17. No. 208. 27. Juli 1842.
Preußen. o Berlin, 24. Jul. In der nächsten Umgegend Berlins hat kürzlich ein Superintendent (der Name kann hier unerwähnt bleiben, da der Mann vielleicht selbst sich berufen fühlen wird, mit seiner redlichen Ueberzeugung hervorzutreten) auf einer sogenannten Synode seinen Geistlichen die Frage vorgelegt, ob Prediger sich mit dem Lesen kritischer Schriften, wie sie die heutige Theologie bringt, beschäftigen und überhaupt von ihnen Notiz nehmen sollen. Beiweitem die Mehrzahl der Geistlichen beantwortete die vorgelegte Frage mit einem aufrichtigen Nein, und nur Einer derselben kündigte an, daß er, da seine Ueberzeugung dem zuwider laufe, nächstens eine Abhandlung darüber lesen wolle, wie die berüchtigten Synoptiker des Bruno Bauer aufzufassen seien. Bedenkt man, wie gefährlich in neuerer Zeit die Wissenschaft, und zwar diese in weitester Durchbildung als Philosophie, der althergebrachten Theologie zu werden droht, und wie jüngst schon der Vorschlag gehört wurde, die Jünger der Theologie in eignen Predigerseminaren für ihren künftigen Beruf einzuschulen, ja wie Marheineke selbst in seinem theologischen Votum auf diesen, wie er meint, gräßlichen Ausgang mit Schaudern hinweist: so wird man in dem obigen Geständniß, daß die Wissenschaft der unbefangenen Ausübung des geistlichen Amtes nur störend in den Weg trete, nichts Auffallendes mehr finden, sondern den Freimuth der Unschuld anzuerkennen genöthigt sein, der sich das Unvermeidliche nicht dünkelhaft verhehlt. Bisher wurde auf die herrliche Aushülfe, welche in dem völligen Aufgeben der so gefährlichen Wissenschaft dargeboten wird, nur theoretisch und schüchtern hingewiesen; die angeregte Frage des Superintendenten und der Beifall seiner Amtsgenossen bilden den ersten erfreulichen Fortschritt zu einer offenen Praxis und zu der furchtlosen Würdigung Dessen, was Noth thut. Gegenüber diesem klaren Bewußtsein von dem Berufe eines heutigen Geistlichen, gegenüber der Einsicht, daß der Prediger nur dann heiter und sorglos fungiren könne, wenn er sich von allen bedrohlichen Untersuchungen der unbarmherzigen Kritik fern halte und durch keine wissenschaftlichen Bedenken oder Zweifel die Sicherheit seines Glaubens trüben laße, gegenüber dieser einfältigen und höhern Selbstschätzung wird der besagte Opponent mit seinem Eingehen auf die Synoptiker einen schweren Stand haben und jedenfalls deshalb unterliegen, weil allein die Ansicht des Superintendenten die consequente und wahre, die seinige dagegen eine gesuchte und erkünstelte ist. Man muß es in allen Fällen lohnt, wenn nach dem Spruchwort der Schuster darüber mit sich einig wird, daß er bei seinem Leisten bleiben solle. - Das in Ihrer Zeitung (Nr. 194) mitgetheilte, dem Frankfurter Journal entnommene "Glaubensbekenntniß der Freien" ist in der That das lächerlichste Product von der Welt. Daß dergleichen Cruditäten den "Freien" auch nicht im Traume einfallen, dieser Versicherung bedarf es kaum für Diejenigen, welche die Gegenwart kennen. Für Leichtgläubige will ich aber die Versicherung hersetzen, daß ich eine Anzahl "Freier" über diese Mystification in fröhlicher Gesellschaft herzlich lachen hörte; sie waren Alle darüber völlig unbesorgt, daß irgend ein Mensch den Unsinn des Correspondenten im Frankfurter Journal, welcher "sich durch Zufall im Besitze des sogenannten Glaubensbekentnißes seiner Sektirer" zu befinden vorgibt, für Sinn halten könnte, und meinten, es sei schon verkehrt genug, bei den Freien nur überhaupt von einem "Glaubensbekenntniß" zu reden, und man werde daran leicht die ganze Fabel erkennen. Ich hätte Ihnen gern einen Wink darüber gegeben, daß Sie nicht ein so blindes Vertrauen in die unbefangene Einsicht aller Leser setzen sollten, getraute mirs aber nicht. Hier jedoch will ichs sagen. - Unser Opernplatz hat dadurch eine anmuthige Verschönerung erhalten, daß längs der Gartenmauer des daran belegenen Palais der Fürstin Liegnitz mehre durch Ein Dach verbundene, geschmackvolle Buden erbaut worden sind, in denen seit einigen Tagen die aufgestellten Blumen und Früchte, die feinen Porzellan- und sonstigen Quincaillerie- und Nippwaaren einen reizenden Anblick gewähren. Früher bot die alte Mauer nur angeklebte Zettel und mancherlei Unreinlichkeit dem Auge dar; Hr. Faust, dem diese Buden gehören, hat uns auf dankenswerthe Weise davon befreit. Nur wäre zu wünschen, daß man sichs angelegen sein ließe, an mehren Stellen für ein Bedürfniß zu sorgen, dem diese wie ähnliche Mauern bisher unangenehmer Weise hat dienen müssen. Große Städte bedürfen solcher Anstalten und zwar für beide Geschlechter.
18. No. 209, 210 u. 211. Beilagen 28., 29. u. 30. Juli 1842.
Der Proceß des Dr. Jacoby. - Ganz Deutschland nimmt den lebendigsten Antheil an dem Processe des Dr. Jacoby in Königsberg, und selbst das Ausland verfolgt ihn mit Aufmerksamkeit. Durch das Erkenntniß des Criminalsenats des königl. Kammergerichts ist bekanntlich folgende Verurtheilung ausgesprochen: "Auf die von dem Criminalrathe Richter geführte Criminaluntersuchung wider den praktischen Arzt Dr. Johann Jacoby zu Königsberg in Preußen erkennt der Criminalsenat des königl. Kammergerichts nach Lage der
Acten für Recht: daß Inculpat Dr. Johann Jacoby von der Anschuldigung des Hochverraths völlig frei zu sprechen; wegen Majestätsbeleidigung dagegen, sowie wegen frechen, unehrerbietigen Tadels und Verspottung der Landesgesetze und Erregung von Misvergnügen mit zwei und einem halben Jahre Festungsarrest ordentlich zu bestrafen, auch des Rechts, die preußische Nationalcocarde zu tragen, für verlustig zu erklären, und die Kosten der Untersuchung zu tragen gehalten, welche im Falle seines Unvermögens bis auf die aus dem Malefizfonds zu entnehmenden baaren Auslagen niederzuschlagen." Von diesem Urtheil erster Instanz wird Dr. Jacoby den weiteren Weg der Appellation einschlagen. Da die Sache aber durch Publication dieses Erkenntnisses zu einem Abschlusse gediehen ist, so müssen wir auf sie, als auf eine historische Thatsache, deren Bedeutsamkeit für die Gegenwart Niemandem entgehen kann, zurückblicken, und dies um so mehr, als Dr. Jacoby selbst seine "Rechtfertigung" durch den Druck veröffentlicht hat. Er erzählt darin die Stadien seines Processes in folgender Weise: "Zum Schlusse sei noch ein kurzer Rückblick auf die nunmehr bald jährige Untersuchung gestattet. Das Verfahren, welches befohlenermaßen das königsberger Oberlandesgericht gegen mich einleitete, hatte von vorn herein den doppelten Character des Accusations- und Inquisitionsprocesses. Es wurde nicht dem Gericht überlassen, die Schuld oder Unschuld meiner Schrift zu ermitteln, sondern eine ausführliche, im Ministerium des Innern und der Polizei verfaßte Anklage zur Basis der Untersuchung genommen. In zwanzig peinlichen Verhören hatte ich nicht sowol die Aeußerungen meiner Schrift zu erklären, als vielmehr gegen den Nothbehelf accusatorischer Bedeutungen anzukämpfen. Demnächst war die anfangs so eifrig betriebene Untersuchung plötzlich abgebrochen, die noch nicht geschlossenen Acten nach Berlin gesendet und fünf Monate lang eine Aussetzung der Verhöre für gut befunden; meine dem Oberlandesgerichte überreichte Vorstellung, sowie eine an den Justizminister gerichtete Beschwerde blieben nicht nur unbeachtet, sondern sogar unbeantwortet, und erst in Folge eines Immediatschreibens an Se. Maj. den König wurde dem Gerichtshofe die Beschleunigung der Sache geboten. Wie die Unabhängigkeit des Richters eng verbunden ist mit seiner unbestreitbaren Competenz, so ist es auch Pflicht jedes Redlichgesinnten, an den einmal durch das Gesetz geheiligten Formen festzuhalten. Daher habe ich, auf Grund des Gesetzes vom 25. April 1835, gegen die Urtheilsbefugniß meines ordentlichen Gerichtsstandes protestirt, und so selbst den vielleicht nicht unwichtigen Vortheil aufgegeben, von Mitbürgern, denen mein Wandel bekannt ist, gerichtet zu werden. Nachdem der Justizminister den Proceß zurückgewiesen, ward diesem Conflicte durch das Dazwischentreten königlicher Gnade die rechtliche Abhülfe zu Theil. Und so stehe ich denn, aus freier Wahl verzichtend auf jede Ausnahme von dem Gesetze, vor Richtern, denen meine Person unbekannt ist und dem preußischen geheimen Proceßgange nach auch unbekannt bleiben wird. Das gute Recht ist der beste Schutz. Es liegt nicht in dem Geiste der Schrift, die Landesgesetze zu verspotten; fern ist ihr jede Beleidigung so des Königs wie des Staates. Ohne Scheu würde ich auch jetzt noch öffentlich aussprechen, daß Beamtenallgewalt und politische Nichtigkeit der selbständigen Bürger das Gebrechen des Vaterlands; Oeffentlichkeit und wahre Vertretung die Heilmittel dieses Gebrechens; daß das preußische Volk durch geistige Bildung zu einer größern Theilnahme an Gesetzgebung und Verwaltung des Staats eben so befähigt, wie durch Geschichte und Gesetz dazu berechtigt; daß ein innigeres Band der verschiedenen Landestheile, mag es durch die der Nation verheißenen Reichsstände oder durch die vereinten Landtagsausschüsse aller Provinzen geknüpft werden, zum Wohle des Ganzen erfoderlich ist; daß nur eine solche Einigung dem Volke die politische Bildung und die sittliche Kraft geben kann, durch welche allein es den Kampf mit nahenden Stürmen, wenn nicht glücklich, mindestens würdig zu bestehen vermag. Dies sind die Grundzüge einer Schrift, die an den Stufen des Thrones niedergelegt zu haben ich selbst jetzt nicht bereue. Die Thatsachen...