohes, nervtötendes Surren riss Uwe aus seinen Gedanken. Er wartete ab, bis die Mücke auf seinem nackten Unterarm gelandet war und schlug zu, ehe sie ihren Stechrüssel in seiner Haut versenken konnte. Nachdem er das tote Insekt weggeschnippt hatte, fuhr er fort: »Ehe du fragst, Hauptwachtmeister Opitz sitzt mit den beiden Kneipenheimkehrern im Streifenwagen und nimmt ihre Aussagen auf. Wenn du vorerst keine Fragen an sie hast, können wir sie vielleicht gehen lassen. Sollte später noch was sein, haben wir ja ihre Daten.«
Unger ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort. »Das überlege ich mir noch. Mach erst mal weiter!«
»Die Handtasche der älteren Frau haben wir im Gebüsch gefunden. Portemonnaie samt Personalausweis lagen noch drin. Im Geldbeutel sind knapp 48 Mark. Einen Raubmord können wir somit vermutlich ausschließen.« Uwe sah seinen Kollegen an. Als der nichts sagte, nahm er dessen Schweigen als Zustimmung und sprach weiter. »Es handelt sich um Ingeborg Groß, Jahrgang 32. Sie wohnte bloß ein kurzes Stück entfernt von hier, auf der Tiergartenstraße.« Der Leutnant kratzte sich am Kopf und schnaufte einmal durch. »Merkwürdig ist, dass in der Handtasche keine Schlüssel lagen. Detlev und seine Leute kämmen die gesamte Umgebung durch, sobald es hell geworden ist. Vielleicht finden sie die Schlüssel. Manche Leute tragen ihren Schlüsselbund in der Hand, wenn sie durch einsame Gegenden laufen. Eventuell wollte Frau Groß auf diese Weise ein Sicherheitsgefühl herstellen.«
»Möglich«, brummte Unger. »Warten wir es ab.«
Über Uwes Gesicht zog ein Schatten. »Die junge Frau .« Er atmete tief ein und aus. »Sie ist eigentlich noch ein Mädchen, gerade mal achtzehn Jahre alt.«
Ungers Augen weiteten sich schockiert. »Scheiße«, sagte er nur.
»Besser kann ich es auch nicht formulieren. Ausweis und Schlüssel steckten in der Gesäßtasche ihres Minirocks. Sie heißt Simone Herberg, lebt in Prohlis. Vermutlich bei ihren Eltern.«
»Was wissen wir über den jungen Mann, der am Tatort war?«
Uwe hob die Hände. »Nicht viel. Dirk Fuhrmann heißt er und wohnt in Blasewitz. Der eine der Kneipengänger hat nur berichtet, dass er fortwährend den Namen des Mädchens gemurmelt hat, bevor er in eine Art Schockstarre verfiel. Wir können bloß hoffen, dass er bald vernehmungsfähig ist.«
»Und sonst?«
»Das war's. Wie wollen wir vorgehen?«
»Ich mach mir erst mal ein Bild. Danach besprechen wir alles Weitere.«
Uwe nickte und wollte zurück zu den zwei toten Frauen gehen, aber der Anblick eines Kriminaltechnikers, der gerade mit einer Kabelrolle für den erforderlichen Strom sorgen wollte, stoppte ihn. Hier würde er bloß im Weg stehen.
Sein Chef war nicht so rücksichtsvoll. Ohne Hemmungen stellte er sich dem Techniker in den Weg und betrachtete nachdenklich die Frauen. »Eindeutig ein Sexualdelikt«, kam er nach einer Weile zu einem Ergebnis.
Nachdem der Kriminaltechniker mehrmals gehüstelt hatte, warf der Oberleutnant ihm einen verärgerten Blick zu, trat jedoch zur Seite. Als Unger bemerkte, dass Uwe hinter ihm stand, drehte er sich um und fragte: »Wird in den umliegenden...
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