Schweitzer Fachinformationen
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Ganz ehrlich, ich hab das Gefühl, der einzige Mensch im Universum zu sein, der realisiert, wie sinnlos das Leben ist. Die Leute benehmen sich, als wäre die bloße Existenz ein wundervolles Geschenk, und übersehen dabei völlig die Tatsache, dass besagte Existenz nichts anderes ist als das Ergebnis eines außergewöhnlichen Unfalls, der vor coolen 13,7 Milliarden Jahren passierte.
Ich will ja keine Spielverderberin sein oder so, aber wir sind nun mal alle zu einer begrenzten Anzahl von Umrundungen der Sonne verurteilt, bevor wir endgültig ins Gras beißen und in derselben unendlichen Hölle landen wie Donald Trump und Adolf Hitler. Vielleicht denke ich zu viel nach, aber für das, was wir zwischen jetzt und dann treiben, scheint es sich kaum zu lohnen, aus dem Bett zu steigen.
Vielleicht bin ich ja melodramatisch. Ich hasse es nur einfach aufzustehen.
Gerade hatte ich einen Termin bei unserem Beratungslehrer, Mr Rosenqvist. Der ist Schwede und sehr extravagant. So wie Brüno, aber weniger subtil. Wobei ich glaube, Brüno war Schweizer, Österreicher oder so was, aber egal. Die Sache ist nur, dass ich Mr Rosenqvist nicht anschauen kann, ohne Sacha Baron Cohen mit blonder Perücke zu sehen.
Der Typ gibt sich echt richtig, richtig Mühe, dafür zu sorgen, dass jeder SEINE TRÄUME VERWIRKLICHT [er ist sehr laut, deshalb die Großbuchstaben] und DEN WENIG BEGANGENEN WEG NIMMT und AUFHÖRT, SICH AN DEN WOCHENENDEN HEROIN ZU SPRITZEN. [Den letzten Punkt habe ich aus Spaß hinzugefügt. Um das klarzustellen: An der Edgewood High hat niemand die Gewohnheit, sich so regelmäßig Heroin zu spritzen, dass unser Berufsberater sich darüber Sorgen machen müsste. Sollten Sie Jurist sein und das hier lesen, ignorieren Sie bitte alle diesbezüglichen Anspielungen in diesem Manuskript. Denn auf meiner sowieso schon ausufernden Liste von Problemen brauche ich jetzt nicht auch noch eine Verleumdungsklage.
Wir sitzen also in Rosenqvists fensterlosem Minibüro, das mit Sicherheit nur ein umfunktionierter Besenschrank ist, wenn der penetrante Geruch von Teppichreiniger auch nur irgendwas verrät. Er sitzt hinter einem winzigen Schreibtisch, der eher zu einer Privatinsolvenz passen würde. Überall stehen Aktenregale, in denen sich wiederum Hefter über jeden einzelnen Schüler der gesamten Schule befinden. Ich könnte mir vorstellen, dass es irgendeine elektronische Datenbank gibt, um dieses archaische System zu ersetzen, doch die Schulen im sogenannten Bible Belt lieben es anscheinend old-fashioned - es ist eben ihr Markenzeichen.
Er also: »Miss O'Neill, haben Sie schon viel darüber nachgedacht, was Sie studieren möchten, wenn Sie nächsten Herbst aufs College gehen?«
[Ich schreibe das hier nicht in seinem heftigen Akzent auf, weil ich nicht als Rassistin dastehen möchte. Falls man überhaupt weißen skandinavischen Männern gegenüber rassistisch sein kann. So sicher bin ich mir da nicht.]
Ich atme gleichmäßig durch den Mund, damit der Geruch nach Bleichmittel mir nicht die Nasenhaare wegätzt, und sage so was wie: »Äh, nein, Sir, ich dachte mir, dass ich vielleicht ein bisschen herumreise, wissen Sie. Um mir die Welt anzugucken.«
Fairerweise muss man sagen, dass die nachfolgenden Fragen bezüglich meiner wirtschaftlichen Lage wahrscheinlich ganz legitim sind, wenn man bedenkt, dass meine Grandma und ich gegenwärtig mehr finanzielle Unterstützung bräuchten als die US Army.
»Haben Sie denn Geld gespart, von dem Sie zumindest die Flüge bezahlen können?«, fragt er, völlig unbeeindruckt von dem jahrzehntealten Staubwedel, der soeben pfeilgerade vom obersten Regalbrett hinter ihm abgestürzt ist. Als aufstrebende Comedian und Allround-Idiotin fällt es mir schwer, den Wedel nicht nach den Regeln für olympisches Turmspringen zu bewerten: 8,9 für den Schwierigkeitsgrad etc.
Aber zurück zum Thema: mein im Minus befindliches Bankkonto. »Nein, Sir, denn ich bin achtzehn und arbeitslos.«
Geduldig verstaut er den Staubwedel an einem sicheren Ort, nämlich in seiner Schreibtischschublade, und wirft mir einen mitfühlenden Blick zu. Ein Hauch von faulem Apfel steigt aus der offenen Schublade auf, die er hastig wieder zuknallt. Dieser Ort muss mindestens ein Dutzend Gesundheitsvorschriften verletzen. Höre ich da etwa das Trippeln von Mäusepfötchen?
»Verstehe. Und haben Sie versucht, einen Job zu finden?«
»Gütiger Himmel, das ist eine brillante Idee!«, keuche ich gespielt erstaunt. »An so eine Aktion habe ich bisher noch nicht gedacht! Haben Sie je erwogen, Berufsberater zu werden?«
Ganz im Ernst, das ist ein wunder Punkt. Zum dritten Mal in diesem Jahr habe ich meinen Lebenslauf an jeden Einzelhändler, jedes Restaurant und jedes Hotel im Ort verteilt. Aber es gibt hier einfach zu wenig Jobs und zu viele Menschen, und ich lande nie ganz oben auf dem Bewerberstapel.
Er seufzt. »Ich weiß, dass das eine Selbstverständlichkeit ist. Aber, nun ja . haben Sie's gemacht?«
Leicht genervt knirsche ich mit den Zähnen und erwidere sein Seufzen. »Ja, Sir, das Problem ist nur, dass man selbst für die allereinfachsten Jobs inzwischen mindestens drei Jahre Erfahrung, ein Diplom in Astrophysik und zwei Trophäen vom Super Bowl benötigt, um auch nur fürs Vorstellungsgespräch in Betracht zu kommen. Leider bin ich aufgrund meines unterdurchschnittlichen IQs und völlig fehlender athletischer Fähigkeiten ganz und gar unvermittelbar.«
Letztlich sind wir uns darin einig, dass es gegenwärtig keine annehmbare Option für mich ist, nach Südafrika zu jetten, um dort ehrenamtlich, nobel und selbstlos in einem Elefantenschutzgebiet zu arbeiten.
Während er durch meine schockierend leere Akte blättert, probiert Mr Rosenqvist es mit einer anderen Taktik. »Welches Schulfach mögen Sie am liebsten?« Dabei versucht er, sein Zusammenzucken zu kaschieren, als sein Blick auf meinen Notendurchschnitt fällt.
Ich überlege eine Weile und zupfe inzwischen an einem losen Faden des gepolsterten Metallstuhls, auf dem ich hocke. »Nicht Mathe, weil ich keine Soziopathin bin.«
Da lacht er sein fröhliches schwedisches Lachen.
»Oder Naturwissenschaften. Siehe oben.«
Wieder ein liebenswertes Glucksen.
Als Feministin habe ich sofort ein schlechtes Gewissen, weil ja inzwischen alle versuchen, Mädchen zu ermutigen, MINT-Fächer zu wählen. Aber ganz ehrlich, meine Hingabe an die Vagenda ist nicht so groß, dass ich mich zwingen würde, Programmiererin zu werden. Manchmal muss man sich eben genau überlegen, wofür man kämpft.
Die Sache ist, dass ich genau weiß, welchen Karriereweg ich gern einschlagen möchte, aber ich fürchte mich irgendwie davor, das laut auszusprechen. Die meisten Beratungslehrer interessieren sich für eine, und nur für eine Sache: dich aufs College zu kriegen. Schulen werden besser bewertet, je mehr Ehemalige von dort ein College-Studium absolvieren. Deshalb hat die Berufsberatung dort auch nichts anderes im Sinn. Wenn etwas nicht zum Fächerkanon der Ivy League gehört, dann lohnt es sich auch nicht. Und ob man es glaubt oder nicht, Comedy wird an Ivy-League-Unis nicht gelehrt.
Außerdem sind die Erfolgschancen in meinem Traumjob nicht hoch. Schon gar nicht für ein Mädchen wie mich.
Rosenqvist macht mit seinem sanften Drängen weiter. »Wie wär's mit Englisch?«
Ich nicke unverbindlich und sage: »Englisch mag ich, vor allem den Bereich Kreatives Schreiben. Und Theater.« Bevor ich mich einbremsen kann, füge ich noch hinzu: »Manchmal schreibe ich Sketche und spiele die vor Freunden. Sie wissen schon, nur so zum Spaß. Das ist nicht ernst gemeint oder so.« Nach dem Kribbeln meiner Wangen zu urteilen, bin ich dabei knallrot geworden.
Aber trotz meines erbärmlichen Gelabers scheint ihm die Wendung, die unser Gespräch genommen hat, zu gefallen. Sein kleiner blond-grauer Schnurrbart hüpft in seinem Gesicht herum wie ein Frettchen, das in einem Verbrennungsmotor stecken geblieben ist.
»FANTASTISCH! VERWIRKLICHEN SIE IHRE TRÄUME, MISS O'NEILL!« [Hab ich's nicht gesagt?]
Jetzt habe ich also trotz der Tatsache, dass das nicht gerade ein verlässlicher Berufsweg ist, einen Rucksack voll Infomaterial über Improvisations-Theatergruppen, Schauspielschulen und Theater, die Skripte zur Prüfung akzeptieren. Ich bin Rosenqvist sogar ziemlich dankbar, weil er meine unkonventionellen Karriereambitionen nicht sofort abgetan hat wie so viele Lehrer vor ihm.
Er hat mir sogar von einem Freund erzählt, der zu vernünftigen Preisen Porträtfotos von Schülern macht. Klar, das klingt unheimlich zwielichtig, aber ich will ihm mal nichts Schlechtes unterstellen. Es wäre ja schon ziemlich traurig, wenn sich rausstellte, dass Mr Rosenqvist als Nebenjob Provision dafür kassiert, seine Schüler an einen pädophilen Fotografen weiterzuempfehleln.
Aufgrund von Mr Rosenqvists fröhlicher Empfehlung bleibe ich freiwillig nach dem Unterricht noch da, um mit Mrs Crannon, unserer fürs Schultheater zuständigen Lehrerin,...
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