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Mein Name ist Spademan. Ich bin Müllmann.
– dieser miese Scheißkerl.
Interessiert mich nicht.
Wollen Sie nicht –?
Nur den Namen.
Ich hab seine Adresse.
Gut.
Wissen Sie, der Scheißkerl hat –
Mir egal, hab ich gesagt.
In Ordnung.
Je weniger ich weiß, desto besser.
Wie viel?
Wie vereinbart. Auf das von mir genannte Konto.
Und wie erfahre ich –?
Sie werden nie wieder von mir hören.
Aber woher weiß ich dann –?
Wenn der Typ tot ist. Dann wissen Sie’s.
Ihre Gründe interessieren mich nicht. Ob er Ihnen Geld schuldet oder Sie geschlagen oder über Ohrs gehauen hat, ob sie Sie betrogen hat oder ob er befördert wurde und Sie nicht, ob Sie seine Frau vögeln wollen oder sie Ihren Mann gevögelt hat oder er Sie in der U-Bahn angerempelt hat, ohne sich zu entschuldigen. Ist mir völlig egal. Ich bin nicht Ihr Beichtvater.
Betrachten Sie mich eher als Ihre Kugel.
Zielen Sie einfach.
– beste Freundinnen. Dachte ich zumindest. Bis sich herausgestellt hat, dass sie mit ihm vögelt.
Ma’am, bitte. Noch ein Wort, und ich leg auf. Dann geht unter der Nummer niemand mehr ran.
Moment. Ist die Verbindung überhaupt sicher?
Was meinen Sie?
Hören die mit?
Natürlich.
Und?
Egal.
Wieso?
Stellen Sie sich Amerika vor.
Okay.
Und jetzt stellen Sie sich vor, wie viele Telefongespräche täglich in jeder Stadt Amerikas geführt werden.
Okay.
Und jetzt stellen Sie sich all die Menschen vor, die am Telefon gerade einen Plan aushecken, um Amerika in die Luft zu jagen.
Okay.
Was glauben Sie, wer interessiert sich da einen Scheiß für Sie und Ihre ehemalige beste Freundin?
Verstehe. Können Sie ihr ausrichten –?
Nein.
Können Sie ihr sagen, dass ich es war? Dass ich Sie beauftragt habe?
Ich bin nicht FedEx. Ich überbringe keine Nachrichten. Kapiert?
Ja.
Gut. Und jetzt den Namen. Nur den Namen.
Ich töte Männer. Und ich töte Frauen, denn ich will nicht diskriminierend sein. Aber ich töte keine Kinder, denn dazu muss man ein echter Psychopath sein.
Ich töte für Geld. Manchmal auch für andere Arten der Bezahlung. Aber immer aus demselben Grund. Weil mich jemand beauftragt hat.
So einfach ist das.
Ein Kumpel von mir, ein Reporter, hat mir mal Folgendes erzählt: Wenn man in einem Zeitungsartikel zu Anfang eine entscheidende Information vergisst, nennt man das »den Aufmacher beerdigen«.
Deshalb wollte ich sicherstellen, dass ich hier nicht den Aufmacher beerdige.
Obwohl es sicher nicht das Erste gewesen wäre, was ich beerdige.
Das klingt vielleicht hart, aber inzwischen läuft das fast zu leicht. Die Stadt ist anders als früher. Sie ist so gut wie verlassen und dämmert im Halbschlaf vor sich hin, ganz besonders am frühen Morgen. Über dem Hudson wird es hell. Sonne auf den Pflastersteinen. Wenigstens hab ich die Stadt jetzt mehr oder weniger für mich allein.
Diese Gebäude waren mal Lagerhäuser. Jetzt sind es Festungen. Tribeca, ein erfundener Name für ein erfundenes Königreich schlafender Prinzen und Prinzessinnen, die sich im obersten Turmzimmer verkrochen haben. Die Arme voller Schläuche. Die Köpfe voller Gott weiß was. Hier unten lassen sie sich nicht blicken, nicht so früh am Morgen, nicht auf den Straßen, wo sie sich unter die lebenden Toten mischen müssten, unter den Plebs.
Ja, das Wort Plebs ist mir geläufig. Hab ich mal auf einer Cornflakesschachtel gelesen.
Ich mochte Manhattan nie besonders, nicht mal, als alle es noch ganz toll fanden, als scharenweise Besucher aus aller Welt einfielen, lächelten und Fotos schossen. Tribeca dagegen mag ich. Ein altes Industrieviertel, ein Überbleibsel aus der Zeit, als in der Stadt tatsächlich noch Güter produziert wurden. Daher komme ich manchmal früh am Morgen hierher, um vor der Dämmerung durch die Straßen zu wandern. Es ist ein letzter stiller Moment, bevor die Leute aufstehen. Die wenigen jedenfalls, die sich überhaupt noch die Mühe machen aufzustehen.
Früher sah man noch Männer, die ihre Hunde Gassi führen. Das war genau die Zeit dafür. Natürlich gibt’s mittlerweile keine Hunde mehr, und wenn Sie doch einen hätten, würden Sie ganz bestimmt nicht mit ihm Gassi gehen, nicht in der Öffentlichkeit, weil das Vieh eine Million Dollar wert wäre und man Sie glatt dafür aufschlitzen würde, sobald Sie um die Ecke biegen und außer Sichtweite Ihres Hauses und Ihres vertrauenswürdigen Pförtners sind.
Ich hab mal einen Mann gesehen, der seinen Eine-Million-Dollar-Hund ausgeführt hat. Auf einem Laufband, in einer Lobby, hinter kugelsicherem Glas.
Oben auf der Franklin schießt ein Kurier mit einer Fuhre Nährlösungsbeutel an mir vorbei. Die Räder seines Rollers holpern über die Pflastersteine. Der Motor jault wie der eines Rasentraktors und killt die Morgenruhe. In der Kühlbox hinten auf dem Roller befindet sich ein flüssiges Frühstück, vermutlich auch das Mittag- und Abendessen, alles in Infusionsbeuteln.
Um diese Zeit am Morgen sind mittlerweile nur noch Krankenschwestern, Pförtner und die Nährlösungs-Kuriere unterwegs. Nimmermüde Angehörige der Dienstleistungsgesellschaft.
So wie ich.
Das Handy klingelt.
– und wie alt ist sie?
Achtzehn.
Sind Sie da sicher?
Spielt das eine Rolle?
Ja. Eine große sogar.
Also, sie ist achtzehn.
Hat sie einen Namen?
Grace Chastity Harrow. Aber sie hat sich einen neuen Namen zugelegt. Persephone. So nennen sie jetzt angeblich ihre Freunde. Vorausgesetzt, sie hat überhaupt Freunde.
Wo wohnt sie?
Inzwischen in New York. Vermute ich mal.
Viele Informationen sind das ja nicht.
Sie ist ’ne dreckige Junkieschlampe –
Regen Sie sich ab, oder ich leg auf.
Sie sind also nur ein Spürhund, richtig?
So ähnlich, ja.
Nur ein Bluthund in einer Welt voller Füchse?
Hören Sie, wenn Sie einen Therapeuten brauchen, haben Sie sich verwählt.
Soweit ich weiß, ist sie irgendwo in New York. Sie ist ausgerissen.
Ich muss diese Frage stellen: Besteht ein Verwandtschaftsverhältnis?
Ich dachte, Sie stellen keine Fragen.
Das ist wichtig.
Mit wem soll sie denn verwandt sein?
Beispielsweise mit T. K. Harrow. Dem berühmten Fernsehprediger.
Wieso, wäre das ein Problem für Sie?
Prominente ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Das macht die Arbeit schwieriger. Und kostet dementsprechend mehr.
Wie schon gesagt, Sie kriegen das Doppelte. Eine Hälfte jetzt, die andere später.
Nein, alles sofort. Und wie schon gesagt, ich muss es wissen. Also?
Ja. Sie hat sein Vertrauen missbraucht und –
Mir egal.
Aber Sie werden es tun?
Ein falscher Name in einer großen Stadt. Das ist nicht gerade eine detaillierte Schatzkarte, die Sie mir da geben. Eher so was wie eine kleine Plastikschaufel an einem kilometerlangen Sandstrand.
Sie hat gesagt, sie will nach New York. In die Camps. Und man nennt sie Persephone. Das ist doch schon mal ein Anfang, richtig?
Wir werden sehen.
Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?
Nur zu.
Sie können einfach so ein Mädchen umbringen?
Ja, kann ich.
Faszinierend.
Bevor Sie mir das Geld überweisen, sollten Sie sich vielleicht dieselbe Frage stellen.
Ich lege auf und kritzle ein einzelnes Wort auf einen Zettel.
Persephone.
Den Zettel schiebe ich in meine Tasche.
Dann nehme ich die SIM-Karte aus dem Handy, zerbreche sie und werfe das Handy in einen Abfluss unter dem Randstein.
Keine Motive, keine Details, keine Hintergrundstorys. Ich weiß nichts und will auch nichts wissen. Ich habe eine Telefonnummer, und wenn Sie die herausgefunden haben, kann...