Schweitzer Fachinformationen
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»Wo warst du?«, fragte Margit, als Thomas mit einer Plakatrolle in der Hand zurück in den Konferenzraum kam. Nach dem Gespräch mit Britta Rosensjöö war er für zehn Minuten verschwunden.
Sie sah die Rolle an.
»Was hast du da?«
»Eine Seekarte. Aus dem Büro des Hafenmeisters.«
Er rollte das Plakat auf dem Konferenztisch aus, eine große Seekarte in Blau und Gelb. Dann nahm er vier Mineralwasserflaschen von einem Tablett und stellte sie auf die vier Ecken des Blattes, damit sie glatt liegen blieben.
Margit beugte sich vor, um besser sehen zu können. Sie hatte nicht viel Ahnung vom Bootssport und war deshalb nicht besonders geübt in der Kunst, nautische Anweisungen zu lesen.
»Was stellt das dar?«
»Das Startgebiet der Gotland-Runt-Regatta. Hier«, Thomas zeigte auf einen Punkt im oberen Teil, »das ist Sandhamn. Südöstlich von Sandhamn liegt das Leuchtfeuer Revengegrundet. Von da aus wird gestartet.«
»Auf dem offenen Meer also?«
»Genau.«
Thomas nahm einen Stift und zeichnete zwei kleine Kreuze ein.
»Hier haben wir die Startlinie an dem Tag, an dem Juliander ermordet wurde«, fuhr er fort. »Das linke Kreuz ist die Luv-Flagge, das rechte die Lee-Flagge. Die Boote versuchen, im Moment des Starts so dicht wie möglich an Luv zu liegen.«
»Warum?«
»Weil sie dort am meisten Wind bekommen. Wind weht immer von Luv nach Lee.«
Margit nickte, machte aber ein Gesicht, als hätte sie es noch nicht ganz verstanden.
Es klopfte kurz, dann steckte ein grauhaariger Mann den Kopf zur Tür herein.
»Entschuldigung«, sagte er. »Störe ich?«
Er blieb in der Tür stehen und schien auf Antwort zu warten.
Thomas schüttelte den Kopf und winkte ihn herein.
»Kommen Sie«, sagte er. »Wir sehen uns gerade eine Seekarte über das Startgebiet an. Sie sind genau der Mann, den wir brauchen.«
Fredrik Winbergh trat ein. Er trug Jeans und ein hellblaues Poloshirt und hatte sich einen dunkelblauen Pullover locker um die Schultern geschlungen. Der Blick hinter der Hornbrille war wach und intelligent.
Er gab Thomas und Margit die Hand und blickte erstaunt auf die Seekarte vor ihnen auf dem Tisch.
»Womit kann ich behilflich sein?«, fragte er vorsichtig. Er war nicht mehr so geschockt wie am Tag zuvor, aber deutlich erschüttert über den Verlust. Seine Augenlider waren leicht geschwollen.
Thomas lächelte ihn beruhigend an.
»Ich möchte, dass Sie einzeichnen, wo die Emerald Gin sich im Augenblick des Starts befand. Haben Sie Übung darin, Abstände zu schätzen?«
Fredrik Winbergh nickte stumm und nahm den Stift, den Thomas ihm hinhielt. Er beugte sich über die Seekarte und malte mit sicherer Hand einen kleinen Punkt wenige Millimeter neben das Kreuz, das die Luv-Flagge markierte. Dann blickte er mit einem kummervollen Lächeln zu Margit und Thomas.
»Ich habe mein Leben lang Seekarten gelesen. Ich war der Navigator an Bord. So war das schon immer, Oscar war der Skipper und ich habe navigiert. Ich kann Winkel und Kurse im Schlaf anlegen, falls nötig.«
»Ausgezeichnet«, sagte Thomas. »Denn jetzt brauchen wir Ihre Hilfe bei etwas, das schwieriger ist. Können Sie sich erinnern, wo Sie im Verhältnis zu Juliander gestanden haben?«
Fredrik Winbergh nickte wieder. Ein Schatten legte sich über seinen Blick, so als hätte er die Szene wieder vor Augen, wie einer seiner besten Freunde direkt neben ihm erschossen wurde.
»Ich stand ungefähr einen Meter rechts von ihm. Aber schräg hinter ihm, nicht daneben.«
»Wie sicher sind Sie sich da?«, fragte Margit.
»Ganz sicher. Ich hatte mein rechtes Knie auf der Steuerbordbank abgestützt. Ich habe einen alten Meniskusschaden, wissen Sie, deshalb tut mein Knie in bestimmten Situationen weh, zum Beispiel, wenn ich auf See die Wellenbewegungen abfangen muss. Deshalb versuche ich, es so weit wie möglich zu entlasten.«
»Okay«, sagte Margit.
»Oscar stand eine Idee in Richtung Luv-Boje gewandt«, fuhr Winbergh fort, »er konzentrierte sich auf den Start, während wir gleichzeitig versuchten, die anderen Boote im Auge zu behalten. Um nicht mit jemandem zu kollidieren.«
»Wir wüssten gern, ob Sie eine Vorstellung davon haben, aus welcher Richtung die Kugel kam«, sagte Thomas. »Bitte denken Sie genau nach. Am wichtigsten ist, ob Sie sich an den Winkel zwischen der Startflagge und Ihrer eigenen Position erinnern.«
»Das ist nicht so einfach«, murmelte Fredrik Winbergh, während er die Seekarte studierte. »Ich kann es versuchen. Aber nageln Sie mich bitte nicht fest.«
»Alles, woran Sie sich erinnern, ist hilfreich für uns«, beruhigte Thomas ihn. »Wir vergleichen Ihre Angaben mit der kriminaltechnischen Analyse zum Einschusswinkel. Das kann unsere Chance vergrößern, den Schützen zu finden.«
Er blickte Winbergh aufmerksam an und zeigte dann auf die Seekarte.
»Wir untersuchen, ob der Schuss von einem anderen Boot kam, und bisher haben wir nichts gefunden, was dagegen spricht. Die Frage ist, wo dieses Boot sich im Verhältnis zu Ihrer Position befand.«
Thomas lächelte aufmunternd, und Fredrik Winbergh schloss die Augen, als versuchte er, die Bilder jener entscheidenden Minuten wieder heraufzubeschwören, die für seinen Freund den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeutet hatten. Dann öffnete er sie wieder, starrte auf die Seekarte und griff entschlossen zum Stift.
Ohne dass seine Hand zitterte, zeichnete er eine Pyramide mit der Spitze in dem kleinen Punkt, der die Emerald Gin symbolisierte. Die Basis der Pyramide zeigte nach rechts, zum Zuschauerbereich.
Er legte den Stift weg und sah mit ernstem Gesicht zu Margit und Thomas.
»Ich fürchte, besser als so wird es nicht. Aber der Schuss muss irgendwo von rechts gekommen sein.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Thomas.
»Ich glaube, ich habe den Windzug gespürt. Und backbord, also links von uns«, erklärte er, »waren nur die anderen Teilnehmer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Schuss von einem Konkurrenten gekommen ist.«
»Weil .?«, hakte Margit nach.
»Wie sollte jemand das im Moment des Starts schaffen?«, sagte Winbergh. »Vor der gesamten Besatzung.«
Thomas nickte Fredrik Winbergh zu.
»Vielen Dank. Falls das hier mit den technischen Untersuchungen übereinstimmt, können wir die anderen Regattateilnehmer ausschließen. Ebenso wie Ihre eigene Mannschaft. Das dürfte die Zahl der Verdächtigen deutlich verringern.«
»Haben Sie schon eine Spur?«, fragte Fredrik Winbergh. Seine angespannte Miene hatte sich bei Thomas' Worten ein wenig gelockert.
»Wir tun, was wir können«, antwortete Margit.
»Sagen Sie, warum heißt das Boot eigentlich Emerald Gin?«, platzte Thomas heraus.
Fredrik Winbergh lächelte schwach.
»Das war typisch Oscar. Er liebte trockene Martinis, konnte nie genug davon kriegen. Wissen Sie, was der beste Gin für einen richtig guten Martini ist?«
Thomas schüttelte den Kopf. Er bevorzugte Bier.
»Tanqueray Gin. Englisch, in einer grünen Flasche.«
»Aha?«, sagte Thomas gedehnt.
»Oscar machte einen Deal mit dem Hersteller. Sie sponserten uns die Segel, grüne natürlich, und versorgten uns mit unbegrenzten Mengen Gin. Das Boot bekam den Namen Emerald Gin und der Rumpf einen grünen Anstrich. Oscars Lieblingsfarbe, übrigens.«
»Verstehe«, sagte Thomas.
»Und alle waren zufrieden«, ergänzte Winbergh.
»Da ist noch eine Frage, die wir stellen müssen«, sagte Margit. »Ist Ihnen bekannt, ob Oscar Juliander Feinde hatte?«
Winbergh schüttelte den Kopf.
»Nicht dass ich wüsste. Aber in seinem Beruf schafft man sich bestimmt welche. Und er hatte jede Menge Affären, das muss ich sagen. Da sollten Sie wohl mal nachhaken.«
»Affären, von denen seine Frau wusste?«, fragte Thomas.
»Schwer zu sagen. Oscar war in der Regel diskret, aber unter seinen Freunden war das kein Geheimnis.«
»Gibt es sonst noch etwas, von dem Sie meinen, dass wir es wissen sollten? Bitte überlegen Sie genau. In dieser Situation ist jede Information wichtig für uns.«
Fredrik Winbergh, der bis dahin über den Tisch gebeugt gestanden hatte, setzte sich jetzt auf den Stuhl. Seine Schultern sanken eine Idee herab. Auf seinem Gesicht erschien ein gequälter Ausdruck.
Thomas und Margit wechselten einen Blick.
»Erzählen Sie einfach, was Sie wissen«, ermunterte Margit ihn. »Wenn wir den Täter finden sollen, müssen wir so viel wie möglich über Oscar in Erfahrung bringen.«
Winbergh zögerte immer noch, aber dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben.
»Ich glaube, Oscar war in etwas verwickelt, was nicht ganz astrein war.«
»Warum glauben Sie das?«, fragte Margit.
»Weil er in der letzten Zeit so unruhig wirkte. Ständig auf Hochtouren lief. Oscar hatte ja immer tausend Eisen im Feuer, aber es war etwas Gehetztes an ihm, was ich nicht von ihm kannte. Ich dachte schon, er nimmt .« Winbergh verstummte.
»Nimmt was?«, sagte Thomas. Er wollte ihm die Worte nicht in den Mund legen.
»Keine Ahnung. Drogen vielleicht.« Fredrik Winbergh klang bedrückt.
»Drogen? Woran denken Sie dabei?«
Winbergh zuckte unsicher mit den Schultern.
»Oscar war kein Waisenknabe, was Alkohol anging. Aber ich hatte ihn oft genug abgefüllt erlebt, um zu merken, wann er getrunken hatte. Und in den Situationen, an die ich denke, stand er nicht unter Alkohol.«
»Wieso sind Sie sich da so sicher?«, fragte Margit.
»Es war etwas in seiner Persönlichkeit,...
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