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Mr. und Mrs. Hemingway in aufgeräumter Stimmung. Miami International Airport, am 15. April 1956.
Der Nobelpreisträger lächelt. Selten genug. Sanft umfasst die kräftige Hand des Autors Marys zierlichen Oberarm. Seine Ehefrau schaut liebevoll auf zu ihm, während sie seine Krawatte zurechtzupft. Ernest trägt nur ab und an einen Schlips, höchstens bei offiziellen Anlässen oder auf wichtigen Reisen. Der Schriftsteller hat seine blaue Krawatte mal wieder viel zu kurz gebunden, trostlos baumelt das gute Stück vor seinem karierten Tweed-Jackett. Auch Mrs. Hemingway kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das Ehepaar wirkt wie aufgekratzt, denn die beiden zieht es von Neuem hinaus in die Ferne.
An diesem Sonntagabend legen der amerikanische Autor und seine Ehefrau Mary Welsh einen Zwischenstopp auf dem Miami International Airport ein. Das Ehepaar ist aus Kuba, wo die Hemingways auf einer Finca in der Nähe von Havanna ihren Wohnsitz halten, herüber nach Florida geflogen. Smiling Ernest Hemingway gets a final touch-up from his wife Mary, just before leaving Miami Sunday night for Talara, Peru, so wird die lokale Tageszeitung, der Miami Herald, unter das Foto schreiben, das den Schriftsteller in bester Laune zeigt.
Ein lächelnder Ernest Hemingway erhält von seiner Frau Mary eine letzte Nachbesserung, kurz bevor das prominente Paar an diesem Sonntag Florida verlässt, Richtung Talara in Peru. Der Schnappschuss im Flughafen von Miami strahlt eine innige Vertrautheit und Zuneigung aus, vielleicht ist die Liebe des prominenten Ehepaares ja doch noch nicht ganz und gar aufgebraucht.
Die beiden leben zu diesem Zeitpunkt seit zehn Jahren zusammen und bislang sind keine unschönen Meldungen aus ihrem Ehealltag nach außen gedrungen. Höchstens ein paar boshafte Gerüchte, wie sollte es anders sein, bei einem Mann, der zum vierten Mal verheiratet ist.
Immer wenn es ans Meer geht, hellt sich die Gemütslage des Nobelpreisträgers auf. Der Kalender zeigt den 15. April des Jahres 1956. Aus dem Lautsprecher in der Airport-Lounge tönt die Stimme des Sängers Perry Como mit einem ungewohnt hämmernden Rhythmus, Oh! Jukebox Baby, my Jukebox Baby.
Diese neuartige Musik, die mit dem ruppigen Beat des Rock 'n' Roll gegen die alte Spießigkeit aufbegehrt, verkörpert ein neues Lebensgefühl, das Ernest Hemingway jedoch irgendwie fremd geblieben ist. Auch im Kino hat James Dean vor einigen Monaten in dem Filmstreifen Rebel Without a Cause den Protest der Halbstarken gegen die biedere Welt der Eltern in das brave Amerika hinausgebrüllt. All dies ist an den Hemingways mehr oder weniger vorbeigegangen, weil das Ehepaar zurückgezogen lebt auf einer tropischen Farm im kubanischen Dorf San Francisco de Paula, weitab von Gut und Böse.
Mr. und Mrs. Hemingway steigen in Miami in ein Flugzeug um, das sie über Nacht nach Peru bringen wird. Genauer gesagt nach Talara, in den Norden des Andenlandes, und von dort geht es mit dem Auto die Panamericana entlang nach Cabo Blanco, einem winzigen Fischerdorf am Pazifik. Der Black Marlin Boulevard, ein fischreicher Küstenstreifen südlich der Äquatoriallinie, gilt unter Hochseeanglern als legendenumrankte Destination.
Ernest Hemingway, seine Ehefrau und einige Freunde werden 36 Tage und Nächte - vom 16. April bis zum 22. Mai 1956 - im Cabo Blanco Fishing Club residieren, in unmittelbarer Nähe zum Meer. Der Schriftsteller wird das Pazifiknest in diesen fünf Wochen kein einziges Mal verlassen - außer zu seinen Angeltouren.
Auch wenn das Leben des Ernest Hemingway bis in kleinste Winkel hell ausgeleuchtet ist, so weiß man über die Episode in Peru nicht allzu viel. Seine Wochen in Cabo Blanco, so sie denn überhaupt Beachtung finden, bleiben in den Biographien und Abhandlungen über den bärtigen Autor seltsam konturlos. Vielleicht weil diesmal sein Ziel weit ab vom Schuss liegt. Ernest Hemingway ist dafür bekannt, dass er die ganze Welt mit einem Riesen-Tamtam bereist.
Das Café de Flore in Paris, die Lagune von Venedig, der encierro beim Bullenrennen in Pamplona, die Steppen Ostafrikas - alles im vollen Scheinwerferlicht. Aber Cabo Blanco? Was zum Teufel sucht der Nobelpreisträger, dieser vorwitzige Abenteurer und umtriebige Schürzenjäger in einem verlorenen Kaff wie Cabo Blanco?
Peru bleibt, es mag erstaunen, das einzige Land Südamerikas, das Ernest Hemingway jemals bereist hat. Er kennt die gesamte Karibik wie seine Hosentasche, von den unbewohnten Inseln der Florida-Keys über seine Wahlheimat Kuba bis hin zu den Bahamas. Außerdem hat der Schriftsteller mehrmals Mexiko besucht, doch südlicher ist er niemals vorgestoßen. Dieser Kosmopolit und Weltenbummler hat sich nie das ausschweifende Rio de Janeiro angeschaut, nicht das betuliche Montevideo und auch das frühlingshafte Buenos Aires muss auf ihn verzichten.
Hingegen begibt er sich wochenlang nach Cabo Blanco, in ein trostloses Küstendorf mit ein paar ärmlichen Bretterbuden an einer staubigen Straße. Der berühmte US-amerikanische Autor, zwei Jahre zuvor hat man ihm den Nobelpreis für Literatur verliehen, reist in ein doch ziemlich vergessenes Eckchen dieses Erdballs.
Dabei wird der Aufenthalt in Cabo Blanco bedeutsam sein für den Schriftsteller. In seinem Spanien-Roman Gefährlicher Sommer gibt er seinen Lesern einen Fingerzeig. Von Ende Juni 1954 bis August 1956 waren wir auf Kuba und arbeiteten. Ich war in schlechter Verfassung. Bei Flugzeugabstürzen in Afrika hatte ich mir schwere Rückenverletzungen zugezogen und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Niemand wusste genau, was aus meinem Rücken werden würde, bis wir das Ganze vor Cabo Blanco in Peru auf die Probe stellten, als wir für den Film 'Der alte Mann und das Meer' einen riesengroßen Marlin fischen mussten.
Der Mittfünfziger hat sich viel vorgenommen in Peru. Er befindet sich seit einiger Zeit in einem anhaltenden Tief, aus dem er nicht herausfindet. Er hat schmerzhafte Unfälle hinter sich und seit vier Jahren kein Buch mehr veröffentlicht. In Cabo Blanco will der Schriftsteller endlich wieder voll auf die Beine kommen, körperlich wie mental. Und, wenn es irgendwie geht, auch als Schreiber.
Für Herausforderungen solcher Art ist Nordperu wie geschaffen. Im Ozean vor Cabo Blanco findet man den schwarzen Marlin, einen gigantischen Fisch von over fifteen hundred pounds. Es ist jener Riesenfisch, der in Hemingways Erfolgsroman Der alte Mann und das Meer neben dem alten Mann Santiago und dem Jungen Manolín die Hauptrolle spielt.
In Cabo Blanco sollen die Außenaufnahmen für die Hollywood-Verfilmung von Der alte Mann und das Meer gedreht werden. Der Schriftsteller will diese Dreharbeiten auf dem Ozean ein wenig überwachen, zugleich will er auch selber den schwarzen Marlin jagen. Mit dieser Kraftprobe will er einschätzen, wie es gesundheitlich wirklich um ihn bestellt ist. Ob sein Körper ein solches Abenteuer aushält, ob er noch genug Mumm aufbringt, einen Gegner wie den gigantischen Schwarzmarlin zu besiegen.
Im Grunde will Ernest Hemingway wissen, ob noch genügend Kraft verbleibt für ein Hemingway-Leben, für diesen Trubel und Triumph, den alle Welt von ihm erwartet, er an erster Stelle. Auch das süße Leben soll in Peru nicht zu kurz kommen, die Rechnung geht a conto der Filmgesellschaft Warner Bros. in Hollywood.
Auf Kuba hat der Amerikaner aus Chicago sich über die Jahre sehr an einen kreativen Müßiggang gewöhnt, er benötigt die Sonne, die Schwüle der Tropen und er braucht vor allem das Meer, um überhaupt schreiben zu können. So will der angeknackste Ernest Hemingway sich in Peru ein wenig vergnügen, den stürmischen Pazifik erkunden, mit den Freunden herumalbern, gut essen und sich des Abends an der Hotelbar die Kante geben.
Insofern mag sich das raue Fleckchen im Norden Perus mit den paar hundert Bewohnern gar nicht so schlecht einfügen in den behaglichen Tropenkosmos des Ernest Hemingway. Vor allem weil er im Cabo Blanco Fishing Club nur einen Steinwurf von seinem geliebten Meer entfernt wohnen wird. Die Welt ist so voll von so vielen Dingen, dass ich sicher bin, wir sollten alle glücklich sein wie die Könige. Doch, gerade diese Frage möchte er sich in Cabo Blanco beantworten, wie ist es um das Glück des Königs wirklich bestellt?
Ob sich in unseren Tagen noch Spuren des Ernest Hemingway in Cabo Blanco finden lassen? Auf Huldigungen an diesen amerikanischen Autor stößt man ja in aller Welt, nicht nur an einem Ort wie bei anderen, sondern verstreut über Länder und Kontinente. In Madrid und Ronda, in den Dolomiten, im österreichischen Montafon oder gar im tiefen Schwarzwald, in Key West, in den Rocky Mountains oder in Kenia und Tansania. Auch wenn die Hommage oft bloß an der Oberfläche kratzt, die Verehrung für diesen Mann bleibt ein Phänomen, dieser Schreiber aus Oak Park bei Chicago hat sein Wirken weit und tief gestreut.
Der fortwährende Radau um seine Person zeigt, Ernest Hemingway lebt, obwohl er doch...
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