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Hannah Arendt wurde am 14. Oktober 1906, einem Sonntag, in Hannover geboren und starb am 4. Dezember 1975, einem Dienstag, in ihrer New Yorker Wohnung am Riverside Drive. In der Geburtsurkunde ist die Geburtszeit mit 21:15 Uhr angegeben. In der Sterbeurkunde findet sich keine genaue Uhrzeit, sondern nur der Vermerk «am späten Abend» und als Todesursache «Tod durch Herzinfarkt». Arendt hatte an jenem Abend den Historiker Salo Wittmayer Baron und seine Frau Jeanette zum Essen eingeladen. Der Abend verlief zunächst ohne Zwischenfälle, aber dann bekam Arendt einen Hustenanfall, sackte in ihrem Sessel zusammen, und ihr Herz setzte aus. Die Barons riefen einen Krankenwagen und benachrichtigten dann sofort Hans Jonas, Arendts Freund aus alten Studienzeiten und Kollegen an der New School for Social Research, wo Arendt seit 1967 eine Professur mit reduzierter Lehrtätigkeit innehatte. Hans Jonas war es auch, der Hannah Arendts Tod ihren engsten Freunden mitteilte und ihren ersten Ehemann Günther Anders (vormals Stern) sowie Martin Heidegger informierte.
Wer war Hannah Arendt? Es gibt ein FBI-Dokument, datiert auf den 11. Juli 1956, das auf die Beschwerde eines Informanten vom 5. April 1956 antwortet und Arendts politische Einstellung zum Gegenstand hat. Es stammt aus der Zeit der sogenannten McCarthy-Ära, in der vermeintliche oder tatsächliche Kommunisten verfolgt wurden und «unamerikanische Umtriebe» aufgespürt werden sollten. Berichtet wird in dem Dokument von einem Mann, dessen Tochter bei Arendt einen Kurs an der University of California, Berkeley, besuchte. Ihm zufolge habe der Kurs dazu geführt, dass die Tochter ihr Denken komplett veränderte («changed her thinking completely»). Es sei Arendt gewesen, die diesen Gesinnungswandel angestoßen und die Tochter dazu angestachelt habe, nach Europa zu gehen, um bei Paul Ricour in Strasbourg Philosophie zu studieren. Das FBI-Dokument enthält auch eine knappe Beschreibung «of the subject» Hannah Arendt: Sie ist eine kleine, runde, gebückt gehende Frau mit Bürstenhaarschnitt, maskuliner Stimme und einem wunderbaren Verstand, die als eine sehr überzeugte, dominante, enthusiastische und eloquente Rednerin gilt.[1]
Arendt war zu dem Zeitpunkt, als dieses FBI-Dokument angelegt wurde, 50 Jahre alt, lebte seit fünfzehn Jahren in den USA, hatte fünf Jahre zuvor, 1951, die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten und im selben Jahr The Origins of Totalitarianism veröffentlicht. Diese achthundert Seiten umfassende Studie zu Wesen, Struktur und Genese totaler Herrschaft begründete Arendts internationale Berühmtheit. Der Totalitarismus, wie er für Arendt als völlig neue Herrschaftsform in Gestalt des Nationalsozialismus und des Stalinismus auftrat, war auch Gegenstand der Vorlesung «History of Political Theory», die Arendt im Sommer 1955 in Berkeley hielt. Es ist nicht ohne Komik, dass der um die Geisteshaltung seiner Tochter besorgte Vater bemerkte, er könne zwar nach allem, was er wisse, nicht sagen, dass Hannah Arendt eine Kommunistin sei, aber sie sei durchaus sehr gefährlich und habe eine totalitäre Philosophie in ihrem politischen Kurs verteidigt. Das FBI-Dokument endet mit der Bemerkung, das Schreiben des Informanten (der Name ist geschwärzt) rechtfertige keine aktiven Maßnahmen.
Hannah Arendt verteidigte keine totalitäre Philosophie - und sie war auch keine kleine Frau. Arendt war 1,65 bis 1,67 Meter groß. Seit ihrer Zeit in Paris, wohin die Jüdin 1933 aus Nazi-Deutschland geflohen war, trug sie die Haare eher kurz, wie viele ihrer Passfotos zeigen und auch auf jenen Bildern zu sehen ist, die der Fotograf Fred Stein zwischen 1944 und 1966 von ihr und ihrem zweiten Ehemann, Heinrich Blücher anfertigte. Arendt hatte in der Tat eine tiefe Stimme mit einer eher harten Aussprache, und zwar sowohl im Deutschen, ihrer Muttersprache, als auch im Englischen, das sie seit ihrer Immigration in die Vereinigten Staaten 1941 so rasch lernte, dass sie bereits ab Mitte der 1940er Jahre auf Englisch publizierte. Die tiefe Stimme und die Vehemenz, mit der Arendt über Politik und das Politische sprach, lässt sich etwa in ihren Rundfunkbeiträgen für den WDR und den Bayrischen Rundfunk nachempfinden, aber auch in dem berühmten Interview, das der Journalist Günter Gaus 1964, ein Jahr nach der Veröffentlichung von Eichmann in Jerusalem, mit ihr führte.
Zum Zeitpunkt dieses Fernsehgesprächs mit Günter Gaus war Hannah Arendt 58 Jahre alt. Aus der extravagant gekleideten jungen Frau, die ihre Studienfreunde in Marburg, Heidelberg und Freiburg so bewunderten, weil sie klug und schön war, und in die sich zehn Jahre später in Paris Heinrich Blücher verliebte, war eine ältere Dame geworden, die nach wie vor gerne Röcke und Kleider trug, weil sie ihre Beine mochte. Neben ihrem Ehering, den Arendt an der linken Hand trug, besaß sie eine goldene Brosche mit Brillanten und Perlmutt in Form eines Blumensterns und ein vergoldetes Collier, das ihr Karl Jaspers anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises der Hansestadt Hamburg 1959 geschenkt hatte. Beides trug Arendt - neben dem Ehering - auch in dem Fernsehinterview mit Günter Gaus, in dem sie sich dagegen verwahrte, von ihrem Gesprächspartner als politische Philosophin bezeichnet zu werden. Sie sei eine politische Theoretikerin.
Als politische Theoretikerin suchte Arendt die Öffentlichkeit. Medienanfragen gab es viele. Zeitschriftenartikel und Rundfunkbeiträge mochte sie sehr gern, dem Fernsehen gegenüber war Arendt hingegen eher zurückhaltend. Sie hielt häufig öffentliche Vorlesungen an renommierten Universitäten und war eine gefragte Gastrednerin auf internationalen Konferenzen. Überhaupt war Arendt selbst nach heutigen Maßstäben ungewöhnlich viel unterwegs. Sie fuhr zu Vorträgen quer durch die Vereinigten Staaten - immer von New York aus, wo sie seit ihrer Ankunft in der neuen Welt lebte, erst in einem möblierten Zimmer in der 95. Straße, anschließend am Morningside Drive 130 und dann in der geräumigen Wohnung am Riverside Drive 370, die Arendt später, 1973, als Geld ins Haus kam, kaufte. Sehr häufig reiste sie auch nach Europa. Arendt plante diese mehrere Monate dauernden Europareisen, die sie zumeist ohne ihren Ehemann Heinrich Blücher unternahm, vorab minutiös, wie ihr Denktagebuch festhält, das sie ab 1950 führte. Oft verknüpfte sie diese Dienstreisen geschickt mit privaten Urlauben in Griechenland, Italien und der Schweiz und mit Besuchen bei Freunden, so etwa bei Karl Jaspers, bei dem sie eigentlich immer, wenn sie in Europa war, für mehrere Tage an seinem späteren Wohn- und Lebensort Basel weilte. Auch Martin Heidegger, ihren philosophischen Lehrer und Ex-Geliebten, der wegen seiner antisemitischen Einlassungen und nationalsozialistischen Avancen zur persona non grata geworden war, traf sie regelmäßig. Mit ihm unterhielt sie seit 1925 bis zu ihrem Tod einen intensiven Briefwechsel - unterbrochen von einer vielsagenden «Pause» zwischen 1933 und 1950.
Die lebenslange Beziehung zu Martin Heidegger und Arendts offensives Eingeständnis, sie habe ihr «rebellisches» Denken von diesem gelernt, riefen viele Irritationen hervor - auch bei Freunden. So konnte der Politikwissenschaftler Dolf Sternberger es nicht verstehen, warum Arendt dem «Antisemiten» und «Nazi» weiterhin die Treue hielt. Arendt verurteilte den politischen «Irrtum» Martin Heideggers. Aber seine leidenschaftliche Radikalität, mit der er die Grundlagen des abendländischen Denkens in Frage stellte, um aus dem «Gefängnis» der Tradition auszubrechen, wurde ihr zum Vorbild für das eigene Projekt: das Politische nach dem Totalitarismus ganz neu denken.
Doch zurück zum Anfang, wo das, was im Rückblick als ein Jahrhundertleben gelten kann, ...
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