Eigenthümlich berühren den Besucher des Gartens die Casuarineen, die in großen Exemplaren gleich unterhalb der Eingangstreppe stehen. Die graugrünen feinen Zweige dieser Bäume hängen wie die Federn eines Casuarschweifes herab und verschafften dem Gewächs auch seinen Namen. Die Zweige sind blattlos; die Ernährung des Baumes, die sonst von den Blättern besorgt zu werden pflegt, fällt hier somit den Zweigen zu. [pg 034] Diese sind demgemäß auch grün gefärbt, d.h. sie führen jenen Farbstoff, das Chlorophyll, dessen Anwesenheit für die Bereitung von Nahrungsstoff durch die Pflanze nothwendig ist. Die Casuarineen bilden in Australien ausgedehnte Wälder von sehr eigenem Aussehen. Wie so viele andere australische Bäume vermögen sie dem Boden nur spärlichen Schatten zu spenden. Die Blüthen dieser Gewächse sind so klein und unansehnlich, daß nur das kundige Auge sie an den Zweigen zu erkennen vermag. Das Holz der Casuarineen zeichnet sich durch seine Härte und seine Schwere aus und hat daher den Eingeborenen zur Anfertigung von Streitkolben gedient.
Ein australischer Baum, der in den letzten Decennien ungemein rasche Verbreitung über die Riviera gefunden hat und den der Garten von La Mortola in nicht weniger als vierundzwanzig Arten besitzt, ist der Eucalyptus. Jeder, der Italien einmal besuchte, kennt die Eucalypten, wenn auch wohl nur die eine, überall vertretene Art derselben, den Eucalyptus globulus. Auch dieser australische Baum gibt im Verhältniß nur wenig Schatten; seine Blätter sind zwar von ansehnlicher Größe, sie hängen aber an langen Stielen von den Zweigen senkrecht herab und können daher selbst bei dichter Belaubung den Sonnenstrahlen nicht allen Durchgang verwehren. Da auch der leiseste Windhauch diese Blätter in Bewegung setzt, so herrscht unter den Eucalyptusbäumen ein eigenes zitterndes Zwielicht, das allerdings erst in Eucalyptus-Wäldern voll empfunden wird. Die Eucalypten gehören zu den Riesen der Pflanzenwelt, zu denjenigen Bäumen, welche überhaupt die bedeutendste Größe erreichen. In Australien sind Stämme von Eucalyptus amygdalina gemessen worden, deren Höhe 156 Meter betrug und somit genau derjenigen der Thürme des Kölner Doms entsprach, die Pyramide des Cheops aber um fünf Meter, die Peterskirche in Rom sogar um mehr als zwanzig Meter überstieg. Die Eucalypten wachsen auch an der Riviera äußerst rasch und ragen schon über ihre Umgebung weit empor, ungeachtet ihre Anpflanzung [pg 035] hauptsächlich erst Ende der sechziger Jahre erfolgte. Im Garten von La Mortola erreichte ein Eucalyptus globulus in sieben Jahren neunzehn Meter Höhe und fast anderthalb Meter im Umfang. Kein in Europa sonst bekannter Baum vermag Ähnliches zu leisten. Trotz so raschen Wachsthums zeichnet sich das Eucalyptusholz durch große Härte aus. An vielen Orten hat man Eucalypten angepflanzt, weil man der Ausdünstung derselben besondere heilsame Kräfte zuschrieb. Thatsächlich kommt aber den äußerst geringen Mengen von ätherischen Ölen, die sich um die Eucalypten verbreiten, kaum eine merklich desinficirende Wirkung zu. Dadurch hingegen, daß die Eucalypten rasch auf sumpfigem Boden wachsen und als immergrüne Pflanzen Sommer und Winter Wasser aus ihren Blättern verdunsten, tragen sie zu dessen Trockenlegung bei. Die Hoffnung, daß die Extracte aus Blättern und Rinde der Eucalypten das Chinin ersetzen würden, war gleichfalls übertrieben. Kommt auch diesen Extracten eine gewisse febrifuge Wirkung zu und sind dieselben auch seit undenklichen Zeiten von den Eingeborenen Australiens gegen Malaria verwandt worden, so stehen sie doch dem Chinin ganz bedeutend nach. Im April sieht man die älteren Eucalyptusstämme an der Riviera sich mit großen weißen Blüthen bedecken, welche durch ihre äußerst zahlreichen, feinen und langen Staubgefäße auffallen. Der Kundige erkennt an diesen Blüthen, daß der Baum zu den myrtenartigen Gewächsen gehört. Eine Eigenthümlichkeit der Eucalypten ist es, daß deren Blüthenknospen sich mit einem runden Deckel öffnen, der als grüne, weißbereifte Mütze abgeworfen wird. Diese Deckel sieht man im Frühjahr in großen Mengen unter den Eucalyptusbäumen liegen; sie verbreiten, wenn man sie zertritt, einen sehr durchdringenden Geruch. Neuerdings hat sich die Industrie auch dieser Gebilde bemächtigt, und in Bordighera sah ich Kreuze und Rosenkränze, die aus trockenen, aufgefädelten Eucalyptusblüthen-Deckeln hergestellt waren.
Ganz junge Eucalyptusbäume, wie man sie auch bei uns, [pg 036] innerhalb der Gewächshäuser, sehen kann, zeigen zunächst ein von den älteren Bäumen durchaus verschiedenes Aussehen. Kaum glaubt man dieselben Pflanzen vor Augen zu haben. Die Blätter sind breit, stumpf, stengelumfassend, wagerecht gestellt, und erst an älteren Zweigen treten an deren Stelle die schmalen, zugespitzten, langgestielten Blätter auf, die senkrecht abwärts hängen. Damit verändert sich auch ihr innerer Bau. Zuvor zeigten sie verschiedene Structur auf ihren beiden Seiten, jetzt sind beide Seiten gleich. Beide Blattflächen werden ja an den hängenden Blättern in gleicher Weise von Lichtstrahlen getroffen. Sie brauchen aber gleichen Bau, um gleiche Arbeit zu verrichten. Aehnliche Einrichtungen treten uns bei vielen anderen Gewächsen Neuhollands entgegen und bestimmen geradezu den Charakter der dortigen Vegetation.
Der in Italien hauptsächlich cultivirte Eucalyptus globulus ist nicht der widerstandfähigste Vertreter seiner Gattung, wie er denn auch im strengen Winter 1890-91 an exponirten Stellen der Riviera gelitten hatte. Manche Arten trotzen besser der Kälte, und der Eucalyptus Gunnii gedeiht selbst in Whittingham bei Edinburgh.
Der hohen Schutzmauer der Seealpen, welche die kalten Nordwinde abhält, verdankt die Riviera di Ponente ihr mildes Klima. Diese Schutzmauer bedingt es auch, daß dort die Cultur der Agrumi erfolgreich betrieben werden kann. An zahlreichen Stellen der Küste, zwischen Nizza und Savona, gedeihen die Agrumi ebenso gut wie bei Neapel, während der Reisende das Innere von Ober- und Mittelitalien durchwandern kann, ohne sie zu erblicken. Unter der Bezeichnung »Agrumi« werden die Vertreter der Gattung Citrus zusammengefaßt. Das Verzeichniß von La Mortola weist über zwanzig Arten oder Formen dieser Gattung auf. Man findet dort fast alle in Italien cultivirten Agrumi in engem Raum beisammen. Diese Pflanzen scheinen so fest mit dem italienischen Boden verwachsen zu sein, daß italienische Bilder stets der Phantasie des Nordländers vom Blüthenduft [pg 037] der Citrone durchweht und vom Glanze der Goldorange durchleuchtet erscheinen. Am meisten hat diese Vorstellung wohl das Mignonlied verbreitet, jenes Lied, das der Sehnsucht des Nordländers nach südlicheren Gestaden so unendlichen Ausdruck verlieh. So sehr die Agrumi aber auch in die italienische Landschaft zu gehören scheinen, so sind sie doch erst verhältnißmäßig spät in dieselbe gelangt und nur auf ganz bestimmte Theile von Italien beschränkt geblieben. Ihre Heimath liegt im fernen Asien, in Ostindien und Südchina; über den Orient schlugen sie aber zunächst ihren Weg nach Europa ein. Wie aus dem alten »Traité du Citrus« von Gallesio, dem Werke Victor Hehn's über »Culturpflanzen und Hausthiere«, Alphonse de Candolle's »Ursprung der Culturpflanzen«, endlich Flückiger's »Pharmacognosie« - von älteren Quellenwerken abgesehen - zu erfahren ist, war dasjenige, was im Alterthum zunächst »Citrum« hieß, das Holz von Callitris quadrivalvis. Auch diese nordafrikanische Conifere ist in dem Hanbury'schen Garten in vortrefflicher Entwickelung zu sehen. Ihr Holz liefert das Sandarac, ein Harz, das in erstarrten, weißen Thränen die Stammrinde deckt und aus der Wunde heraustropft, wenn ein Zweig abgeschnitten wird. Das schön gemaserte, wohlriechende Holz dieses Baumes stand bei den Römern in hohem Ansehen und diente im Besonderen zur Anfertigung von Kisten, welche wollene Kleider vor Motten schützen sollten. Als dann die Citrone den Römern bekannt wurde, und es sich zeigte, daß sie in ähnlich wirksamer Weise die Motten abhält, wurde der Name Citrum auf dieselbe übertragen. Von dem Gewächse, welches diese »mala citria« erzeugt, drang die erste Kunde nach Griechenland während der Kriegszüge Alexanders des Großen. Letztere waren es, welche den Orient und die Tropen der griechischen Cultur erschlossen. Sie brachten den classischen Ländern eine solche Fülle neuer Naturanschauungen, wie dies zum zweiten Mal in gleichem Maße nur durch die Entdeckung des tropischen Amerika wieder geschah. Ueber den Citronenbaum wurde berichtet, daß er ein wunderbares [pg 038] Gewächs der persischen und medischen Lande sei, und voll goldener Früchte hänge. Diese sollten nicht nur gegen Motten schützen, sondern auch als Gegengifte äußerst wirksam sein. Ja, es bildete sich, wie man in einem Werke des Athenaeos, eines Gelehrten, der zu Naukratis in Ägypten geboren wurde und um228 n.Chr. starb, lesen kann, der Aberglaube, daß, wer von diesen Früchten gekostet habe, den Biß giftiger Schlangen nicht zu fürchten brauche. Jenes durch seine Citate sehr werthvolle und merkwürdige Werk des Athenaeos schildert ein fingirtes Gastmahl, welches von einem römischen Schlemmer und Schöngeist, Künstlern, Dichtern und Gelehrten geboten wird, und bei welchem an die dargereichten Speisen und Getränke sich entsprechende Unterhaltungen knüpfen. Da erzählt ein gewisser Demokritos, sein Freund, der Statthalter von Ägypten, habe ihm mitgetheilt, daß zwei Verbrecher, die zum Tode durch giftige Schlangen verurtheilt waren, dem Biß derselben nicht erlagen, weil sie von einer Citrone zuvor aßen. Der Statthalter habe...