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Es war Zeit für Niklas Winnerman, seine Version darzustellen.
Nora lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Auch wenn der Verteidiger die Situation anders beschreiben würde, war sie es, die die Agenda bestimmt hatte.
Die verschiedenen Phasen einer Hauptverhandlung waren in der Strafprozessordnung genau festgelegt, wie bei einem klassischen Schauspiel in fünf Akten. Auf den Vortrag der Anklage durch den Staatsanwalt folgten die Erwiderung der Verteidigung, die Beweisaufnahme mit der Aussage der Parteien und Zeugen, die Schlussplädoyers und schließlich der Urteilsspruch.
Wie erwartet hatten Niklas Winnerman und Bertil Svensson ihre Schuld nicht eingestanden. Nun würden sie die Gelegenheit erhalten, sich unter Anleitung ihrer Verteidiger im bestmöglichen Licht darzustellen.
Jacob Emilsson hatte bereits begonnen, sich warmzulaufen.
Barbro Wikingsson erteilte ihm das Wort.
»Niklas«, begann Emilsson. »Wie ist es zu alldem gekommen?«
Die Frage war rein rhetorisch.
»Ich denke, wir gehen an den Anfang der Geschichte zurück, Niklas, damit wir ein vollständiges Bild des Handlungsverlaufs erhalten.«
Jacob Emilsson lächelte zum Richtertisch.
»Die Staatsanwältin hat Sie als hinterlistigen Geschäftsmann dargestellt, der sich bereichern wollte. Deshalb finde ich, dass Sie, Niklas, uns jetzt erzählen sollten, was wirklich passiert ist.«
Er hatte Winnerman dreimal innerhalb von sechzig Sekunden beim Vornamen genannt. In Noras Ohren klang das wie ein schlechter Abklatsch amerikanischer Gerichtssitten, aber für gewöhnlich wusste Emilsson, was er tat.
»Wann haben Sie begonnen, über dieses Geschäft nachzudenken, Niklas?«, fragte Jacob Emilsson und nannte wieder den Vornamen.
Niklas Winnerman hob den Kopf, sodass die große Schürfwunde unter seinem Kinn deutlich sichtbar wurde. Er schien sich immer noch unwohl zu fühlen und saß steif auf seinem Stuhl.
»Das war im Dezember 2012. Ich wurde von Vertretern der Firma Druvan kontaktiert, die eine Option auf ein sehr attraktives Bebauungsrecht besaß. Ich wusste sofort, dass unser Unternehmen es optimal würde nutzen können.«
»Wie funktioniert so ein Bebauungsrecht in der Praxis? Können Sie uns Branchenfremden das erklären?«
»Es nennt sich Bebauungsrecht, ist aber eher eine Flächenzuteilung. Eine Art Übereinkunft zwischen einer Kommune und einem Bauträger, die das Exklusivrecht beinhaltet, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens ein kommunales Grundstück zu bebauen.«
»Wie wird der Wert eines solchen Bebauungsrechts ermittelt?«
»Durch eine ganze Reihe von Faktoren. Wo das Grundstück liegt, rein geografisch gesehen, welche Infrastruktur vorhanden ist, ob Geschäfte in der Nähe sind.«
»Also wäre ein Bebauungsrecht in der Kommune Solna, unweit der Stockholmer Innenstadt, wertvoller als eins in, sagen wir, Lappland?«
»Das ist richtig.«
»Wie konnten Sie den Wert gerade dieses Bebauungsrechts bestimmen?«, fragte Emilsson.
»Ich habe es mit ähnlichen Objekten verglichen. Wir arbeiteten bereits mit anderen Kommunen rund um Stockholm zusammen. Da war es nicht schwer, ein angemessenes Preisniveau zu ermitteln.«
Emilsson schafft es, der Befragung den Anstrich eines ganz normalen Gesprächs zu geben, dachte Nora. Aber jedes Mal, wenn er eine Frage an Winnerman richtete, brachte er neue Informationen darin unter.
»Im konkreten Fall einigten Sie sich auf einen Betrag von zehn Millionen Kronen, wie haben Sie den begründet?«
»Das war ein guter Preis, da die Laufzeit fast fünf Jahre betrug. Das gab uns genügend Zeit, das Projekt zu entwickeln. Wir hatten geplant, Eigentumswohnungen zu bauen. Wohnungen in Stockholm sind Mangelware, es hätte sich richtig gelohnt.«
»Sie wollten ein gutes Geschäft machen?«
Niklas Winnerman nickte, es wirkte leicht verbissen.
»Genau. Vielleicht war ich ein bisschen zu ehrgeizig, aber ich war überzeugt, dass für uns ein anständiger Gewinn herausspringen würde, wenn wir hier zugriffen.«
Ja, vielen Dank auch, dachte Nora. Zehn Millionen, direkt in deine Tasche.
»Wie hat Druvan Sie kontaktiert?«, fragte Emilsson.
»Ich bekam eine Mail.«
»Hatten Sie früher bereits Geschäfte mit Druvan gemacht? Woher wussten Sie, dass es eine seriöse Firma war?«
Winnerman wand sich unbehaglich.
»Die meisten Akteure in der Branche sind vertrauenswürdig, genau wie wir.«
Es einmal waren, ergänzte Nora stumm.
»Was passierte danach?«
»Wir schickten ein paar Mails hin und her. Schließlich verabredeten wir ein persönliches Treffen. Ich traf mich mit dem Firmenanwalt, der alle Unterlagen und Verträge dabeihatte.«
»Wo haben Sie sich getroffen?«
»In einem Konferenzraum am Hauptbahnhof.«
»Also nicht in Ihrer Firma?«
»Nein. Firma Druvan saß in Örebro, deshalb schlugen sie vor, dass wir uns im Konferenzzentrum in der Vasagatan treffen sollten. Das ersparte mir die Reise, ich fand das ganz praktisch.«
Jacob Emilsson hörte aufmerksam zu, als sei jedes Wort, das sein Mandant von sich gab, eine völlig neue Information. Aber all das stand bereits in den Protokollen der Verhöre, die Leila durchgeführt hatte, Nora hatte sie viele Male gelesen.
»Nur Sie beide haben sich damals getroffen?«, fragte Emilsson.
»Ja. Ihr Geschäftsführer hätte auch dabei sein sollen, war aber verhindert. Grippe.«
»Wie ging es anschließend weiter?«
»Ich bin nach Hause gefahren und habe die Kalkulationen durchgerechnet. Dabei bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass wir das Geschäft machen sollten, es war einfach zu gut, um es auszuschlagen.«
»Haben Sie daraufhin mit Ihrem Kompagnon über die Sache gesprochen?«
»Weihnachten stand vor der Tür, Christian war mit seiner neuen Familie verreist. Ich beschloss, nach seiner Rückkehr im Januar mit ihm darüber zu reden. Aber ich hatte das Thema ihm gegenüber bereits erwähnt.«
»Erzählen Sie uns von der Diskussion mit Ihrem Kompagnon.«
»Ich beschrieb Christian den Sachverhalt, legte ihm alle Verträge vor und die Kalkulationen, die ich aufgestellt hatte. Er hielt es auch für ein interessantes und lohnendes Geschäft.«
»Er behauptet, er habe entschieden davon abgeraten.«
Niklas Winnermans Gesicht rötete sich.
»Ich verstehe nicht, warum er das sagt. Er war absolut dafür, dass wir den Deal machen.«
Emilsson rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Aber Sie haben die Verträge allein unterschrieben«, sagte er. »Christian Dufvas Unterschrift fehlt auf den Dokumenten.«
»Wir wollten ja beide unterschreiben. Aber ausgerechnet an dem Tag bekam Christian eine Magen-Darm-Grippe. Die Sache war eilig, Druvan hatte noch ein anderes Angebot vorliegen, und das Geschäft drohte uns durch die Lappen zu gehen.«
Nora fragte sich, ob das Gericht den defensiven Unterton in Winnermans Stimme bemerkte. Einer der Schöffen, Sven-Åke Hult, machte sich jedenfalls Notizen.
»Natürlich hätten Christian und ich den Vertrag gemeinsam unterschreiben sollen«, räumte Niklas Winnerman ein. »Aber hin und wieder kam es vor, dass einer von uns einen Vertrag mit dem Einverständnis des anderen allein unterschrieb.«
Jetzt war seine Unsicherheit deutlich herauszuhören.
»Das ist manchmal so in der alltäglichen Routine, nicht wahr?«, sagte Jacob Emilsson und wandte sich an das Gericht. »Wir haben es wohl alle schon mal mit den Vorschriften nicht so genau genommen.«
Er lächelte nachsichtig.
»Fahren Sie fort, Niklas.«
»Nachdem alles unterschrieben war, habe ich den Vertrag per Boten zurückgeschickt und die Überweisung der Vertragssumme veranlasst.«
»Die Vertragssumme«, wiederholte Emilsson. »Lassen Sie uns darüber reden. Das war ein ziemlich hoher Betrag. Ich kann mir vorstellen, dass Sie ganz schön nervös waren, eine solche Summe anweisen zu müssen.«
Niklas Winnerman hob die Arme leicht an und öffnete die Handflächen.
»Das hört sich nach viel Geld an, ist aber tatsächlich in unserer Branche keine besonders hohe Summe. Wir hatten Projekte, da sind fünfzig Millionen oder mehr geflossen.«
Eigentor.
Nora sah sofort, dass Annika Sandberg und Sven-Åke Hult anderer Meinung waren. Zehn Millionen waren eine enorm hohe Summe, vor allem, wenn sie in den Taschen eines Betrügers landete.
»Aber ich bin natürlich mit Firmengeldern immer sehr vorsichtig umgegangen«, fügte Winnerman hinzu.
Zu spät. Sogar der hagere Protokollant Dennis Grönstedt hatte jetzt einen missbilligenden Zug um den Mund. Was mochte er verdienen, vielleicht fünfundzwanzigtausend Kronen im Monat? Er müsste mehr als dreißig Jahre arbeiten, um zehn Millionen anzuhäufen. Vor Steuern.
Jacob Emilsson merkte sofort, dass es in die falsche Richtung lief.
»Danach hatten Sie furchtbares Pech?«, wechselte er das Thema.
»Alles ging den Bach runter«, murrte Winnerman und fasste sich an die Rippen.
»Können Sie das etwas genauer ausführen? Was lief schief?«
»Eine Zahlung dieser Größenordnung wäre normalerweise kein Problem gewesen, aber gleichzeitig gab es bei einem anderen Projekt unerwartet Schwierigkeiten. Plötzlich geriet die Liquidität unserer Firma unter Druck.«
»Hätten Sie nicht zur Bank gehen und einen Kredit aufnehmen können?«
»Wir hatten bereits einen. Unsere Bank wollte ihn nicht aufstocken, nicht als sich herausstellte, dass das Bebauungsrecht wertlos war. Die Bank hat uns den Teppich unter den Füßen weggezogen, wenn sie anders reagiert hätte, wäre die Firma nicht pleitegegangen.«
Niklas Winnerman...
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