1 - Martina Steinmetz: Taschenatlas Akupunktur beim Pferd [Seite 1]
1.1 - Martina Steinmetz [Seite 3]
1.2 - Innentitel [Seite 4]
1.3 - Vorwort [Seite 7]
1.4 - Inhaltsverzeichnis [Seite 8]
2 - Teil 1 Grundlagen der Akupunktur [Seite 12]
2.1 - 1 Einleitung [Seite 13]
2.1.1 - Geschichte [Seite 14]
2.1.2 - Konzepte [Seite 15]
2.2 - 2 Grundlagen der TCVM [Seite 17]
2.2.1 - Yin und Yang [Seite 17]
2.2.1.1 - Yin und Yang in der Medizin [Seite 19]
2.2.2 - Fünf Elemente (Wandlungsphasen, "Wu Xing") [Seite 20]
2.2.2.1 - Wechselbeziehungen der Fünf Elemente [Seite 20]
2.2.3 - Die Grundsubstanzen [Seite 25]
2.2.4 - Substanzen des Lebens [Seite 25]
2.2.4.1 - Qi [Seite 25]
2.2.4.2 - Blut (Xue) [Seite 26]
2.2.4.3 - Körperflüssigkeiten (Jin Ye) [Seite 27]
2.2.4.4 - Essenz (Jing) [Seite 27]
2.2.4.5 - Geist (Shen) [Seite 28]
2.2.5 - Zang Fu [Seite 28]
2.2.5.1 - Funktionen der Organe [Seite 28]
2.2.6 - Konstitutionstypen [Seite 29]
2.2.6.1 - Wandlungsphase Holz [Seite 30]
2.2.6.2 - Wandlungsphase Feuer [Seite 30]
2.2.6.3 - Wandlungsphase Metall [Seite 30]
2.2.6.4 - Wandlungsphase Erde [Seite 31]
2.2.6.5 - Wandlungsphase Wasser [Seite 31]
2.2.7 - Pathologie und Krankheitsursachen [Seite 32]
2.2.7.1 - Innere Krankheitsursachen [Seite 32]
2.2.7.2 - Äußere Krankheitsursachen [Seite 33]
2.2.7.3 - Sonstige Krankheitsursachen [Seite 33]
2.2.7.4 - Symptom, Syndrom und Muster [Seite 34]
2.3 - 3 Meridiane (Jing Luo) [Seite 35]
2.3.1 - Konzept der Meridiane [Seite 35]
2.3.2 - Hauptmeridiane (Jing Mai) [Seite 36]
2.3.3 - Divergente Meridiane (Jing Bie) [Seite 40]
2.3.4 - Verbindungsmeridiane (Luo Mai) [Seite 40]
2.3.5 - Tendino-muskuläre Meridiane (Jing Jin) [Seite 40]
2.3.6 - Hautgefäße, Hautregionen [Seite 40]
2.3.7 - Außerordentliche Meridiane (Acht Außerordentliche Gefäße, Qi Jing Ba Mai) [Seite 41]
2.4 - 4 Akupunkturpunkte [Seite 43]
2.4.1 - Systematik der Meridianpunkte [Seite 44]
2.4.1.1 - Antike Punkte [Seite 44]
2.4.1.2 - Elementpunkte, Tonisierungspunkte, Sedierungspunkte [Seite 45]
2.4.1.3 - Ting-Punkte [Seite 46]
2.4.1.4 - Spalten-Xi-Punkte [Seite 46]
2.4.1.5 - Quell-Yuan-Punkte [Seite 47]
2.4.1.6 - Vernetzungs-Luo-Punkte [Seite 47]
2.4.1.7 - Rücken-Shu-Punkte [Seite 48]
2.4.1.8 - Alarm-Mu-Punkte [Seite 48]
2.4.1.9 - Einflussreiche-Hui-Punkte [Seite 49]
2.4.1.10 - Meisterpunkte der Körperregionen [Seite 49]
2.4.1.11 - Untere-Meer-Punkte [Seite 49]
2.4.1.12 - Punkte der 4 Meere [Seite 49]
2.4.1.13 - Schlüsselpunkte [Seite 49]
2.5 - 5 Diagnostik und Identifikation des Musters [Seite 50]
2.5.1 - Diagnose [Seite 50]
2.5.1.1 - Sehen [Seite 50]
2.5.1.2 - Hören und Riechen [Seite 50]
2.5.1.3 - Fragen [Seite 50]
2.5.1.4 - Palpation [Seite 51]
2.5.2 - Identifikation von Mustern [Seite 51]
2.5.2.1 - Identifikation nach diagnostischen Leitkriterien [Seite 51]
2.5.2.2 - Identifikation nach pathogenen Faktoren [Seite 51]
2.5.2.3 - Identifikation nach den Meridianen [Seite 51]
2.5.2.4 - Weitere Methoden der Identifikation [Seite 52]
2.6 - 6 Therapie [Seite 53]
2.6.1 - Indikationen, Kontraindikationen, Nebenwirkungen [Seite 53]
2.6.2 - Syndrom- und Musterbehandlung [Seite 54]
2.6.3 - Punkteauswahl und Kombination [Seite 55]
2.6.3.1 - Balance [Seite 55]
2.6.3.2 - Nah- und Fernpunkte [Seite 55]
2.6.3.3 - Korrespondenzprinzip [Seite 55]
2.6.4 - Akupunkturtechnik und -praxis [Seite 55]
2.6.4.1 - Lokalisation, Körpermaße, Auffinden [Seite 56]
2.6.4.2 - Akupunktur mit Nadel und Moxa [Seite 56]
2.6.4.3 - Einstichtechnik, Stichtiefe und -richtung [Seite 58]
2.6.4.4 - Sonstige Stimulationsmöglichkeiten von Akupunkturpunkten [Seite 59]
3 - Teil 2 Atlas der Akupunkturpunkte [Seite 60]
3.1 - 7 Lungenmeridian [Seite 63]
3.2 - 8 Dickdarmmeridian [Seite 77]
3.3 - 9 Magenmeridian [Seite 97]
3.4 - 10 Milz-Pankreas-Meridian [Seite 135]
3.5 - 11 Herzmeridian [Seite 153]
3.6 - 12 Dünndarmmeridian [Seite 161]
3.7 - 13 Blasenmeridian [Seite 177]
3.8 - 14 Nierenmeridian [Seite 223]
3.9 - 15 Perikardmeridian [Seite 241]
3.10 - 16 Dreifach-Erwärmer-Meridian [Seite 249]
3.11 - 17 Gallenblasenmeridian [Seite 265]
3.12 - 18 Lebermeridian [Seite 291]
3.13 - 19 Lenkergefäß [Seite 303]
3.14 - 20 Konzeptionsgefäß [Seite 321]
3.15 - 21 Extrapunkte [Seite 337]
3.16 - 22 Traditionelle Punkte [Seite 341]
4 - Anhang [Seite 354]
4.1 - 23 Sachverzeichnis [Seite 355]
1 Einleitung
Definition
Die „westliche“ Bezeichnung leitet sich ab von den lateinischen Begriffen „acus“ für Nadel und „punctio“ für Stechen.
Als Akupunktur wird im weitesten Sinne jede Heilmethode bezeichnet, bei der durch Stimulation von bestimmten Punkten die heilende Selbstregulation des Körpers angeregt wird. Im engeren Sinne wird damit das Verfahren bezeichnet, bei dem zu therapeutischen Zwecken Nadeln in bestimmte Körperpunkte eingestochen bzw. diese Punkte durch Moxibustion erwärmt werden.
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist die Akupunktur Teil eines ganzheitlichen Konzeptes. Hier wird für Akupunktur der Begriff „Zhenjiu“ verwendet, der die Wortstämme für „Nadel“ und „Erwärmen“ enthält. Dies bezieht sich auf die heilende Einwirkung der Nadelung oder der Erwärmung von Akupunkturpunkten z.B. mittels Brennzigarren aus Beifußkraut (Moxibustion).
Akupunktur ist eines der am meisten verbreiteten Naturheilverfahren in Human- und Tiermedizin. Sie ist nach sorgfältiger Prüfung durch die WHO (World Health Organisation) als empfehlenswerte Therapiemethode eingestuft. Dabei wird sie sowohl als Monotherapie als auch als Zusatztherapie vor allem bei funktionellen Störungen eingesetzt.
Die Anwendung der Akupunktur ist in der „Pferdeszene“ heute nicht mehr wegzudenken. Sie findet in ihren verschiedenen Formen weltweit Anwendung in Prophylaxe, Diagnostik und Therapie sowohl von Sport- als auch von Freizeitpferden. Dennoch ist die Akzeptanz in der Schulmedizin und Lehre an den (westlichen) Universitäten zögerlich. So ist die Lehre der Akupunktur noch nicht im Curriculum der veterinärmedizinischen Universitäten hierzulande zu finden. Aber als zusätzliche Weiterbildung, bzw. sogenannte „Zusatzbezeichnung“, wird die Veterinär-Akupunktur in den Deutschen Tierärztekammern geführt. Die Ausbildung dazu können Tierärzte in anerkannten Weiterbildungskursen machen, die von verschiedenen Anbietern organisiert und durchgeführt werden.
Seit mehreren Jahrzehnten bereits wird von der IVAS ein gut strukturiertes Curriculum vorgelegt, das weltweit von den jeweiligen „Tochterorganisationen“ in der Grundausbildung Veterinärakupunktur für Tierärzte/-innen umgesetzt wird. In Deutschland ist die GerVAS (German Veterinary Acupuncture Society) die entsprechende Organisation.
1.1 Geschichte
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und TCVM hat sich die Akupunktur als Teil eines gesamtheitlichen Behandlungskonzeptes über Jahrtausende entwickelt. Es wird angenommen, dass die Anfänge der Akupunktur etwa 4000 Jahre zurückliegen, was archäologische Funde von spitzen Steinen an steinzeitlichen Kultstätten vermuten lassen. Erste schriftliche Aufzeichnungen datieren aus dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung („Der Innere Klassiker des Gelben Kaisers“, Huangdi Neijing). Nachfolgend wird in zahlreichen Werken chinesischer Autoren über die Grundlagen, Techniken und Anwendungsmöglichkeiten berichtet.
Auch in anderen Kulturkreisen sind oder waren verschiedene Formen der Akupunktur bzw. ähnliche Therapiemethoden in der traditionellen Heilkunde zu finden.
Dabei ist anzunehmen, dass in der traditionellen Medizin europäischer Kulturkreise auch Methoden der Punktstimulation entwickelt wurden, wie z.B. der Fund des „Ötzi“ zeigt, aber durch verschiedene politische und religiöse Einflüsse aus der Geschichte der europäischen Medizin verdrängt wurden.
Der Franzose George Soulie de Morant gilt als einer der Väter der westlichen Akupunktur. Mit seinen Schriften begann nach 1929 die moderne westliche Akupunktur. Allerdings sind solche Schriften berechtigterweise umstritten, wie z.B. Dr. Hanjo Lehmann in seinem Artikel „Akupunktur im Westen: Am Anfang war ein Scharlatan“ (Dt. Ärzteblatt 2010; 107: A-1454) über Soulie de Morant schreibt: „…alle Indizien deuten darauf hin, dass er in China nie eine Nadel gestochen, vermutlich nie eine Nadelung gesehen hat…“.
Tatsächlich handelt es sich bei der Akupunktur im Sinne der TCM in Europa um ein Importprodukt und als solches war und ist sie vielen Einflussfaktoren, wie z.B. der Übersetzung und Interpretation der überlieferten Texte oder Ausübung in verschiedenen Schulen, unterlegen.
Die Frühgeschichte der Veterinärakupunktur ist sehr vage. Über die Anfänge der Akupunktur bei Tieren gibt es viele Spekulationen. Sicher galt jedoch Pferden von jeher große Aufmerksamkeit, da sie sowohl im Krieg und in der Landwirtschaft eingesetzt wurden und dort „lebenswichtig“ waren. Hinweise, dass die Tiermedizin, v.a. Pferdeakupunktur, sich als getrennter, eigenständiger Zweig der TCM entwickelte, gibt es früh (z.B. 650 vor unserer Zeitrechnung, „Kanon der Veterinärmedizin“, Militärgeneral Sun-Yang). „Vollzeit-Tierärzte“ kümmerten sich um die Behandlung der Pferde und ihrer Krankheiten, indem sie Kräuterpräparate und verschiedene medizinische Techniken (wie Aderlasse und Akupunktur) einsetzten und in die Pferdepflege einfließen ließen.
Nichtsdestotrotz ist anzunehmen, dass sich die TCVM durch Adaptation der traditionellen chinesischen Humanakupunktur und -Arzneimittel-Therapie auf Tiere entwickelte bzw. immer wieder beeinflusst wurde.
All dies fordert vom Pferdeakupunkteur, die Korrektheit und Wirkung der Elemente der TCVM immer wieder zu überdenken, kritisch zu hinterfragen und zu prüfen. Dabei sollten aktuelle Erkenntnisse der Forschung und Wissenschaft in die Theorie und Praxis der Akupunktur eingebracht werden.
1.2 Konzepte
Die Anwendung der Akupunktur folgt unterschiedlichen Konzepten, die sich auf verschiedensten Ebenen unterscheiden. Meist folgen die verschiedenen Konzepte den Prinzipien der traditionellen chinesischen Medizin und Veterinärmedizin, z.T. werden andere, neue Pfade beschritten.
Die Grundlagen der traditionellen chinesischen Veterinärmedizin (TCVM) sind ähnlich denen der TCM. Die Grundprinzipien der Lehre von Yin und Yang, der Elemente und der Inneren Organe haben die gleiche Gültigkeit in Human- und Veterinärakupunktur.
Aber es bestehen heute zwei Systeme von Akupunkturpunkten in der Pferdeakupunktur:
-
das vom Menschen auf das Pferd übertragene Meridiansystem, das sog. „transponierte System“, mit auf den Meridianen gelegenen Akupunkturpunkten und einigen außerhalb der Meridiane gelegenen Extrapunkten;
-
das traditionelle System der Pferdeakupunktur mit seinen traditionellen Akupunkturpunkten; diese Punkte haben sich über Jahrhunderte als empirisch wirksam befunden, sie werden nicht auf Meridianen angeordnet, sondern nach Körperregionen gruppiert.
Eine Gruppe international anerkannter Akupunktur-Spezialisten hat 1991 einen Vorschlag für eine einheitliche Nomenklatur erarbeitet („A proposed standard international acupuncture nomenclature“, WHO, Genf 1991). In diesem Papier hat man sich auf eine einheitliche Nomenklatur aller Hauptmeridiane und außerordentlichen Meridiane, aller 361 klassischen Akupunkturpunkte der Hauptmeridiane, Schädelpunkte und 48 Extrapunkte festgelegt. Die hier vorgeschlagene Nomenklatur wurde auch in entsprechenden Konzepten der TCVM übernommen.
Neben der TCVM-Akupunktur der Pferde haben sich verschiedene andere Konzepte durchgesetzt, die z.T. kombiniert oder ergänzend angewandt werden. So z.B. die Ohr(Aurikulo)-Akupunktur und die medizinische Akupunktur. Bei der Ohr-Akupunktur geht man davon aus, dass sich der gesamte Organismus in einem Mikrosystem (hier dem Ohr) widerspiegelt, die medizinische Akupunktur betont die „wissenschaftlich nachweisbaren“ klinischen...