Schweitzer Fachinformationen
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Der Umgang mit Sterben und Tod hat sich verändert: von einer Gesellschaft, die den Tod verdrängt hat, zu einer, die wieder mit ihm umzugehen lernt. Ein prominentes Beispiel für die Reaktivierung eines bewussten Umgangs mit Sterbenden und ihren besonderen Bedürfnissen ist die Spiritual Care. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, wie spirituelle Sorge für Sterbende erfolgt und welche Deutungsschemata dabei leitend sind. Gegenwärtig befinden wir uns im Prozess einer Institutionalisierung des Sterbens und des Todes. Gestorben wird heutzutage vor allem im Krankenhaus und im Pflegeheim sowie in Hospizen und auf der Palliativstation, mithin nur noch zu einem kleinen Teil im häuslichen Umfeld. Da Hospize und Palliativstationen versuchen, sich weitestgehend den Bedürfnissen von Sterbenden anzupassen und möglichst optimal für sie zu sorgen, stehen sie im Zentrum der vorliegenden Studie.
Hand in Hand mit der Institutionalisierung geht eine immer stärkere Professionalisierung. Die Mitarbeitenden in den Hospizen und auf den Palliativstationen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Sterbende und ihre An- und Zugehörigen interprofessionell zu begleiten. Gerade im Kontext des Sterbens spielen unterschiedliche Professionen sowie die Frage nach der Zusammenarbeit in interprofessionellen Teams eine wichtige Rolle. Insbesondere die hospizlich-palliativen Institutionen bemühen sich um eine >ganzheitliche< Versorgung der Betroffenen. Zudem zeigt »die medizinische Sterbebegleitung zunehmend an Fragen von subjektiver Lebensqualität Interesse«[1]. Dementsprechend stehen nicht mehr nur medizinische, pflegerische oder soziale Aspekte im Mittelpunkt, sondern auch spirituelle Themen und Fragestellungen. Spiritual Care schließt als ein Konzept, das ganzheitlich ausgerichtet ist, diese spirituelle Bedürfnisdimension systematisch mit ein und will die Lebensqualität der Kranken und Sterbenden damit verbessern.[2]
Den Ausgangspunkt der vorliegenden Studie bildet die im praktisch-theologischen Diskurs vertretene These, dass Spiritual Care eine Aufgabe ist, die allen zukommt, die in den Institutionen des Gesundheitssystems für Sterbende und ihre An- und Zugehörigen Verantwortung tragen, d. h. neben Seelsorger*innen auch Ärzt*innen, dem Pflegepersonal, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen und weiteren Berufsgruppen. Mit der vorliegenden Studie wird untersucht, ob diese Annahme zutrifft und Spiritual Care tatsächlich eine Aufgabe aller Mitarbeiter*innen ist, die sich um Kranke und Sterbende sorgen. Daran schließt sich die Frage an, inwiefern sich diese Sorge in den jeweiligen Berufsgruppen unterscheidet oder auch, inwiefern es Überschneidungen und wechselseitige Bezugnahmen gibt.
Die leitende Forschungsfrage dieser Untersuchung ist deshalb zunächst die nach dem konkreten spirituellen Sorgehandeln der Mitarbeitenden in den Hospizen und auf den Palliativstationen.[3] Von den Seelsorger*innen wird selbstverständlich erwartet, für das religiöse bzw. spirituelle Wohlergehen der Betroffenen Sorge zu tragen. Wie aber verhält es sich mit den anderen Berufsgruppen? Welche Rolle spielen Spiritualität und Religiosität für die in der Sterbebegleitung tätigen Personen, die nicht Seelsorgende sind? Welche Rolle spielen sie für ihr jeweiliges professionelles Selbstverständnis? Wie beziehen die medizinischen/therapeutischen Berufsgruppen körperliche und seelische Faktoren der Sorge aufeinander? Beziehen alle Berufsgruppen den Aspekt der Spiritualität tatsächlich in ihr Handeln mit ein oder lassen sich berufsgruppenspezifische Unterschiede feststellen? Und: Was bedeutet dabei jeweils Spiritualität? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang möglicherweise auch der Glaube mit seinem Menschenbild und seinen eschatologischen Vorstellungsgehalten? In diesem Zusammenhang ist zudem die Rolle und die spezifische Kompetenz der professionellen Seelsorge im Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen sowie etwaige Sonderaufgaben, die ihr im Rahmen einer spirituellen Sorgepraxis ggf. zukommt, zu untersuchen und präzise zu konturieren.
Obwohl gegenwärtig viel über Hospize und über Palliative Care publiziert wird, werden bislang kaum empirische Studien in hospizlich-palliativen Einrichtungen durchgeführt.[4] An dieses Desiderat knüpft die vorliegende Dissertation an und untersucht mit Hilfe der qualitativen Sozialforschung die (spirituelle) Sorgepraxis der Mitarbeiter*innen. Die Studie leistet einen Beitrag zum praktisch-theologischen Diskurs, indem sie die Implikationen, Herausforderungen und Perspektiven, die sich aus den empirischen Erkenntnissen ergeben, für die Seelsorgetheorie und -praxis fruchtbar macht.
Die vorliegende Studie ist in fünf Hauptteile gegliedert. Nach dem einleitenden Teil in Kapitel eins werden im zweiten Teil die anthropologischen Grundaxiome Sterben und Tod in bibelwissenschaftlicher, soziologischer und theologischer Hinsicht perspektiviert. Die bibelwissenschaftliche Betrachtung zeigt zunächst, dass Sterben und Tod schon im Alten und Neuen Testament keineswegs eindimensional verstanden werden und die dort reflektierten Erfahrungen von Ort und Zeitpunkt des Sterbens sowie Fragen nach der Begleitung oder Isolation von Sterbenden mitunter bis heute relevant sind. Die soziologische Analyse hilft, die Institutionalisierung des Sterbens und das Aufkommen von Communities of Care in den hospizlich-palliativen Einrichtungen besser zu verstehen und zu kontextualisieren. Mittels der Systemtheorie wird zunächst die Ambiguität der Moderne im Umgang mit Sterben und Tod erläutert. Dazu wird sowohl die Entwicklung von der stratifikatorischen zur funktional differenzierten Gesellschaft skizziert als auch die These der Todesverdrängung diskutiert. Die funktionale Differenzierung der Gesellschaft führt zu einem Verlust hilfreicher und verbindlicher Todesbilder und -deutungen. Die mit der Differenzierung und der Institutionalisierung des Sterbens einhergehende Professionalisierung versucht, diese Leerstelle zu kompensieren. Zugleich führt sie dazu, dass Sterben und Tod aus der Mitte der Gesellschaft an den Rand (in spezifische Institutionen) ausgelagert werden. Damit verknüpft ist eine große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit des Sterbeortes, denn die meisten Menschen wollen nach wie vor zu Hause sterben. Sterben und Tod wieder stärker ins Bewusstsein und auf die Tagesordnung der Gesellschaft zu bringen, ist das Bestreben von Palliative Care, End-of-Life Care und Spiritual Care. Das nächste Teilkapitel beschreibt die großen Linien der Hospizbewegung vom Engagement Einzelner hin zu einer weltweiten Bewegung. Daran anschließend werden die für diese Studie relevanten Institutionen Hospiz und Palliativstation unter inhaltlichen, organisationalen und räumlichen Gesichtspunkten beleuchtet. Ferner wird der Spiritualitätsbegriff, seine Herkunft und Bedeutung im Kontext von Krankheit und Sterben reflektiert. Die daran anschließende Darstellung des Forschungsstands mit Blick auf Spiritual Care zeigt, wie die vorliegende Studie sich in die Diskussion einfügt und sie erweitert.
Kapitel drei expliziert das empirische Forschungsdesign der Studie. Nach der Darstellung des Samplings wird das Expert*inneninterview als geeignetes Mittel der Datenerhebung plausibilisiert, die Auswertungsstrategie mittels eines an die Grounded Theory angelehnten Kodierverfahrens erläutert sowie Aufbau und Herleitung des Interviewleitfadens begründet.
Der vierte Hauptteil ist das Herzstück der Studie mit den Kapiteln vier bis elf. Hier werden die empirischen Ergebnisse ausführlich dargestellt und erläutert. Kapitel vier informiert einleitend über die verschiedenen Berufsgruppen, die in Hospizen und auf Palliativstationen tätig sind. Es wird deutlich, dass die Zusammenarbeit über die Institution hinaus in einem ausdifferenzierten Netzwerk stattfindet und jede Berufsgruppe ihren Beitrag im Gesamtensemble leistet. Signifikant ist zudem, dass alle Mitarbeitenden für sich beanspruchen, auch spirituell für die Sterbenden sowie ihre Angehörigen Sorge zu tragen.
Kapitel fünf illustriert exemplarisch Spiritualitätsverständnisse der Mitarbeitenden, die die Polymorphie des Phänomens aufzeigen. Auffallend ist überdies eine Spannung zwischen der Bekanntheit des Begriffs im akademischen Bereich sowie bei Leitungspersonen einerseits und dem Nichtwissen um diesen Begriff - bei gleichzeitig selbstverständlicher Ausübung von Spiritual Care - an der Basis vor Ort andererseits. Wichtig ist den Mitarbeiter*innen,...
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