Schweitzer Fachinformationen
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Reines Wasser ist farblos, riecht und schmeckt nach nichts. Chemisch betrachtet ist es ein kleines, unscheinbares Molekül, das aus dem häufigsten und dem dritthäufigsten Element im Weltall besteht, Wasserstoff und Sauerstoff im Verhältnis 2:1. Also wissenschaftlich betrachtet eigentlich nichts Besonderes, oder?
So dachte ich zumindest, bevor ich mich tiefer in die Materie eingearbeitet hatte.
Von wegen!
Wasser ist vermutlich das ungewöhnlichste Molekül im Universum, ein Mysterium für die Wissenschaft. Seine Struktur ist ebenso einfach wie raffiniert.
Es ist so ungewöhnlich, dass es Forschende auch knapp 250 Jahre nach seiner chemischen Erstbeschreibung durch den britischen Naturforscher Henry Cavendish[1] immer noch verblüfft. Noch längst sind nicht alle Rätsel dieses kleinen, leichten Moleküls gelöst.
Aus diesem Grund formiert sich gerade in Hamburg das Center for Molecular Water Science, eine einzigartige Großforschungseinrichtung für Wasserwissenschaften, die Forschende aus aller Welt anlocken soll. Darin untergebracht die unterschiedlichsten Bereiche: Physik, Biophysik und Astrochemie ebenso wie Medizin, Klimaforschung und Umwelttechnik. 47 internationale wissenschaftliche Institute und Forschungszentren haben sich zusammengeschlossen und bereits dreißig Forschungsprojekte angeschoben.
Es soll ein Beitrag sein, um die noch ungeklärten Geheimnisse des Wassers nach und nach zu lüften. 2025 starten die Verantwortlichen mit einem groß angelegten Netzwerktreffen richtig durch.
Die chemische Formel für Wasser lautet H2O.
Zwei Wasserstoffatome (H) hängen wie zwei kleine »Ärmchen« im Winkel von 104 Grad an einem größeren, rumpfartigen Sauerstoffatom (O). Dabei ist der Sauerstoffteil negativ geladen, die Wasserstoffatome hingegen positiv. Auch die Wasserstoffatome benachbarter H2O-Moleküle werden deshalb von den Sauerstoffatomen angezogen. Es entstehen sogenannte Wasserstoffbrückenbindungen, die viel schwächer als Molekülbindungen sind, durch die aber ein besonderes dreidimensionales Netzwerk entsteht.
Die Wassermoleküle lassen sich leicht voneinander trennen und fügen sich, abhängig von der Temperatur, wieder zusammen wie ein Vogelschwarm, der sich teilt und wieder zu einer festen Formation zusammenfindet.
So weit das Basiswissen aus dem Chemieunterricht. Es ist die Voraussetzung, um die besonderen Eigenschaften des Wassers zu verstehen. Die dynamische Interaktion seiner Moleküle ermöglicht überhaupt erst dessen einzigartige Eigenschaften wie Oberflächenspannung, Wärmeaufnahmefähigkeit und Viskosität sowie die Fähigkeit, unter Einwirkung einer Kraft zu fließen und dabei die Form andauernd zu verändern.
Bei unseren Recherchen entdeckten Rüdiger und ich mehr und mehr, das uns überraschte und erstaunte: Wasser verhält sich anders als alle anderen Stoffe.
Eigentlich sollte das kleine, leichte Wassermolekül bereits bei Temperaturen von etwa minus achtzig Grad Celsius gasförmig umherschwirren. Denn je kleiner ein Molekül ist, desto flüchtiger ist es normalerweise. Doch Wasser bleibt im Vergleich zu ähnlich großen Molekülen wie etwa Kohlendioxid auch bei Zimmertemperatur und weit darüber hinaus flüssig - zusammengehalten von seinen Wasserstoffbrückenbindungen. Erst bei einem Siedepunkt um die hundert Grad plus wird es bei den vorherrschenden Druckverhältnissen zu Wasserdampf.
Auch werden die meisten Flüssigkeiten bei Kälte kontinuierlich dichter und schrumpfen dadurch etwas, Wasser hingegen erreicht ausgerechnet bei vier Grad Celsius seine höchste Dichte und dehnt sich dann wieder aus, je näher es dem Gefrierpunkt kommt.
Jeder, der schon einmal eine mit Wasser gefüllte und verschlossene Glasflasche bei Minusgraden vor der Balkontür oder im Auto vergessen hat, kennt das und musste verärgert die Scherben der geplatzten Flasche entsorgen, weil sich deren Inhalt um etwa elf Prozent ausgedehnt hatte.
In Steinbrüchen wird diese natürliche »Sprengkraft« beispielsweise genutzt, indem im Winter gezielt Wasser in Spalten und Bohrlöcher gefüllt wird, um Gesteinsblöcke abzutrennen.
Gäbe es diese Dichte-Anomalie nicht, würde Eis nicht auf dem Wasser schwimmen und vier Grad warmes Wasser nicht in die Tiefe sinken. Gewässer würden dann nicht von oben nach unten zufrieren und Fische sowie anderes Wassergetier könnten nicht am Grund eines Sees oder Flusses überwintern. Denn kälter als vier Grad wird es da unten nicht, wenn die Gewässer tiefer als etwa ein Meter sind.
Wasser hat bei 4° C seine höchste Dichte und sinkt deshalb auf den Grund. So können Fische unter Eis überleben.
Dass sich Wasser auch »unterkühlen« lässt, ist ein unterhaltsames Phänomen.[2] Sehr reines Wasser lässt sich bis auf minus 46 Grad Celsius[3] abkühlen, ohne zu gefrieren. Auf YouTube gibt es zum Stichwort »Supercooled Water« zahlreiche amüsante Videos: Plastikflaschen mit destilliertem, hochreinem Wasser werden auch nach Tagen noch flüssig aus der Gefriertruhe geholt. Sobald man diese dann aber kräftig anschnippt oder unsanft auf den Tisch hämmert, verwandelt sich ihr Inhalt schlagartig in Eis. Des Rätsels Lösung: Damit flüssiges Wasser unterhalb des Gefrierpunktes zu Eis wird, braucht es einen Kristallisationskeim. Dafür reichen schon wenige Staubkörner und etwas Bewegungsenergie. Fehlen sie als Auslöser, genügt schon eine kräftige Erschütterung, um den Übergang vom flüssigen in den festen Zustand auszulösen.
Dieser Effekt ist aber nicht nur eine nette Spielerei. Er hat unter anderem in hoch fliegenden Wolken, wo Temperaturen um die minus vierzig Grad vorherrschen, eine wichtige Bedeutung. Ob das Wasser dort fest oder flüssig ist, beeinflusst die Reflexion von Sonnenstrahlen und damit auch das Wettergeschehen. Auch in festem Zustand ist Wasser nicht einfach nur Eis, sondern kann sich abhängig von bestimmten Temperaturen und Druckverhältnissen in mindestens siebzehn verschiedene kristalline Varianten verwandeln (Stand 2023).
Seit wenigen Jahren ist bekannt, dass es sogar schwarzes Eis gibt.
Marius Millot und sein Team haben in einem Labor der Universität Rochester mit einem Laser diese spezielle Form von Wasser hergestellt. »Dieses superionische Eis ist wirklich sehr ungewöhnlich«, sagte Millot im Deutschlandfunk. »Es ist schwarz und es absorbiert Licht. Und dann hat es diese sehr ungewöhnliche Eigenschaft, dass es auf halbem Weg zwischen einem Festkörper und einer Flüssigkeit ist. In diesem Eis ist der Sauerstoff in einem festen Muster angeordnet und erzeugt dreidimensionale Kristallgitter. Der Wasserstoff aber fließt in diesem Gitter wie eine Flüssigkeit.« Millot geht davon aus, dass ähnliche Eisformen im All weitverbreitet sind. So könnte etwa das Innere der Planeten Uranus und Neptun aus dem ungewöhnlichen Material bestehen.[4]
Außerhalb der Erde kommt Wasser ohnehin in gigantischen Mengen vor. Meist allerdings als Eis oder Wasserdampf. Es ist nach Wasserstoff das zweithäufigste Molekül im Universum. Allein die Saturnringe enthalten überschlägig etwa zwanzig bis dreißig Mal mehr Wasser - in gefrorenem Zustand -, als auf der Erde vorkommt. Der Jupitermond Ganymed ist von einem 900 Kilometer dicken Panzer aus Wassereis umgeben. Verschiedene Eisarten umgeben ihn wie die Schalen einer Zwiebel. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Wasser in flüssiger Form auch auf dem Mars und den Jupitermonden vorkommen könnte.[5] In unserem Sonnensystem ist die Erde jedoch der einzige Planet, auf dem sich Wasser in allen drei Aggregatzuständen finden lässt.
Und dann gibt es noch das Phänomen des Schnees. Rund achtzig verschiedene Arten Schnee, vom fluffigen Pulverschnee bis zum krustigen, plattenartigen Harsch, sind bislang bekannt.
»Schnee unterscheidet sich von Eis eigentlich nur dadurch, dass Schnee aus sehr viel Luft besteht«, sagt Martin Schneebeli, der ehemalige Leiter des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung im Schweizer Davos.
Schnee entsteht, wenn unterkühlte Wassertröpfchen in Wolken zu Eis erstarren und sich anschließend Wasserdampf an diesen Kristallisationskernen anlagert und gefriert. Je nach Umgebungsbedingungen variiert die Form der miteinander verschmolzenen Kristalle von Nädelchen bis zu den wunderschönen symmetrischen Sternformen. Bei einem Durchmesser von einem Millimeter enthält eine einzelne gewachsene Schneeflocke rund hundert Trillionen Wassermoleküle. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Eiskristalle identisch aufgebaut sind, dass also alle Moleküle am gleichen Platz sitzen, ist extrem gering.
Vermutlich ist jede Flocke ein Unikat. Und somit sind Schneeflocken ein Abbild der Unendlichkeit, weil es unendlich viele Varianten gibt.
Wenn sich die Kristalle während des Schneefalls auf dem Boden anhäufen, entsteht ein komplexes Material. Am Anfang ist es weich und locker, aber innerhalb kurzer Zeit wachsen die Eiskristalle an ihren Berührungspunkten zusammen: Sie sintern. Dabei bilden sie eine zusammenhängende poröse Struktur, ähnlich einem Schwamm aus Eis, die sich ständig verändert. In frisch gefallenem...
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