Die größten Anlagefehler und wie man sie vermeidet - Psychologische Fallen, Home Bias, Greenwashing, Krypto-Risiken

Sie prahlen mit unrealistischen Erfolgsdarstellungen: Der gezeigte Lebensstil und die präsentierten Erfolge sind meist inszeniert oder übertrieben. Finfluencer sprechen junge, unerfahrene Anlegerinnen und Anleger an, die besonders anfällig für riskante Anlagestrategien sein können.

Viele Finfluencer verfügen über keine angemessene Qualifikation. Sie haben keine formale Ausbildung im Finanzbereich und haben sich nur oberflächliches Wissen angelesen.

Im Unterschied zu lizenzierten Finanzberatern unterliegen Finfluencer keiner strengen Regulierung oder Aufsicht. Selbst in dem Bewusstsein, es besser zu wissen, neigen sie dazu, die Informationen für ihre primären Zielgruppen übermäßig zu vereinfachen. Komplexe Finanzkonzepte werden mitunter so plakativ aufbereitet, dass sie bei den Followern ein verzerrtes oder missverständliches Bild hinterlassen können. Der Schwerpunkt liegt häufig auf kurzfristigen Gewinnen statt auf langfristiger Vermögensbildung. Das Versprechen: Schnell richtig Geld scheffeln!

In einer großen Frauenzeitschrift erklärte eine Finanzcoachin, sie sei "kein Fan" von ETF. Mit ihnen würden Anlegerinnen und Anleger "nicht wirklich reich". Ihr Tipp: "Ich kaufe lieber (.) Aktien von Unternehmen, deren Produkte ich verstehe oder bestenfalls verwende." Andere Finfluencer handeln ähnlich.

Natürlich gibt es Anlegerinnen und Anleger, die zum richtigen Zeitpunkt Geld in eine bestimmte Aktie gesteckt haben und damit reich geworden sind, aber ist das eine reproduzierbare Erfolgsstrategie für den Vermögensaufbau? Anlegerinnen und Anleger sollten sich zur Beurteilung der optimalen Geldanlage nie auf einzelne Erfolgsgeschichten stützen. Eine anekdotische Evidenz ist kein Beweis für eine gute Anlagestrategie. Oft beobachtete Lobpreisungen auf Einzelaktien können in die Irre führen. Daher fassen wir das Für und Wider der Einzelaktienanlage zusammen.

Wer in Einzelaktien investiert, geht davon aus, dass er durch gezielte Auswahl von Aktien ("Stock Picking") besser als der Markt abschneiden kann. Wie gut das professionellen Fondsmanagern gelingt, wurde immer wieder untersucht.

Glück ist kein Können

Bitte beachten Sie: Glück und Pech haben einen großen Einfluss auf den Anlageerfolg. Wer einen Manager ausfindig macht, der besser abschneidet als sein Vergleichsmaßstab, etwa der MSCI World Index, hat entweder einen fähigen Manager oder einen Glückspilz gefunden.

Die Studienergebnisse zu der Frage, ob Fondsmanager mit guter Performance nur Glück haben oder einzelne tatsächlich auch Können gezeigt haben, sind nicht eindeutig: Im besten Fall sprechen Studien den Managern durchaus Können zu, aber die Fondskosten fressen die Mehrrendite durch Können wieder auf.

Selbst wenn Studien einigen Managern durchaus Können zugestehen, bleibt ein praktisches Problem: Die Könner sind von den Glückspilzen schwer zu unterscheiden. Sogar der Glückspilz wird sich für einen Könner halten.

Die Überlegenheit des "Stock Pickings" ist bei Fonds empirisch nicht belegbar. Ein Hauptgrund sind die hohen Kosten: Fondsgebühren von 1,5 Prozent oder mehr lassen sich nur schwer durch kluge Aktienwahl ausgleichen, um langfristig besser als der Markt oder ein günstiger ETF (0,2 Prozent Kosten) zu sein. Doch selbst ohne Fondsgebühren gelingt es Privatanlegern meist nicht, den Markt langfristig bei gleichem Risiko zu schlagen.

Am Ende steht die Frage, warum Finfluencer ihr Erfolgs-Know-how so großzügig teilen. Häufig werden Finanzprodukte oder Plattformen beworben, ohne die dahinterstehenden finanziellen Anreize offenzulegen. Dass es sich um bezahlte Werbung handelt, wird nicht angegeben.

Oder es werden kostenpflichtige Ratgeber "Wege zur finanziellen Freiheit" und "Kurse zum erfolgreichen Traden" angeboten. Ob sich damit der versprochene Erfolg für die Nutzer einstellt, darf zumindest bezweifelt werden.

Falsche Experten per KI

Eine ganz neue perfide Masche, um Anlegerinnen und Anleger mit angeblichen Experten aufs Kreuz zu legen, ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), um in Bild und Ton eine Realität vorzutäuschen, die es gar nicht gibt. Die Bezeichnung hierfür lautet "Deepfake".

Unsere Finanzexpertinnen und -experten warnten im Mai 2024 vor einem Fall, in dem ein Anbieter online mit einem gefälschten Video Tatsachen vorgaukelte, um sich Vertrauen zu erschwindeln. Ein Finanztest-Leser warnte vor einem vermeintlichen Mitschnitt einer Fernsehsendung. In dem Video legte Finanzminister Christian Lindner angeblich live Geld mit Gewinn bei einem Broker an. Ein Link führte vermeintlich zum Broker Green-Vest (green-vest.io). Solche Videos sind gefälscht. Der Leser sollte Geld für Investments an eine Enivma Limited in Litauen überweisen. Ein Berater von Green-Vest beantwortete unsere Fragen nicht. Green-Vest, Dallas, USA, war nicht erreichbar. Ein Fall für die Warnliste Geldanlage der Stiftung Warentest.

Das zugrunde liegende Bedürfnis

Um diesen Anlagefehler effektiv zu adressieren, ist es wichtig, die zugrunde liegenden Bedürfnisse und Motivationen der Anlegerinnen und Anleger zu verstehen. Mehrere psychologische und emotionale Faktoren greifen hier ineinander:

Da ist zum einen der Wunsch nach schnellem Reichtum. Viele Anlegerinnen und Anleger träumen davon, in kurzer Zeit große Gewinne zu erzielen. Die Vorstellung, durch einen genialen Tipp oder eine geheime Information den großen Durchbruch zu schaffen, ist verlockend. Dieses Bedürfnis wird oft von einem Gefühl der finanziellen Unsicherheit oder dem Wunsch nach einem besseren Lebensstil befeuert.

Viele Anlegerinnen und Anleger suchen zudem nach Sicherheit und Orientierung. In der komplexen Welt der Finanzmärkte fühlen sich viele überfordert. Die Komplexität der Finanzmärkte kann abschreckend wirken. Experten, die einfache Lösungen und klare Handlungsanweisungen anbieten, kommen diesem Bedürfnis nach Vereinfachung entgegen. Viele Privatanleger empfinden aufgrund mangelnden Fachwissens eine unzureichende Kompetenz in finanziellen Belangen. Sie suchen nach Führung und vermeintlicher Expertise, um Unsicherheit zu reduzieren und das Gefühl zu haben, fundierte Entscheidungen zu treffen. Der Rückgriff auf vermeintliche Experten kompensiert dieses wahrgenommene Defizit.

Zusätzlich besteht ein großer Wunsch nach Kontrolle und Vorhersehbarkeit. Die Finanzmärkte sind von Natur aus unberechenbar. Der Glaube an Experten mit Insiderwissen gibt Anlegerinnen und Anlegern die Illusion von Kontrolle und Vorhersehbarkeit in einem eigentlich unsicheren Umfeld. Hinzu kommt ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Exklusivität. Der Glaube, Teil einer exklusiven Gruppe zu sein, die über besonderes Wissen verfügt, befriedigt das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Besonderheit. Es vermittelt ein Gefühl von Wichtigkeit und Überlegenheit gegenüber anderen Anlegerinnen und Anlegern.

Viele Anlegerinnen und Anleger streben nach Anerkennung und Status. Erfolgreiche Investitionen können als Statussymbol dienen. Der vermeintliche Zugang zu exklusiven Informationen und das damit verbundene potenzielle finanzielle Wachstum versprechen soziale Anerkennung und Bewunderung.

Einige Menschen möchten auch schlicht Verantwortung vermeiden. Durch das Befolgen von Expertenratschlägen können Anlegerinnen und Anleger die Verantwortung für ihre Entscheidungen teilweise abgeben. Dies kann psychologisch entlastend wirken, besonders wenn Verluste eintreten.

Die Informationsüberlastung spielt ebenfalls eine Rolle. Die Fülle an verfügbaren Finanzinformationen kann überwältigend sein. Experten, die komplexe Sachverhalte scheinbar einfach erklären, bieten eine willkommene Abkürzung durch diesen Informationsdschungel.

In diesem Zusammenhang kann auch eine Informationsblase entstehen: Anlegerinnen und Anleger suchen besonders nach Informationen und Meinungen, die ihre bereits bestehenden Ansichten bestätigen. Dies kann dazu führen, dass sie besonders anfällig für "Experten" sind, die ihre Vorurteile bedienen.

Und schließlich ist da die Angst, etwas zu verpassen. FOMO, fear of missing out - also die Furcht, eine große Chance zu verpassen -, kann Anlegerinnen und Anleger dazu treiben, überstürzt und unreflektiert Ratschlägen zu folgen. Durch die Darstellung scheinbar müheloser Gewinne, die sich "gerade jetzt durch eine einmalige Gelegenheit" ergeben, wird bei Followern gezielt die Angst geschürt, eine große Chance zu verpassen. Die Versprechungen von schnellem Reichtum und exklusivem Wissen sprechen oft Gier und Angst an, was zu irrationalen Entscheidungen führt. Der Glaube an ein exklusives Wissen, das einem einen Vorsprung vor anderen Anlegern verschafft, kann zu Überheblichkeit und riskantem...