Schweitzer Fachinformationen
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Samstagmorgens stellte ich den Korb mit den Saatkartoffeln von Marcos oben auf die Mauer, spannte mit zwei Holzpflöcken eine Schnur, nahm die Hacke von dem Ast des Apfelbaumes, wo ich sie am Abend davor aufgehängt hatte, und begann, langsam, aber stetig die erste, gerade Furche in die jetzt lockere, mit Schafmist gedüngte Erde quer durch den für die Aussaat vorgesehenen Acker zu ziehen.
Gemäss meinem Notizbuch war mir vorher auf dem Weg durch das sonst noch stille Dorf zum huerto das Geschrei der Mauersegler aufgefallen. Auch wie sie sich nachher pfeifend zu immer neuen Sturmangriffen formierend, mit rauschendem Gefieder über die terrassierten Äcker hinunterstürzten. Tollkühn und ausgerichtet wie Fliegerstaffeln. Ich hatte auch festgehalten, dass in den ersten Sonnenstrahlen eine Katze von den schreiend ausschwärmenden Vögeln unbeeindruckt auf einer weißen Gartenmauer döste.
Und dass neben dem Kirchturm der Mond auf der Höhe der Uhr voll und rund am blauen Himmel stand.
Noch nicht einmal in der Mitte meiner dritten, schönen, geraden Kartoffelfurche angekommen, erschrak ich, weil Nachbar Joaquín unbemerkt aufgetaucht war und von oben herab sagte:
¡Hombre! Warum um Himmels willen hackst du so wütend drauf?los?
Während es mir durch den Kopf ging, dass ich mich also bemühte, meinen Rhythmus zu verlangsamen und so vorzugehen, wie es sich gehört, dabei aber offensichtlich noch immer den Eindruck erweckte, ich würde hacken wie einer, der nichts begriffen hat, sagte ich: Weil heute der Mond wechselt und ich die Kartoffeln setzen will!
Aber nicht so!, sagte Joaquín. Solche langen Querfurchen anzulegen, mache keinen Sinn. So würde das Wasser beim Bewässern nicht mal bis in die Mitte fließen.
Er zog noch einmal an seiner Zigarette, ließ sie dann fallen, drückte sie mit dem Schuh in den Boden, hob den Stummel auf, steckte ihn in die Hosentasche und kam von dem Weg auf der Mauer über die kleine Rampe in den huerto herunter. Wie selbstverständlich nahm er mir die Hacke aus den Händen, markierte damit eine Rinne der Mauer entlang, dann rechtwinklig dazu noch eine in der Richtung der Pappeln und sagte: Diese Gemüsegärten sind alle so angelegt, dass das Wasser immer Richtung Bachbett fließt, aber nur beschränkt zur Seite umgeleitet werden kann.
Hier, sagte er, das sind zwei Hauptwasserrinnen, nach diesen richtest du alles andere aus. Dann hast du beim Bewässern kein Problem. Auch dann nicht, wenn im Juli das Wasser knapp werden sollte.
Und die Kartoffeln setzt du so.
¡Así!, sagte er mit Nachdruck.
Anstatt meine Furchen weiter zu ziehen, machte er ein Beet, in welchem er erst eine schlangenförmige Rinne in die Erde hackte und dann abermals eine Querrinne anlegte.
Für die Saatkartoffeln, die du dort im Korb hast, brauchst du zweimal vier solche Beete. Hier vier und dann nochmals vier.
Siehst du?
Locker und immer von beiden Seiten die Erde anhäufeln. Ich mache das immer in zwei Arbeitsgängen, sagte er. Es gibt Leute, die machen es in einem einzigen, weil sie es können. Ich mache es aber immer in zwei.
Die Erde bleibe dann schöner und länger gerade.
Und wenn du gräbst oder hackst, sagte er, immer in der Gegenrichtung zum Wasser, das beim Bewässern die Erde wieder in die andere Richtung schwemmen wird.
Aber Vorsicht! So wenig wie möglich in den Beeten rumgehen. Immer, wenn du kannst, in der Bewässerungsrinne bleiben. Denn du bist schwer, für den Boden ist das nicht gut. Um atmen zu können, muss die Erde locker sein.
Bevor sich Joaquín verabschiedete, zündete er sich eine neue Zigarette an und entschuldigte sich leicht verlegen für die vielen Anweisungen, die er mir gebe.
Aber, sagte er, wenn ich ein Buch schreiben wollte, dann könntest du mir auch helfen, weil davon verstehe ich nichts. Dann wärst du derjenige, der Ratschläge erteilt.
Ohne zu erwähnen, dass ich mich mit dem unauffindbaren roten Faden am Schreibtisch gerade mindestens so hilf?los fühlen würde wie hier beim Setzen der Kartoffeln, sagte ich, dass er sich nicht zu entschuldigen brauche und dass ich ihm sehr dankbar sei, ihm deshalb auch eine Flasche Wein vor die Haustür stellen werde.
¡No, no!, sagte er und ging mit einer abwehrend erhobenen Hand dem Kanal entlang davon.
Während ich die Beete in den Acker hackte, wie er sie markiert hatte, hörte ich wieder das Rufen, Zwitschern und Zirpen der Vögel und das leise Tuscheln der Pappeln im Wind.
Meine schönen, geraden, langen Furchen hatte ich bald vergessen.
Beim Setzen drückte ich immer im Abstand einer Schuhlänge eine aufgeschnittene Kartoffel mit der Schnittfläche nach unten und die nächste mit der Schnittfläche nach oben in die Erde. Die einen sagen so, die andern sagen so, dachte ich dabei wiederholt. Dann deckte ich die gesetzten Kartoffeln zu, indem ich eine Hand tief Erde anhäufelte.
Als ich alle Saatkartoffeln aus dem Korb auf die acht Beete verteilt und gesetzt hatte, stieg ich auf den Vorsprung in der Trockenmauer, auf welchem der Kanal und der Weg verlaufen, kniete mich nieder und entfernte erst den flachen Stein, dann das Brett und die alten Lumpen, die während des Winters die Zuleitung zu meinem huerto verschlossen hatten, und machte damit den Kanal dicht. Das Wasser staute sich, der Pegel stieg an und erst sparsam, dann immer opulenter fiel es sprudelnd in die angelegte Rinne hinunter und schlängelte sich wie von Joaquín geplant im ersten Beet um die frisch und mondgerecht gesetzten Kartoffeln herum.
Am Sonntag weckte mich schon früh ein bellender Hund.
Ich schlüpf?te in Hose und Hemd, kochte mir in der Küche einen Kaffee und suchte hier am Schreibtisch bei offenen Fenstern nach dem roten Faden meiner Arbeit. Wegen des nun heftiger wehenden Windes stand ich wieder auf, um das nach Norden gehende Fenster zu schließen, und bald darauf starrte ich auf die schwarzen Ränder an meinen Fingernägeln und musste mir eingestehen, dass meine inzwischen schon schwielige rechte Hand lieber wieder zu der Hacke als zu der Feder greifen würde. Ich zwang mich, mehrere Sätze zu Ende zu schreiben, obschon ich jeweils schon nach ein oder zwei Wörtern den Verdacht hegte, dass sie nicht wirklich in sich stimmten und nirgends hinführten. Ich ersetzte vermeintlich unpassende Wörter durch neue, die mir schon beim zweiten Lesen noch unpassender vorkamen als die alten, und ich änderte unablässig die Abfolge der Satzteile, aber was ich fabrizierte, deckte sich nicht im Geringsten mit jenen Empfindungen, denen ich meinte, Ausdruck verleihen zu müssen.
Bevor ich nach Morella auf den Markt fuhr, ging ich noch einmal in den huerto. Ich hatte das Dorf schon hinter mir, als ich ein Motorengeräusch hörte. Es war der Geländewagen von María Angeles, die zusammen mit ihrem Bruder den zweiten der beiden noch übriggebliebenen Höfe des Dorfes bewirtschaftete. Mit einem Viehanhänger am Heck rollte sie langsam zu der Brücke hinunter, wo sie anhielt.
Näher kommend sah ich, dass sie ein gutes Dutzend leicht unruhige Lämmer geladen hatte. Sie hatte das Fenster heruntergelassen, streckte einen Ellbogen heraus und war mit ihrem Mobiltelefon beschäftigt. Ich grüßte und María Angeles sagte, als schuldete sie mir eine Erklärung: Milchlämmer! Milchlämmer für das Schlachthaus.
Sie würden hier abgeholt.
Dann wiederholte sie es: Ins Schlachthaus, nachdem es uns so viel Mühe gekostet hat, sie aufzuziehen.
Weil mir nichts anderes einfiel, sagte ich: Und auch noch an einem Sonntag.
¡Así es la vida! So ist das Leben!, antwortete sie und lachte.
Auf dem schmalen Weg, der von der Straße abzweigt und dem Kanal entlang, an den anderen huertos vorbei, zu dem meinen führt, dachte ich, dass ich genau dies am Vortag beim Setzen der Kartoffeln nach den sich widersprechenden Anweisungen meiner gutmeinenden Nachbarn auch in mein Notizbuch geschrieben hatte: Die einen sagen so, die andern so. ¡Así es la vida! So ist das Leben.
Beim Betrachten der von der Nässe dunklen Beete von der Mauer herab, freute ich mich. Immerhin!, sagte ich mir. Wenn ich am Schreibtisch schon nicht vom Fleck komme, wenigstens hier habe ich etwas geschafft.
In Morella, wo auf Grund eines alten Sonderrechts sonntags immer ein Markt stattfinden darf und ich mich bei den Gemüseständen um Setzlinge kümmern wollte, kauf?te ich zuerst El País und La Vanguardia.
Und ich fragte den Buchhändler, der nebenbei auch Zeitungen verkauft, ob er etwas von Josep Pla hier habe. Er glaube El cuaderno gris sei da, aber eben auf Spanisch, nicht auf Katalanisch.
Während er es in einem nahen Regal suchte, fragte er: Schon in den Ferien?
Na ja, sagte ich, Ferien ist nicht das richtige Wort.
Von denen, die hierherkommen, sagen wir halt, sie seien in den Ferien.
Aber ich arbeite, sagte ich und dachte, was die Kartoffeln betrifft, stimmt das sogar. Dann sagte ich noch: Und ich lese.
Wir, die wir Literatur lesen, wir haben immer zu tun, antwortete der Buchhändler.
Genau. Eso es cierto. Aber ganz sicher, sagte ich, kauf?te, weil ich keinen dabei hatte, noch einen Kugelschreiber und steckte alles in meine Tasche.
Adiós und viel Vergnügen mit Josep Pla, er gehört zum Feinsten, was wir zu bieten haben, sagte der Buchhändler zum Abschied.
Zu meinem großen Bedauern war der Laden, in welchem ich sonst immer bei einem Kaffee einen ersten Blick in die Zeitungen geworfen hatte, geschlossen und in einen Souvenirshop verwandelt worden. Ich setzte mich in einer nahen Cafébar an einen Tisch auf der Gasse....
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