Schweitzer Fachinformationen
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Was ist »herausforderndes Verhalten«? Wer fordert hier eigentlich wen heraus? Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Die Bewohner*innen sitzen im Wohnbereich, eine Pflegende betritt den Raum und berührt eine Bewohnerin von hinten an der Schulter. »Hallo Schätzchen«, sagt die Pflegende, nimmt ein Glas mit Wasser und führt es der Bewohnerin an die Lippen: »Nun trink mal schön.« Die Bewohnerin, demenziell erkrankt, erschreckt sich, schlägt nach hinten und wehrt das Getränk ab. Die Pflegende dokumentiert: »Bewohnerin ist herausfordernd und verweigert das Trinken.«
Wie sehen Sie die Situation? Wer hat wen herausgefordert?
Anmerkung: Die Bewohnerin wurde einfach geduzt, grundsätzlich werden Bewohner gesiezt! Es kann fachlich erforderlich sein zu duzten, dann muss es dokumentiert sein.
Die Gründe für ein herausforderndes Verhalten sind vielfältig:
Körperliche Faktoren
- Schmerzen, Schlafstörungen
- Hunger, Durst, Harndrang
- BZ-Entgleisungen, Medikamente
- Kaffee, Alkohol - Entzugssymptome
- Infektionen
- usw.
Psychosoziale Faktoren
- Unzufriedenheit, Verbitterung
- Unterforderung, Überforderung
- Infantilisieren
- Fehlende Wertschätzung
- Häufiger Wechsel der Bezugsperson
Neurologische-psychiatrische Faktoren
- Persönlichkeitsveränderungen
- Krankheitsbilder
Milieufaktoren
- Lärm, räumliche Enge
- Lichtmangel, Ortswechsel
In Fortbildungen werden bei den Fallbesprechungen oft die oben aufgeführten Themen besprochen. Doch es gibt noch eine weitere Herausforderung, die leider oft übersehen wird: Menschen, gerade mit einer demenziellen Erkrankung, ziehen sich zunehmend zurück. Ihr Blick geht ins Leere, sie verstummen. Sie sitzen oder liegen tagein/tagaus im Stuhl oder Bett. 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr. Diese Menschen werden bei den Fallbesprechungen viel zu wenig betrachtet. Sie sind still, leise und stören nicht, dabei brauchen diese Menschen die Pflege- und Betreuungskräfte so sehr!
Ein weiteres Tabuthema sind sexuelle Übergriffe. Übergriffe der Bewohner*innen aufs Personal, auf andere Bewohner*innen; Übergriffe von Angehörigen auf Bewohner*innen, aber auch Übergriffe des Personals auf Bewohner*innen.
Übung
Was fordert Sie heraus?
Überlegen Sie kurz, welche herausfordernde Situationen Sie kennen und notieren Sie Ihre Erlebnisse. Dazu könnten gehören:
erhöhter Bewegungsdrang,
lautes Rufen, Schlagen,
Wahn, Halluzinationen,
Pflegeverweigerung,
Nahrungsverweigerung,
körperliche Abwehr,
nächtliche Unruhe,
Ängste,
depressive Verstimmung,
usw.
Die Fallbesprechungen im nächsten Kapitel werden sich mit all diesen Themen beschäftigen. Zu jedem Fall gibt es verschiedene Sichtweisen. Mein Wunsch ist, dass Sie versuchen, eine konkrete Situation/Herausforderung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen. Wechseln Sie Ihre Sichtweisen ( Abb. 5).
Abb. 5: Veränderte Sichtweisen - Kommunikation und Wahrnehmung.
Wenn Sie Fallbesprechungen durchführen, sollten Sie daher immer erst auf die in der Situation gezeigten Emotionen und Bedürfnisse achten. Sie geben Ihnen wichtige Hinweise und Sie können danach die Weichen hoffentlich anders stellen. Überlegen Sie sich Maßnahmen und achten Sie auch darauf, dass sie auch durchgeführt werden. Geben Sie den Menschen die Gelegenheit, Veränderung wahrzunehmen und zuzulassen. Dazu brauchen Sie das u. a. Wissen zu den sieben Basisemotionen, deren Auslöser und die übergeordneten Bedürfnisse.
Emotionen sind wichtig, sie müssen erkannt und gelebt werden. Menschen der älteren Generation durften ihre Gefühle oft nicht zeigen, sie mussten einfach »funktionieren«. Bereits Naomi Feil8 wies darauf hin, dass eingesperrte Gefühle verarbeitet werden müssen.
Emotionen werden in der Mimik einer Person sichtbar. Ausnahmen gibt es sicherlich, wenn ein Pflegebedürftiger Botox-Behandlungen im Stirnbereich hinter sich hat oder an der Parkinson-Krankheit erkrankt ist.
Generell gilt: Jede Emotion hat eine Berechtigung, sonst würde sie nicht kommen. Wichtig ist der Umgang damit.
Im Folgenden sehen Sie Abbildungen und Beschreibungen der sieben Basisemotionen nach Paul Ekman9. Er entwickelte mit seinem Team nach jahrelanger Forschungsarbeit das Facial Action Coding System (FACS). Es ist ein Atlas der menschlichen Mimik und stellt das führende Codierungssystem dar, wenn es darum geht, Gesichtsausdrücke zu erfassen und zu beschrieben. Ekmans Grundannahme: Jeder Mensch hat eine sog. Baseline, d. h. der Mensch sieht so aus, wie er aussieht. Davon abweichend können Sie die folgenden Emotionen, die sieben Basisemotionen, recht schnell erkennen.
Abb. 6: Überraschung.
Abb. 7: Angst.
Überraschung
Die Überraschung hat eine Sonderstellung. Sie ist die einzige Emotion, die wirklich nur für einen Bruchteil einer Sekunde (40-300 Millisekunden) echt sein kann. Denn dann weiß man etwas, das man vorher nicht wusste und die nächste Emotion ist entscheidend. Nach Überraschung kann Freude kommen. Diese würde dann als angenehme Überraschung interpretiert. In Wirklichkeit sind es jedoch zwei folgende Emotion.
Angst
Abb. 8: Ärger.
Abb. 9: Ekel.
Ärger
Ekel
Abb. 10: Trauer.
Abb. 11: Verachtung.
Trauer
Verachtung
Freude
Abb. 12: Freude.
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