Schweitzer Fachinformationen
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Die Einkaufsstraße lag im Licht des warmen Himmels, sanft glänzte das Laub der Bäume im Regen der Sonnenstrahlen, und im Gastgarten stand kein Tisch mehr frei. Freundlich bediente Arno das junge Paar, das am letzten Tisch saß, als er plötzlich sah, wie Ayana, seine Kollegin, den Gastgarten betrat. Ihr weißes Sommerkleid leuchtete geradezu an ihrer Haut, an ihrer sehr dunklen, fast schwarzen und wunderbar glatten Haut, und ihr schwarzes Haar, das hinter ihren Ohren steckte, fiel scheinbar gewichtslos auf ihre Schultern. Seltsam verspielt strahlten ihre silbernen Ohrringe im Schein der Sonne, und ihre Augen, groß und dunkel, funkelten in einem kleinen Lächeln. Auch er lächelte, und sie hob ihre Hand, winkte ihm leicht zu, ehe sie ins Café trat, doch dauerte es nicht lange, und er sah sie wieder, sah, wie sie auf ihn zukam, sah, dass sie nicht mehr lächelte. Sie gehe nach Hause, teilte sie ihm mit, als sie vor ihm stehen blieb, und er sah, wie sie seinem Blick auswich, unruhig ihren Kopf bewegte. Was passiert sei, wieso sie nach Hause gehe, fragte er, fragte leise und überrascht, und sie antwortete, sie werde nicht mehr kommen, sei gerade gekündigt worden. Weil sie zu spät gekommen sei? Ja, erwiderte sie und sagte, sie werde ihm das Buch, das er ihr geliehen habe, selbstverständlich zurückgeben, so bald wie möglich werde sie ihm das Buch zurückbringen. Aber nicht hier, hier ins Café wolle sie nicht kommen, zu unangenehm wäre es ihr, fügte sie hinzu und gab ihm ihre Handynummer, verließ den Gastgarten, und er ging ins Café, fragte, warum Ayana gekündigt worden sei.
»Sie ist ja schon in den ersten zwei Wochen zwei Mal zu spät gekommen«, antwortete Roland, sein Kollege, und lächelnd sah er zu seinem Freund, der am nächsten Tisch saß. Ob sie gesagt habe, warum sie zu spät gekommen sei, fragte Arno, und rasch blickte er zu Irmgard, die an der Theke stand und Gläser polierte. Nein, antwortete Irmgard und senkte den Blick, und er wandte sich von ihr ab, sah wieder Roland an. Er habe es geahnt, dass sie nicht lange bleibe, sagte Roland, und sein Freund fragte, wo genau sie herkomme, wie lange sie schon in Österreich lebe. Sie sei Äthiopierin, lebe aber schon lange in Wien, antwortete Roland, und sein Freund sagte, die Afrikaner hätten eine andere Mentalität, eine andere Arbeitsmoral, nie würden die sich hier integrieren. Sie habe doch einen deutschen Nachnamen, sagte Irmgard, und Rolands Freund sah alle an, fragte überrascht, ob sie etwa mit einem Österreicher zusammenlebe, ob sie verheiratet sei. Das wisse keiner hier, antwortete Roland, und Christopher, der Inhaber des Cafés, kam aus dem Büro. Das Gesicht ernst, trat Christopher an Arno heran, und mit unruhiger Stimme fragte er, ob er morgen und übermorgen Zeit hätte, ob er kommen könne. Ja, antwortete Arno, und Christopher sagte, nächste Woche würden sie eine neue Kollegin bekommen, eine erfahrene und nette Kollegin, und da könne er frei haben, könne sich gleich freie Tage nehmen. Danach ging er wieder ins Büro, und Arno drehte sich um, kehrte in den Gastgarten zurück.
Sanft öffnete der Stadtpark sich seinen Augen, und er verlangsamte seine Schritte, den Blick auf Blumen, die, in wohltuende Wärme der Sonne getaucht, ihre Farben zur Schau stellten. Menschen saßen auf den Bänken oder auf dem Rasen, und Vogelgesang drang in ihre Stimmen, Wildenten belebten den kühlen Glanz des Teiches. Er ging zum Donauweibchenbrunnen, und kaum hatte er auf einer Bank Platz genommen, sah er schon Ayana, die auf ihn zukam. Sie lächelte, fing an zu laufen, und als sie sich zu ihm setzte, nahm sie das Buch aus ihrer Handtasche, strich darüber. Es habe ihr sehr gefallen, schon lange habe sie keinen Roman gelesen, der so wunderbar geschrieben und erzählt sei, sagte sie und gab ihm das Buch, blickte zu dem Brunnen. Wie man so etwas tun könne, presste sie zwischen den Lippen hervor, und ihre Augen wanderten über den Brunnen, der hässlich beschmiert war. Man werde die Schmiererei bestimmt entfernen, sagte Arno, und sie wandte sich ihm wieder zu, sah ihn mit festem Blick an.
»Du hast gesagt, dass wir einen Kaffee trinken gehen«, sagte sie, und er öffnete seine Tasche, nahm eine Thermosflasche heraus. Auch die Decke zeigte er ihr, die schöne und weiche Wolldecke, die in seiner Tasche steckte, anschließend führte er sie zu einem Baum, der nah am Teich stand. Er legte die Decke auf den Rasen, und sie stieg aus ihren Schuhen, setzte sich und zog ihr Kleid zurecht, bedeckte wieder ihre Beine, dann fuhr sie mit der Hand über die Decke, fragte, ob sie neu sei. Nein, neu sei sie nicht, er habe sie nur noch nie mit nach draußen genommen, antwortete er und setzte sich, schenkte vorsichtig den Kaffee in zwei Becher. Milch oder Zucker? Beides, antwortete sie, und er griff abermals in die Tasche. Sie kicherte, und er sah, wie sie einen kleinen Buben beobachtete, der auf eine Schar Tauben zulief. Die Tauben flogen auf, ihr heftiges Flügelschlagen versetzte die Luft in Bewegung, und all die Menschen, die am Teich saßen, hoben ihre Köpfe, blickten zum Himmel. Eine junge Frau kam zu dem Buben gelaufen, und aufgeregt fasste sie ihn an der Hand, schimpfte. Ob er als Kind auch manchmal Tauben verscheucht habe? Manchmal schon, ja, das müsse er gestehen, antwortete er, und sie sagte, der Kleine schaue ihm ähnlich. Die blonden Haare, die blauen Augen, setzte sie hinzu, und er fragte, ob sie etwa nie Tauben verscheucht habe, ob sie stets ein braves Mädchen gewesen sei. Sie sei zu Hause dazu angehalten worden, alle Tiere zu lieben, erwiderte sie lediglich, und rasch sah sie zu einem jungen Paar mit Kinderwagen, das ans Ufer des Teiches kam, langsam stehen blieb. Der Mann nahm ein Kind aus dem Kinderwagen, ein kleines und zartes Mädchen, setzte es auf der Erde ab und strich ihm über den Kopf, und die Frau, die rothaarig war wie die Kleine, ließ sich in die Hocke nieder, tauchte ihre Hand in das himmelfarbene Wasser des Teiches. Ob er noch bei seinen Eltern wohne, fragte Ayana unvermittelt, und er verneinte, sagte dann, er habe seine eigene Wohnung. Ob er Geschwister habe, fragte sie weiter, und er schüttelte den Kopf, antwortete halblaut, er habe keine Geschwister.
»Und deine Eltern?«, fragte sie. »Leben sie auch in Wien?«
»Ja, aber ich habe sie schon lange nicht gesehen.«
»Wieso?«
»Weil wir uns nicht verstehen«, antwortete er und sah, wie die Frau sich dem Mädchen zuneigte, wie sie lächelte, ihm etwas ins Ohr wisperte. »Und du? Wohnst du noch zu Hause?«
»Ja, ich wohne bei meiner Mama«, antwortete Ayana, und er sah, wie der Mann vor der Kleinen in die Hocke ging, ihre Hand nahm.
»Und dein Vater?«, fragte Arno rasch.
»Er ist gestorben.«
»Das tut mir leid. Wann ist er denn gestorben?«
»Es ist schon vierzehn Jahre her. Ich war damals erst elf, aber manchmal scheint es mir, als wäre es vor wenigen Monaten passiert.«
»Deine Mutter blieb die ganze Zeit allein?«
»Nein, sie hat mich. Wir sind die besten Freundinnen.«
»Das hört man nicht oft«, sagte er und sah, wie das Paar mit dem Mädchen die Wildenten fütterte, große und kleine Enten, die zu ihnen geschwommen waren. Auch Ayana blickte zu ihnen, und lächelnd wies sie auf eine Möwe, die sich zu den Enten gesellte, zusammen mit ihnen schwamm. Das Füttern habe auch die Aufmerksamkeit der kleinen Fische erweckt, und das wisse die Möwe, sagte Ayana, und er sah, wie das Mädchen die Möwe mit Wasser bespritzte. Ob sie ein Tier zu Hause habe, fragte er, und sie verneinte, sagte, sie wolle kein Tier haben.
»Wieso nicht?«
»Mein Vater hat mir mal eine Katze nach Hause gebracht, die war ganz schwarz und so zart. Wenn ich zu Hause war, war sie permanent bei mir und schlief sogar in meinem Bett. Nachdem mein Vater gestorben war, starb auch sie. Es war an einem heißen Tag, an einem Tag wie heute, ich habe damals bemerkt, dass mit ihr etwas nicht gestimmt hat, aber ich dachte, ihr war nur zu heiß, und dann brach sie zusammen. Als meine Mama von der Arbeit nach Hause kam, haben wir sie in der Nähe unseres Hauses begraben. Ich habe so geweint. Seitdem will ich kein Tier mehr haben.«
»Vielleicht wirst du dir mal wieder ein Tier wünschen«, sagte er, und sie trank ihren Kaffee aus.
»Was ist das für ein Kaffee? Der schmeckt so gut.«
»Kaffee Irish Cream«, antwortete er und schenkte ihr nach. »Ich kenne ein Geschäft, wo es ganz viele Kaffeesorten gibt. Ich zeig' es dir, wenn du mal Zeit und Lust hast.«
»In den nächsten Tagen werde ich bestimmt Zeit haben, ich meine, bis ich einen Job gefunden habe.«
»Es tut mir leid, dass es bei uns im Café nicht geklappt hat.«
»Das ist doch unser Nachbar«, sagte sie und wies auf einen alten Mann, der auf einer Bank saß, offenbar schlief. »Der arme Dieter, der ist schon schwach. Und so einsam.«
»Lebt er schon lange allein?«
»Ich war noch klein, als seine Frau gestorben ist, und seitdem lebt er allein. Er hat eine kleine Buchhandlung gehabt, gleich in der Nähe unseres Hauses. Ich habe immer noch die Kinderbücher, die er mir geschenkt hat. Ich war so gern in seiner Buchhandlung. Auch...
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