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Artikulatoren
15.1 Einleitung
Artikulatoren sind mechanische Geräte, die zusammen mit den darin montierten Kiefermodellen die Lagebeziehung der Kiefer zueinander angeben und der Nachahmung von Unterkieferbewegungen dienen.
Ein Artikulator kann sowohl zur Diagnostik und Planung (z. B. Analyse der statischen und dynamischen Okklusion, Wax-up, Set-up, Simulation von Einschleifmaßnahmen) als auch als Hilfsmittel zu therapeutischen Zwecken (Herstellung von oralen Schienen, Gussfüllungen, prothetischem Zahnersatz, abnehmbaren kieferorthopädischen Geräten) verwendet werden.
Voraussetzung für einen brauchbaren Artikulator ist neben einer guten Stabilität des Gerätes die Möglichkeit einer sicheren Verriegelung der Zentrik, damit eine reproduzierbare Modellposition gewährleistet wird.
Kein Artikulator ist in der Lage, Unterkieferbewegungen in allen funktionellen Phasen vollständig zu imitieren. Aus diesem Grunde stellen Artikulatoren lediglich eine Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse dar. Zudem entstehen beim Registrieren der Kiefergelenkbewegungen geometrische bzw. reziproke Fehler: Je geringer der Abstand zwischen dem Kondylus des Patienten und der entsprechenden Referenz des verwendeten Gesichtsbogens ist und je weniger stark von der "Scharnierachse" des Kondylus (bei reiner Rotation) entfernt eine Registrierung stattfindet, desto geringer kann der Gesamtfehler gehalten werden.
Historische Vorläufer der Artikulatoren sind (Draht-)Okkludatoren. Bei diesen Geräten ist allein eine Scharnierbewegung möglich, weshalb lediglich Öffnungs- und Schließbewegungen um eine feste Achse ausgeführt werden können. Okkludatoren haben in der zahnärztlichen Prothetik keine Indikation. Andere Artikulatorvorläufer erlauben zusätzlich zu einer Öffnung und Schließung nichtlimitierte zahngeführte Exkursionen nach allen Seiten. Obwohl sie zur Herstellung von Einzelkronen verwendet werden können, handelt es sich bei diesen "Gipsmodellhaltern" ebenso wenig wie bei den vorher erwähnten Okkludatoren um Artikulatoren, zumal sie weder eine schädelgerechte Modellmontage noch den menschlichen Kiefergelenken ähnliche Bewegungsabläufe zulassen.
15.2 Einteilung von Artikulatoren
Artikulatoren lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten einteilen (Szentpétery 1999):
- nach dem Prinzip der dominierenden Führungsfläche
- gelenkbezogene Artikulatoren (Gelenkdominanz)
- kaubahn-/gleitbahnbezogene Artikulatoren (kaubahnbezogene Zahndominanz)
- nach dem Vorhandensein einer Gelenkführung
- gelenklose Artikulatoren
- Gelenkartikulatoren
- mit starrer Gelenkführung
- mit freischwingender Achse
- nach der Orientierung zu unterschiedlichen Referenzebenen
- Camper-Ebene
- Frankfurter Horizontale
- Achs-Orbital-Ebene
- Patienten-Horizontale
- nach der Einstellbarkeit (Justierbarkeit)
- nicht einstellbare Artikulatoren (Mittelwertartikulatoren)
- teilweise einstellbare (teiljustierbare) Artikulatoren
- volljustierbare Artikulatoren
- nach der Art der Gelenksimulation bzw. Anordnung der Führungsflächen
- Arcon-Artikulatoren
- Non-Arcon-Artikulatoren
In der Praxis haben sich heute die beiden letztgenannten Einteilungen bewährt.
15.2.1 Einteilung nach der Einstellbarkeit (Justierbarkeit)
15.2.1.1 Nicht-einstellbare Artikulatoren (Mittelwertartikulatoren)
Mittelwertartikulatoren weisen in der Regel ein anteriores (Inzisalstift = Führungsstift) und zwei posteriore Führungselemente (Kondylare) auf, wodurch geführte Exkursionsbewegungen möglich werden.
Bewegungsmöglichkeiten
- Scharnierbewegungen (Öffnen, Schließen)
- Gleitbewegungen = Exkursionsbewegungen über die im Artikulator fest eingebauten Führungsbahnen für die Protrusions- und Lateralbewegungen
Mittelwertartikulatoren sind unter Berücksichtigung statistisch ermittelter fester Durchschnittswerte so konstruiert, dass die am Patienten individuell ermittelten Werte nicht einstellbar sind. Dennoch ist die schädelrichtige Montage der Modelle mit geeigneten Transferbogen unabdingbare Voraussetzung.
Prothetische Indikationen
Zur Erfüllung der Forderung nach geringst möglichem Aufwand im Rahmen einer sozialen Zahnmedizin bei Diagnostik, Schienenherstellung und Zahnersatz mit Front-Eckzahn-Führung.
Beispiele
- Artex® BN, Artex® CN
- Denar® Automark, Denar® Mark 310
- Gerber-Condylator "Simplex"
- Protar®evo2, Protar®evo 3
- Whip Mix Model 100 Articulator
15.2.1.2 Teilweise einstellbare (teiljustierbare) Artikulatoren
Bewegungsmöglichkeiten
- Scharnierbewegungen (Öffnen, Schließen).
- Gleitbewegungen (Protrusions- und Lateralbewegungen)
Charakteristika
- Eine schädelbezügliche oder gelenkbezügliche Modellmontage mittels Gesichtsbogen ist immer Voraussetzung.
- Die sagittale Gelenkbahnneigung ist entsprechend der am Patienten ermittelten Werte einstellbar.
- Die sagittale Gelenkbahn (Kondylarbahn) verläuft gerade (= linear) oder gekrümmt (= nicht-linear: Kurvatur).
- Der Bennett-Winkel bestimmt die Bennett-Bewegung, diese ist in der Regel einstellbar.
- Die anteriore Führung kann mittels austauschbarer oder einstellbarer Frontzahnführungsteller individuell bestimmt werden.
- Ein teilweise einstellbarer Artikulator kann auch dadurch charakterisiert sein, dass er sich starrer Gelenkboxen bedient. Dabei handelt es sich um ausgefräste, vorgeformte Gelenkblöcke (Mulden), in denen mit Hilfe einer Kondylarkugel Pro- und Laterotrusionsbahnen abgefahren werden.
Prothetische Indikationen
Im Rahmen einer anspruchsvollen Zahnmedizin bei Diagnostik, Einschleifübungen, Schienenherstellung und Zahnersatz mit FrontEckzahn oder Gruppenführung.
Beispiele
- Artex® CT, Artex® CP, Artex® CR
- Combitec-Artikulator
- Denar® Anamark plus, Denar® Combi, Denar® Combi II Articulator Denar® D5A, Denar® Mark 320, Denar® Mark 330, Denar® Mark II, Denar® Track II
- Dentatus Articulator ARA
- Protar®evo5, Protar®evo 5B, Protar®evo 7, Protar®evo 9
- SAM 1, SAM 2, SAM 3
15.2.1.3 Volljustierbare Artikulatoren
Bewegungsmöglichkeiten
- Scharnierbewegungen (Öffnen, Schließen)
- Annähernd individuelle Wiedergabe der Unterkiefer-Grenzbewegungen (Protrusion, Laterotrusion) und aller dazwischenliegender Positionen nach einer Registrierung = dreidimensionaler Aufzeichnung am Patienten.
Charakteristika
- Schädelbezügliche Modellmontage mittels Gesichtsbogen ist Voraussetzung.
Abb. 15-1 AXIOGRAPH III. Kolineares Registriergerät zur Diagnostik des Kiefergelenksystems und für den exakten Modelltransfer. Mechanisches Basisgerät für das elektronische Zusatzgerät AXIOTRON® und Ultrasonic AXIOGRAPH®.
- Die sagittale Gelenkbahnneigung (Kurvatur) ist reproduzierbar.
- Die Bennett-Bewegung (einschließlich "immediate side shift" [ISS]) ist reproduzierbar.
Beispiele
- Denar® D5A
- Stuart Articulator
- TMJ Articulator
Zwecks Ermittlung der im Artikulator einzustellenden Werte können verschiedene (zum Teil aufwändige) Registriermethoden angewendet werden. Zu den für diesen Zweck verwendeten Registriergeräten zählen beispielsweise:
- Axiograph (Abb. 15-1)/Axiotron/AxioQuickRecorder (Heinz Mack)
- Gnathoscop (Anthony J. de Pietro)
- Masticator (Roland Weber)
- Panthograph (Charles Stuart)
- Stereognathograph (Rainer Burkhardt)
15.2.2 Einteilung nach der Art der Gelenksimulation bzw. Anordnung der Führungsflächen
15.2.2.1 Artikulatoren vom Arcon-Typ
Diese Artikulatoren sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die als Führungsfläche dienende künstliche Gelenkpfanne am oberen Geräteteil befindet, während die Kondylarkugeln am unteren Geräteteil angeordnet sind (Artikulator-Condylen-gerecht) (Abb. 15-2). Die Kondylarführung findet also, entsprechend den Verhältnissen am natürlichen Schädel, am...