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Eine Lieblingsbeschäftigung in meiner Kindheit bestand darin, Schallplatten meiner Eltern vorsichtig aus dem Regal zu ziehen und die Cover genauestens zu studieren. Das Plattenregal war wie ein überdimensionales Memory-Spiel. Ich setzte immer vier Platten sorgfältig auf dem Boden zu einem großen Quadrat zusammen.
Da war diese eine Platte, die mich bis heute begleitet. Keine andere habe ich so oft gehört wie That Bad Eartha von Eartha Kitt. Oft lege ich sie in durchzechten Nächten zu später Stunde auf. Wenn die Lieder, Gespräche und Körper am Küchentisch schwerer werden.
Schon als Kind war ich fasziniert von Kitts rauchiger, tiefer und doch zerbrechlichen Stimme. Auch wenn ich nichts von dem verstand, was sie sang, hörte ich ihren Geschichten trotzdem gerne zu. »Uskadara is a little town in Turkey. And in the old days, many women had male secretaries. Oh, well, that's Turkeyyyy!«
Als Kitt so alt war wie ich, als ich diese Platte entdeckte, kannte sie weder Schallplatten, Radio, Fernsehen noch Elektrizität. Irgendwann 1927 geboren, irgendwo in South Carolina, wahrscheinlich St. Matthews, wuchs sie in absoluter Armut auf. Ihre Mutter: Baumwollpflückerin, Cherokee und afrikanischer Abstammung. Ihr Vater: weiß, Gerüchten zu Folge Sohn eines Baumwoll-Plantagenbesitzers, den sie jedoch nie kennenlernte. Als ihre Mutter 1933 mit einem Schwarzen Mann zusammenkam, der Eartha ablehnte, schob sie Eartha zu einer Schwarzen Familie als Arbeitskraft ab.
»She gave me away to a family that eventually wound up using me as a work mule and my mother gave me to this family because the man that she wanted to marry said >I don't want that yella girl in my house< which meant that being an illegitimate child and also the wrong color you are not wanted by the blacks and the whites couldn't care less.« (Interview mit Terry Wogan, 1989)
Sie musste nicht nur schuften, sondern wurde zudem geschlagen und von den beiden Teenagerkindern der Familie gefoltert und gequält: Die Geschwister fesselten sie, steckten sie in einen Kartoffelsack, hängten sie an einen Baum und schlugen sie mit einer Pfirsichrute blutig. In einem Interview erzählte Kitt, dass sie dem Gefühl und der Vorstellung, an einen Baum gefesselt zu sein, nie wieder entkommen konnte.
Bevor sie dort vermutlich gestorben wäre, holte ihre Mutter sie doch noch und schickte sie weiter nach Harlem, New York. Zu ihrer Tante, die später behauptet, ihre leibliche Mutter zu sein. Beim ersten Anblick der einen Meter achtzig großen, grazilen, schönen Frau hatte Eartha »Todesangst«. »Auntie Rosa« war unverheiratet, hatte keine Kinder und nahm Eartha wohl aus christlichem Pflichtbewusstsein bei sich auf. Das neue Zuhause war jedoch erneut kein Zufluchtsort. Im Gegenteil: Ihre Tante war sehr streng und misshandelte und demütigte Eartha ebenfalls.
»I was running away from rejection, I was running away from not being accepted«. (Interview mit Terry Wogan, 1989)
In einer Nähfabrik konnte sie sich in Teenagerjahren etwas Geld verdienen, das sie in Klavier- und Gesangsunterricht steckte. Sie wollte eigentlich nie auf die Bühne, aber sie war beeindruckt von der Kraft des Publikums. Das wollte sie: begeistern und vom Applaus (über)leben. »Ich muss das Glück bei mir selbst finden und mit dem wunderbaren Gefühl, das du bekommst, wenn du auf dieser Bühne stehst und das Publikum dir diesen Applaus gibt und sagt: >Eartha, es ist ok. Du bist immer noch hier und wir sind froh, dass du immer noch hier bist.<« (Interview 1956)
Ihre Karriere beginnt mit 16, als sie nach einem Vortanzen bei der Katherine Dunham Company aufgenommen wird. Das war der Auftakt einer langen, von zahlreichen Höhepunkten geprägten Karriere. Broadway-Hauptrollen, Kabarett, Film- und Serienauftritte, etliche Plattenveröffentlichungen.
Eartha Kitt liebte die Aufmerksamkeit. Keine Erwartung war ihr zu viel oder zuwider, solange sie sich respektiert fühlte. Während viele andere Stars es irgendwann leid waren, ihr Publikum mit ihren ewig gleichen Hits, Sätzen oder Witzen zu befriedigen, rollte Eartha Kitt bis zu ihrem letzten Fernsehauftritt im Herbst 2008 ihr markantes, nicht enden wollendes, tiefes, fauchiges »Rrrrr« bei Auftritten und Interviews, als hätte sie es selbst eben erst entdeckt. Sie sang bis zuletzt ihre größten Hits »Uska Dara«, »C'est si bon«, »I Want to Be Evil« oder »Santa Baby«. Nicht, weil sie es nötig hatte oder weil es sonst nichts mehr von ihr gab, sondern weil sie große Freude daran empfand.
Teilweise wirkte sie bei ihren Auftritten wie weggetreten, dann blitzte ein verschmitztes Lächeln zwischen ihrem angestrengten, seriösen Gesichtsausdruck durch. Wir sehen es auch auf That Bad Eartha. Ihre Blicke schweiften während ihrer Performance stets durch den ganzen Raum. Als wolle sie niemanden vergessen, niemanden auslassen und jeden an ihrer Kunst teilhaben lassen. Auf das Image der »Bad Woman« hatte aber ihr Plattenlabel RCA hingearbeitet. Aus heutiger Lesart sicherlich auch einer Exotisierung und dem rassistische Blick einer Plattenfirma geschuldet.
»You're always perceived as a wicked female, aren't you? You've always encouraged that image, I mean do you like that image?« - »No, I'm not. But who's going to believe me.« (Interview mit Terry Wogan, 1989)
Eartha Kitt war als Kitt verführerisch, neckend, ironisch, empört, glamourös und extrovertiert. Als Eartha Mae lebte sie zurückgezogen. Nachdem sie sich nach Auftritten in ihre Umkleidekabine zurückgezogen, abgeschminkt und ihre prachtvollen Kleider ausgezogen hatte, sagte sie: »Jetzt bin ich wieder Eartha Mae.«
Als Kind wurde sie von ihrer Mutter als kleines hässliches Entlein, das niemand wolle, beschimpft. Und alles, was sie suchte, war jemanden zu finden, der sie suchte. Sie hatte wenige ernsthafte Liebesbeziehungen. Auf die Aussage, dass sie ja nur einmal verheiratet war, antwortete sie bestimmt und trocken: »Once was enough. I love people but I am very choosy«.
Wirklich verliebt war sie wohl nur zweimal. Aber wieder musste sie mit Zurückweisung und Rassismus kämpfen. Beide Male verhinderten die Mütter der wohlhabenden Söhne eine Beziehung, da sie keine schwarze Schwiegertochter wollten. Der vermutlich einzige Mann, der Eartha wirkliche, ehrliche Liebe und Zuneigung schenkte, war der Mann, zu dem sie nie eine Liebesbeziehung hatte, der sie, wie Kitt sagt, nie berührte: Orson Welles, der Eartha Kitt als nichts weniger als »die aufregendste Frau der Welt« bezeichnete. Er unterstützte und begleitete Eartha Kitt, seit er sie 1950 als Gretchen/Helena in seinem Faust-Film besetzt hatte. Die beiden verband eine tiefe Freundschaft.
Ihre Haltung zu Männern war klar und eindeutig. Sie wollte jemanden, der sie aufrichtig liebte und als ebenbürtig ansah. Nach ihrer kurzen Ehe mit dem Geschäftsmann Bill McDonald, mit dem sie auch eine Tochter hatte, ist keine ernsthafte Beziehung mehr bekannt.
»That's not for me to decide. That for someone who decides to live with me to decide. Not for me«, erzählt sie in dem Dokumentarfilm All by myself: The Eartha Kitt Story von 1982. In dem berühmtesten Videoausschnitt aus dem Film bricht Kitt in schallendes Gelächter aus, nachdem sie gefragt wird, ob sie bereit wäre, Kompromisse in einer Beziehung einzugehen. »What is compromising? Compromising for what? Compromising for what reason?« Verächtlich schnaubt sie nur »stupid«.
»A man comes into my life and I have to compromise? A relationship is a relationship that has to be earned, not to compromise for!«
Zu Gast bei Alfred Biolek antwortete sie einst ironisch auf die Frage, woher Frauen in ihrem Alter so viel Kraft nehmen: »Von den Männern natürlich! Frauen werden oft als Sexsymbol benutzt, wenn sie jünger sind und erst wenn sie älter werden, bekommen sie dieses Selbstbewusstsein. Besonders wenn die Männer entscheiden, abzuhauen, wenn die Frauen 40 werden.«
Doch Eartha Kitt war nicht nur eine Feministin, sondern auch Aktivistin. Sie engagierte sich früh für Kinder und Jugendliche aus prekären Lebensverhältnissen und gründete die Kittsville Youth Foundation, mit der sie Jugendarbeit in New York und L.A. ermöglichte.
Auf Grund ihres sozialen Engagements für Jugendliche und ihres gesellschaftlichen Ansehens erhielt sie 1968 während Lyndon B. Johnsons Regierungszeit eine Einladung von »Lady Bird« Johnson zu einem Damen-Lunch mit insgesamt etwa 50 Frauen. Als der Vietnamkrieg zur Sprache kam und »Lady Bird« sich über die rebellischen, kriminellen Jugendlichen auf den Straßen echauffierte, stand Kitt auf und erwidert empört: »You are a mother. So what are we gonna do about sending these kids overseas to get shot.« Da war sie wieder. That Bad...
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