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Winston Churchill, Arthur Conan Doyle, H.G. Wells, diverse Lord Grosvenors und sogar die Duchess of Cornwall - Peter Barrington befand sich als langjähriges Mitglied des Reform Club in prominenter Gesellschaft. Zu dieser zählte auch Douglas McEwan. Der Kunsthistoriker hatte 1998 seinen Posten als Chancellor der Universität von Edinburgh gegen den Direktorensessel beim Royal Collection Trust getauscht.
Warum der langjährige Chef-Kurator der königlichen Kunstsammlung den so dringend einbestellten Besuch nicht an seinem Dienstsitz im St James's Palace empfangen wollte, sondern die Diskretion des Clubs vorzog, hatte schon vorher Raum für Spekulationen gelassen. Umso mehr, da McEwan zuvor über die genauen Hintergründe seines Problems geschwiegen hatte. In Windsor Castle ist ein Gemälde von der Wand gefallen, mehr weiß ich auch noch nicht,hatte ein wortkarger Peter Barrington nach seinem Telefonat mit McEwan zu berichten gewusst. Eine Bestätigung des kurzfristigen Termins sei jedoch alternativlos gewesen und Lombergs Teilnahme ausdrücklich erwünscht.
»Auf die Minute pünktlich.« Der Gastgeber deutete mit dem Zeigefinger auf die Wanduhr im holzgetäfelten Foyer und grinste.
»Pünktlichkeit ist die Seele des Geschäfts! Wie schön, dich zu sehen, mein lieber Douglas.« Peter schien gleich zu Hochform aufzulaufen. Was durchaus angebracht war, schließlich galt der Termin seinem größten Kunden. Dank Barringtons gutem Draht zu seinem Clubkollegen McEwan hatte sich der Kunstversicherer Walcott Plc. über die Jahre das Mandat für rund die Hälfte der vom Royal Collection Trust behüteten Kunstschätze sichern können. Dass Peter den CEO-Posten bei Walcott schon bald aufgeben würde, war immer noch nicht offiziell verkündet worden und durfte darum vorläufig mit keiner Silbe erwähnt werden.
»Danke, dass es die Gentlemen so kurzfristig einrichten konnten.«
»Darf ich vorstellen, Douglas, Dr. Lennard Lomberg aus Bonn. Wenn ich nur einem Menschen mein Vertrauen schenken dürfte, wäre das meine Sekretärin Patricia, aber mein Freund Lenn käme gleich danach.«
»Wie reizend«, gab Lomberg erst an Peter zurück, um sodann McEwan mit heiterer Miene zu bedeuten, dass er mit dem speziellen Humor seines Kompagnons umzugehen wusste.
»Willkommen im Reform Club, Mr Lomberg. Ist das Ihr erster Besuch in unserem bescheidenen Heim?«
»Danke, Sir Douglas. Bisher hat es nur für die Library gereicht, aber in der Hansard Bar ist es meine Premiere. Ein wunderbarer Ort.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber hatten wir nicht schon mal das Vergnügen?«
»Hatten wir. Aber nur sehr flüchtig. 2011, die Gerhard-Richter-Werkschau in der Tate Gallery.«
»Ja, wo Sie es sagen, jetzt erinnere ich mich.«
»Wir sind über die Richter-Porträts der Queen ins Gespräch gekommen«, half ihm Lomberg auf die Sprünge.
»Stimmt. Ich habe Ihnen vermutlich schon damals gesagt, dass ich mit Richter nie viel anfangen konnte, was sich, nebenbei bemerkt, seitdem auch nicht geändert hat.«
»Daran kann ich mich nicht wirklich erinnern«, log Lomberg. »Wohl aber, dass wir von Richter auf Warhol und seine Queen-Porträts von 1982 kamen. Bekanntlich befinden sich ja zwei Originaldrucke im Besitz der königlichen Sammlung. Und wie es heißt, schätzt Ihre Majestät diese sehr.«
»Das ist eigentlich schon eine gute Überleitung, Mr Lomberg. Aber setzen wir uns doch erst mal.« McEwan deutete auf einen Platz in der hintersten Ecke der Hansard Bar, an dem sich bereits ein Kellner älteren Semesters in Stellung gebracht hatte.
»Guten Tag, Sir Peter, wie schön, Sie wieder bei uns begrüßen zu dürfen.«
»Danke, Trevor. Ganz meinerseits. Es hieß, es gab jüngst ein kleines Problem. Nierensteine? Habe ich mir das richtig gemerkt?«
»Kleines Problem wäre maßlos übertrieben, Sir. Es war lediglich die Gallenblase. Ein mithin verzichtbares Organ, wie ich nunmehr betonen kann. Das Übliche?«
»Da bin ich beruhigt. Und ja, einen doppelten Islay, bitte. Ein Teil Soda. Es ist ja erst elf.«
»Sir Douglas?«
»Ich schließe mich an.«
»Der Gentleman?«
»Ich hätte gerne eine Tasse Tee.«
»Ich könnte Ihnen einen Earl Grey bringen.«
»Gerne.«
»Egg mayonnaise, mustard cress. Roast beef, horseradish. Smoked Ham piccalilli. Dazu mixed leaves, crisps und coleslaw.« Chefkellner Trevor deutete bei seinen Ausführungen auf die silberne Etagere mit den vorbereiteten Sandwiches und zog sich dann mit einem angedeuteten Diener lautlos zurück.
»Wir könnten dann zur Sache kommen.« McEwan ließ seine Worte einen Moment stehen und versicherte sich der Aufmerksamkeit seiner Besucher mit einem prüfenden Blick. Dann griff er in die Innentasche seines Tweedsakkos, zog eine Fotografie hervor und legte sie auf den Glastisch. Für die beiden Besucher nun unschwer zu erraten, handelte es sich bei dem darauf abgebildeten Aquarellgemälde um den Grund ihrer Zusammenkunft.
»Sagt Ihnen das etwas, Gentlemen?« McEwan hatte gezielt Lomberg adressiert. Und auch Peter sah ihn nun mit erwartungsvoller Miene an.
»Herr Doktor?«
»Johann Hermann Kretzschmer.« Lomberg wandte sich zu McEwan, erntete ein Nicken und nahm den Faden gleich wieder auf. »Queen Victoria und Friedrich Wilhelm IV., Sommer 1845. Victoria und Prince Albert hatten das Rheintal bereist und Station in Brühl gemacht. Schloss Augustusburg.«
»Respekt, Mr Lomberg. Darf ich annehmen, dass Sie uns sogar noch mehr über das Werk sagen können?«
»Das Gemälde war meines Wissens seitdem, also seit 1845, Teil der königlichen Sammlung .«
»Das ist korrekt.«
»Aber dann kam es auf Abwege .«
»Ich höre.«
»Wo sich das Gemälde zu Lebzeiten von Queen Victoria befand, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann jedoch mit Gewissheit sagen, dass es spätestens ab Mitte der 1920er zum Hausstand des Prince of Wales auf Fort Belvedere zählte, das belegen Fotografien aus jener Zeit. Dort blieb es auch während seiner kurzen Regentschaft als Edward VIII., also im Jahr 1936. Nach seiner Abdankung nahm es Edward mit in sein Pariser Exil. Das Bild hing ab da in der königlichen Residenz am Boulevard Suchet - und zwar bis ins Jahr 1940. Was danach mit dem Bild geschehen ist, liegt im Dunkeln.«
»Die Nazis haben es sich unter den Nagel gerissen«, warf McEwan ein.
»So die einhellige Meinung der Experten«, bestätigte Lomberg. »Aber man weiß nicht, wann und wie. Und genauso wenig, in wessen Händen sich das Werk nach dem Krieg befand. Im Frühjahr 1965 jedoch taucht es überraschend wieder auf und wird pünktlich zum Staatsbesuch von Queen Elizabeth an die Krone zurückgegeben. Als sogenanntes Gastgeschenk.«
»Ich bin wirklich beeindruckt, Mr Lomberg, was nicht sehr häufig vorkommt.«
»Es ist purer Zufall, dass ich mit der Geschichte des Gemäldes einigermaßen vertraut bin.«
»Eine Erklärung wird es dafür aber dennoch geben, würde ich meinen?«
»Im Rahmen meiner Doktorarbeit bin ich unter anderem auf Victoria 1845 gestoßen. Das ist aber schon ein paar Jahre her.«
»In welchem Zusammenhang, wenn ich fragen darf?«
»Im Zusammenhang mit der fragwürdigen Restitutions-Politik im Nachkriegsdeutschland. Victoria 1845 ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Rückführung von requirierten Kunstwerken damals bevorzugt auf dem kurzen Dienstweg organisiert wurde. Um möglichst keine Präzedenzfälle zu schaffen, auf die sich andere Anspruchssteller hätten berufen können.«
McEwan nickte Lomberg abermals anerkennend zu. »Ich hatte nicht erwartet, dass Peter so viel Expertise dabeihaben würde. Das weiß ich sehr zu schätzen. Aber warum dann so zaghaft?«
»Wie meinen Sie das, Sir Douglas?«
»Sie sagten eben, es läge im Dunkel, wann und wie das Gemälde aus der Residenz des Duke verschwinden konnte. Aber liegt das nicht auf der Hand?«
Lomberg zögerte. In der Tat hatte er dafür eine schlüssige Erklärung. Und die war McEwan sicher bekannt. Scheinbar aber wollte er sie aus dem Mund eines Deutschen hören. »Der Einmarsch der Wehrmacht erfolgte im Juni 1940. Edward hatte Paris da bereits verlassen. Seine Residenz stand fortan unter Bewachung der SS. Es wird ein Leichtes gewesen sein, das Gemälde dort sicherzustellen. Im Zweifel gelangte das Bild unter die Kontrolle des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg. Vieles spricht also dafür, dass sich der Raub gleich zu Beginn der Besatzung zugetragen hat, und dass Victoria 1845 in der Folge nach Deutschland gebracht wurde. Der weitere Fortgang, ich meine die Restitution des Jahres 1965, lässt vermuten, dass sich das Gemälde auch nach dem Krieg dort befunden hat. Wahrscheinlich in unrechtmäßigem Privatbesitz, womöglich aber auch im Depot eines Museums.«
McEwan lächelte zufrieden. »Das ist doch eine sehr plausible Theorie, würde ich meinen?«
»Plausibel allemal. Aber es ist eben nur eine Theorie«, entgegnete Lomberg kühl und sah hinüber zu Peter, der den...
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