Schweitzer Fachinformationen
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Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist.
- Prediger 3,1
Es war zum Ende des Jahres 1990. Ich saß in einem Seminar auf der Explo-Konferenz. Zu dieser Konferenz hatte die staatlich unterstützte Kirchengemeinde unserer kleinen Stadt in der Nähe von Zürich junge Erwachsene eingeladen. Ich war in Eglisau aufgewachsen und hielt nicht viel von solchen Konferenzen, aber da ich Jugendleiterin in der Gemeinde war und mich immer an Gemeindeaktivitäten beteiligte, hatte ich mich angemeldet.
Da saß ich nun und hörte die faszinierenden Geschichten von Annelies und Heinz Strupler über die Liebe zu Gott und anderen Menschen. Sie waren Pastoren einer Freikirche - die mir oft aufrichtiger und lebendiger als die staatlichen Kirchen erschienen. Ich hatte sowohl von meinen Eltern als auch in der Gemeinde schon viel von der Liebe Gottes gehört, aber die Art und Weise, wie Struplers dieses Thema beleuchteten, ließ mich aufhorchen. Sie berührte meine Seele.
Während ich gebannt zuhörte, sah ich aus dem Augenwinkel zwei junge Männer, etwa siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Sie waren im Hip-Hop-Stil gekleidet - ausgebeulte Jeans, aus denen oben ihre Boxershorts herausschauten, übergroße Shirts und klobige Timberland-Schuhe. Sie zogen meine Aufmerksamkeit auf sich, sodass es mir für einen Moment schwerfiel, mich auf das Seminar zu konzentrieren. Ich kann es nur so ausdrücken: Sie waren einfach cool. Solche Jungen hatte ich noch nie getroffen. Die einzigen Jungen, die ich kannte, waren aus meiner Schule und meiner Gemeinde. Aber ich war an keinem von ihnen interessiert, weil ich die meisten schon von klein auf kannte. Sie waren mehr wie Familie für mich.
Auf der Bühne fuhr Annelies fort zu erzählen, wie sie vor einigen Jahren, ohne es zu wissen, über Weihnachten Engel in ihrem Haus beherbergt hatten. Die Gäste, die sie beschrieb, waren Ärzte aus Rumänien, die sie durch andere Christen kennengelernt hatten. Sie wussten nicht, wo sie über Weihnachten schlafen konnten, und Annelies und Heinz hießen sie in ihrem Haus herzlich willkommen. Sie luden zu Weihnachten immer Menschen ein, die sonst niemanden hatten, mit dem sie feiern konnten. Sie verbrachten einen schönen Abend zusammen, doch als Annelies am nächsten Morgen nach ihnen sah, waren sie verschwunden. Ihr Bett war ordentlich gemacht und darauf lag eine Karte, auf der sie den Struplers für ihre Gastfreundschaft dankten. Annelies und Heinz versuchten noch, sie zu finden, aber niemand kannte sie. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Diese Ärzte hatten sie sehr ermutigt und waren ein großer Segen für sie gewesen. Daraus sowie aus der Tatsache, dass sie noch vor dem Morgen verschwunden waren, schlossen Annelies und Heinz, dass das Engel gewesen sein mussten.
Plötzlich waren die beiden coolen Jungen auf der Bühne. Der größere der beiden mit dunklem Haar sprach auf Englisch und der kleinere, blonde Junge übersetzte das Gesagte ins Deutsche. Ich hörte ihrem Bericht aufmerksam zu. Sie erzählten, wie sie in Zürich auf der Straße ein spontanes Rap-Konzert veranstaltet hatten, um den Menschen von ihrem Glauben zu erzählen. Sie hatten ihren Gettoblaster aufgestellt und zur Musik gerappt und getanzt. Viele Menschen waren stehen geblieben und hatten ihnen zugesehen. Dann hatten sie auf der Straße von ihrem liebevollen Gott erzählt und die Menschen zu einem persönlichen Gespräch, Gebet oder Worten der Ermutigung eingeladen.
Die beiden Jungs beendeten ihren Vortrag auf der Konferenz mit der Einladung an uns alle, eines ihrer Konzerte zu besuchen, und verließen den Raum unter begeistertem Applaus. Ich war wie elektrisiert.
Heinz Strupler beendete den Tag mit einigen Bibelversen und Gebet. In mir war nur ein Gedanke: Diese Familie möchte ich kennenlernen!
Ein wenig später hörte ich laute Rapmusik und fand mich unversehens mitten in einer Menschenmenge wieder. Über die im Takt wippenden Köpfe der Menschen hinweg sah ich vier Rapper, von denen einer am Plattenteller stand. Ich versuchte, dem englischen Text zu folgen: Move to the rhythm, kick this beat, in God's house, move your feet.
Nach dem Konzert luden die Musiker alle Zuhörer herzlich zum Gottesdienst in die ICF Church am Sonntag ein. Ich beschloss sofort, dort hinzugehen. Ich wollte diese Church von Heinz und seinen Freunden unbedingt kennenlernen. Wenn sie dort solche Musik spielten, würde ich dort sicher neue Freunde finden. Ich war fasziniert und konnte den Sonntag kaum erwarten. Der Gottesdienst sollte um sechs Uhr dreißig beginnen. Obwohl ich angesichts dieser frühen Uhrzeit zuerst alarmiert war, war mir schnell klar, dass ich mich davon nicht abhalten lassen würde. Als ich einer Berufsschulfreundin, die bereits mehrere ICF-Gottesdienste besucht hatte, davon erzählte, kicherte sie und erklärte mir, dass der Gottesdienst nicht am frühen Morgen (zum Glück!), sondern abends stattfinde. Ich war sehr erleichtert und lachte lauthals mit. Ich kannte nichts anderes als einen Gottesdienst am Vormittag und hatte automatisch angenommen, dass sich die Uhrzeit auf den frühen Morgen bezog. Aber ich muss zugeben: Ich war sehr froh, nicht vor Sonnenaufgang aufstehen zu müssen!
Endlich kam der Sonntag. Ich bat meine Freundin aus der Berufsschule, mich zu diesem etwas anderen Gottesdienst nach Zürich zu begleiten. Wir waren erstaunt, dort so viele junge Menschen in unserem Alter zu sehen. Heinz Strupler leitete den Gottesdienst. Er begrüßte mich mit einer freundlichen Umarmung und fragte: »Hallo, wie heißt du?«
»Mein Name ist Sophal«, entgegnete ich. »Ich bin heute zum ersten Mal hier. Ich wurde auf der Explo letztes Wochenende von einigen Rappern eingeladen.«
»Oh, das ist ausgezeichnet. Schön, dich kennenzulernen, Sophal. Ich wünsche dir einen schönen Abend.«
Nervös setzte ich mich auf einen der hinteren Plätze. Schließlich begann der Gottesdienst. Er war so ganz anders als alle Gottesdienste, die ich bisher besucht hatte, was ich sehr genoss. Er war so viel lebhafter und freudiger, als ich es von meiner eigenen Gemeinde kannte. Ich weiß, dass der Sinn von Gottesdiensten nicht darin besteht, die Menschen zu unterhalten, aber es trägt sicher dazu bei, sie bei der Stange zu halten. Niemand will einen unpersönlichen Jesus kennen. Die ICF Church war modern, die Predigt war verständlich und ermutigend und die Musik stammte von einer Band, die mit Synthesizer, elektrischer Gitarre, Bass und Schlagzeug ausgestattet war. Diese Art von Musik hatte ich noch niemals zuvor in einer Kirche gehört.
Nach dem Gottesdienst stellte mich die Freundin, mit der ich gekommen war, ihren Freunden in der Church vor. Einer von ihnen war ND Strupler, der Sohn von Annelies und Heinz. Er war der blonde der beiden Jungen, die ich damals im Seminar auf der Bühne gesehen hatte. Anneliese und Heinz hatten ihn bei der Geburt Andy taufen wollen. Das wurde beim Eintrag vom Amt aber nicht akzeptiert, also nannten sie ihn Andreas. Als er dann zum Teil in Amerika aufwuchs, nannte er sich selbst »ND«, was englisch ausgesprochen wie »Andy« klingt.
Ich wusste nicht, dass meine Freundin wenige Wochen zuvor nach ihrem ersten ICF-Gottesdienst ihr Leben Jesus anvertraut hatte. Es war ND gewesen, mit dem sie damals gemeinsam gebetet hatte. Ich vermutete, dass sie in ihn verliebt war. Für einen Moment flackerte Enttäuschung (oder war es Eifersucht?) in mir auf, doch das war schnell vorüber. Ich genoss es sehr, mich mit diesen Menschen zu unterhalten, und war dankbar, dass meine Freundin und ich zusammen hierhergekommen waren.
Von diesem Tag an ging ich jeden Sonntag in den Gottesdienst des ICF und ND stellte mir Woche für Woche dieselbe Frage: »Wie war doch gleich dein Name?« Entweder war mein Name zu ausgefallen, als dass er ihn sich hätte merken können, oder er hatte absolut kein Interesse an mir. Am liebsten hätte ich mir jedes Mal, wenn er mich das fragte, die Hände vor das Gesicht geschlagen, aber ich wollte ihn meine Frustration nicht spüren lassen. Nach einer Weile fand ich es fast schon lustig.
An einem Mittwochnachmittag ging ich nach der Arbeit in die Züricher Innenstadt, um mir neue Unterwäsche zu kaufen. Auf dem Weg dorthin stand plötzlich ND vor mir.
»Hallo Sophal«, begrüßte er mich. »Wie geht es dir? Wohin gehst du?«
Ich war überrascht, dass er sich an meinen Namen erinnerte, aber ich konnte ihm nicht sagen, was ich vorhatte, weil es einfach zu peinlich war. Und ganz sicher wollte ich keinen Jungen dabei haben, wenn ich mir neue Unterwäsche kaufte! Ich stellte mir vor, wie es uns beiden die Röte ins Gesicht treiben würde, wenn er herausfand, was ich geplant hatte. Schnell stieß ich hervor: »Ach, ich laufe einfach so herum. Was tust du hier? Willst du etwas einkaufen?«
»Ja, ich brauche ein paar Textmarker. Hast du Lust, mich zu begleiten?
Das war meine Chance! Als wir nebeneinander hergingen und ich seine Nähe spürte, breitete sich in mir ein tröstendes und wärmendes Gefühl aus. Vielleicht würde unsere gemeinsame Suche nach seinen Textmarkern ja sogar zur Folge haben, dass er sich meinen Namen auch in Zukunft merken konnte!
Ohne Eile bummelten wir durch die Geschäfte, kauften die Textmarker und setzten uns schließlich neben der Bahnhofstraße - der Hauptstraße, die sich durch ganz Zürich zieht - ins Gras. Wir redeten, lachten, erzählten uns Geschichten und sprachen über unsere Träume. Unser Zusammensein war so vertraut, entspannt und natürlich, dass es schien, als würden wir uns schon lange Zeit kennen.
Ich erzählte ND von meinem lang gehegten Traum, irgendwo im Ausland als Missionarin zu arbeiten. Er vertraute mir mit leuchtenden Augen an: »Ich möchte um die...
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