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»Oh, mein Gott! Robert!«
Steiger betrachtete Claudia. Er war vertraut mit allem, was er sah, und dennoch war es ihm – nachdem er die knarrenden Stufen des frisch sanierten und nach Farbe riechenden Altbaus hinaufgeschritten war –, als stünde er vor seinem ersten Date.
»Was ist passiert. Dein Gesicht? Deine Haare …?«
»Darf ich reinkommen?«
Claudia zeigte sich irritiert und warf einen Blick zurück in ihre Wohnung.
»Komm ich ungelegen? Hast du Besuch?«
»Nein. Es ist nur … es kommt so überraschend.«
»Ich verstehe.« Steiger wandte sich zum Gehen. »Ich wollte nicht stören. War ’ne blöde Idee. Entschuldige. Ich hätte anrufen sollen.«
Claudia atmete tief aus. »Mann, Steiger. Immer noch das alte, sich in Selbstmitleid suhlende Sensibelchen? Was erwartest du? Sieh dich an. Irgendetwas in mir sagt, dass du bis zum Hals in der Scheiße steckst, und ich befürchte, es könnte schneller, als mir lieb ist, auch zu meinem Problem werden.« Claudia verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an den Türrahmen und betrachtete ihren Exmann. »Okay. Vorschlag. Du darfst mein Bad benutzen und kannst mir erzählen, was los ist. Ich werde dann entscheiden, ob ich bereit bin, dir zu helfen.« Claudia trat einen Schritt zur Seite. Sie gönnte Steiger den flüchtigen Augenblick, so zu tun, als wäge er ab. Sie wusste, er brauchte dies.
Steiger trat ein, ging einige Schritte den Flur entlang, wobei er die LED-Spotbeleuchtung der Decke betrachtete, während Claudia die Tür schloss.
»Das Bad ist links.« Kurz rümpfte sie die Nase. »Ich koche uns in der Zeit einen Kaffee.«
Als Steiger das Bad frisch geduscht verließ, fühlte er sich wie neu geboren, obwohl er nach Kokos mit Aloe Vera roch und einen Damenbademantel trug, der ihm mehr als zwei Nummern zu klein war.
Claudia trat aus der offenen Küche und trug ein Tablett vor sich. Kurz war Steiger von dem Anblick wie gefangen. Ihr langes, blondes Haar umschmeichelte ihre weichen Gesichtszüge und ihre vollen Lippen waren mindestens genauso aufregend wie ihre großen, grünen Augen, deren Lidaufschlag für weiche Knie sorgen konnte. Steiger war sich der unzähligen Herzstillstände bewusst, die mit Sicherheit noch immer auf ihr Konto gingen. Sein Blick war gefangen von den Bewegungen ihres schlanken Körpers. Es gab keinen Zweifel daran, er war es gewohnt, noch immer Sehnsüchte und Begierden bei Steiger zu wecken.
Sie stellte das Tablett auf einen Beistelltisch und setzte sich. »Lehn dich zurück«, sagte sie, ohne Raum für Interpretationen zu lassen.
Claudia beugte sich über ihn und rieb ihm After-Sun-Creme auf die Stirn. Er schloss die Augen. Unzählige Male hatte er ihren Duft eingeatmet und auch jetzt war da etwas Bekanntes, doch es war keine angenehme, sondern vielmehr eine Angst machende Wahrnehmung, die er spürte. Er fühlte sich wie ein Süchtiger, der nach Jahren der Abstinenz, des Vergessens und Verdrängens unvorbereitet mit der Macht seiner Droge konfrontiert wurde und hilflos dem Feuerwerk an Endorphinen ausgeliefert war, welches sein Gehirn abbrannte. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang, seine Hand zu heben, Claudia an sich zu ziehen und ihren Duft in sich aufzunehmen.
Es war ein Dilemma. Jahrelang hüllte er sich ein in einen psychischen Schutzmantel, der ihm wie eine zweite Haut passte, aber nun, hier auf ihrer Couch liegend, musste er sich eingestehen, dieser Mantel war im Laufe der Zeit offensichtlich dünner geworden. Ein abgewetztes Stück Stoff aus löchrigen Flicken. Der Blick auf die Realität schmerzte. Aber damit musste er klarkommen.
Steiger riss sich aus seinen Gedanken. Scheiß drauf, dachte er sich. Exfrau ist Exfrau. Und aufgewärmt schmeckt nur Gulasch. Das Leben besteht nun mal aus Begegnungen und Trennungen. So war es schon immer. Tief in uns sind wir alle allein.
»Danke.« Steiger setzte sich auf.
Claudia verschloss die Tube und rückte etwas von ihm weg. »Erzähl, Cowboy.«
Steiger blickte sie an und lächelte gequält. »Kostümball. Bin als Brathähnchen gegangen.«
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, es sei etwas passiert.« Sie reichte ihm eine Tasse. »Ich hab gehört, du bist nicht mehr bei der Polizei?«
Steiger nippte an dem Getränk und zuckte kurz auf. Erst jetzt bemerkte er seine versengten Lippen. Er nickte mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht und stellte die Untertasse auf sein Knie, sah Claudia aber nicht an. »In den letzten zwei Jahren ist viel passiert. Ich habe meine Gründe.«
»Verstehe.« Sie blickte in das vertraute, störrische Gesicht ihres ehemaligen Partners, der sich nach wie vor selbst im Weg stand. Es hatte keinen Sinn nachzuhaken. Stattdessen lehnte sie sich zurück und nahm eine entspannte Haltung ein.
Steiger sah sie an. »Ich …«
Claudia hob beide Hände und lächelte. »Ist schon gut, Robert. Kein Grund, verlegen zu werden. Du bist mir keine Erklärung schuldig. Du bist nun mal ein Höhlenmensch.«
Für einen flüchtigen Moment sahen sich beide in die Augen. Steiger löste sich von ihrem Blick und rieb sich niedergeschlagen das Kinn. »Ich hatte das Gefühl, alles, was ich tat, lief meinem Naturell zuwider. Die Regie hat sich geändert und ich habe nichts weiter getan, als der guten alten Zeit hinterherzutrauern. Ich fühlte mich wie ein Überbleibsel aus einer längst vergessenen Zeit. Also machte ich das, was ich tun musste. Ich bin von dem toten Gaul gestiegen.«
Noch immer sah Claudia ihn an und Steiger hatte Schwierigkeiten, ihr in die Augen zu blicken. Sie schien ihn immer noch gut genug zu kennen.
Nach ihrer Trennung war Steiger der festen Überzeugung gewesen, auf vergeudete und sinnlose Jahre zurückzublicken. Mit der Zeit aber war er sich nicht so sicher, ob er ihnen in Wirklichkeit nicht nachtrauerte. Etwas, was ihm gerade eben wieder bewusst wurde.
»Okay.« Steiger riss sich aus seinen Gedanken und stellte die Tasse etwas zu laut auf den Tisch. »Man wollte mich umbringen.«
Zu seiner Verwunderung lächelte Claudia. »Nimm es mir nicht übel, aber ich kann mir vorstellen, dass eine Menge Leute diesen Wunsch hegen. Hatte ich auch mal«, fügte sie hinzu, wobei die Lachfältchen neben ihren Augen der Äußerung die Schärfe nahmen.
»Dito. Aber dieses Mal ging es über einen Wunsch hinaus.«
*
»Sie haben versagt!« Die Stimme klang eiskalt, was nicht nur an dem Dialekt lag, der jedem Wort eine fast körperlich spürbare Härte verlieh.
Der Gesprächspartner wählte seine Antwort mit Bedacht. »Es ist alles unter Kontrolle. Eine unangenehme Verzögerung, die aber schon bald behoben sein wird.«
»Unter Kontrolle nennen Sie das? Mir ist nicht nach Spaßen zumute«, gab der andere von sich.
»Das Problem ist so gut wie beseitigt.«
»Dann darf ich also davon ausgehen, dass die Informationen sicher sind?«, fragte der Mann am anderen Ende der Leitung mit einem misstrauischen Unterton.
»Es ist nur noch eine Frage Zeit.«
»Zeit? Sie haben keine Zeit. Die Polizei wird ermitteln. Wegen ihrer Unfähigkeit.«
»Sie wird keinen Bezug herstellen. Dafür wurde gesorgt. Das Problem wird erledigt und ich bin mir sicher … ich verspreche Ihnen, dies wird in Kürze erfolgen.«
Eine kurze Pause trat ein, die keinen Zweifel daran ließ, dass der andere abwog. »Ich werde mich auf Ihr Versprechen berufen. Enttäuschen Sie mich nicht. Ein weiterer Fehltritt ist nicht entschuldbar.«
»Du hast dich nicht an die Polizei gewandt?« Claudia sah Steiger strafend an.
Das Kopfschütteln war kaum zu erkennen. »Mit einer solchen Geschichte?« Er fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. »Sie würde mehr Fragen aufwerfen, als ich beantworten könnte.«
»Was gedenkst du zu tun?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme. »Hast du keinen Ex-Kollegen, dem du vertrauen kannst?«
Steiger zuckte mit den Achseln und sah auf seinen Kaffeebecher, den er mit beiden Händen hielt und in Gedanken versunken hin und her drehte.
»Du hättest zur Polizei gehen sollen.«
»Man würde mich festnehmen. Und dann?«
Claudia stand auf und lief unruhig hin und her. »Würde man deine Unschuld beweisen.«
Steiger schüttelte den Kopf. »Das war kein Attentat irgendeines Irren, der noch eine Rechnung mit mir zu begleichen hatte. Das war ein Profi.«
»Deine Wohnung stand lichterloh in Flammen, als man dich angriff. Der Typ hat sich somit selbst einer Gefahr ausgesetzt. Hört sich für mich nicht nach einem Profi an.«
»Ich habe nachgedacht und bin mittlerweile felsenfest davon überzeugt, dass er mich nicht direkt töten wollte. Sein Ziel war es, einen Unfall vorzutäuschen. Er hätte mich auf jede erdenkliche Art und Weise ausschalten können. Erschießen. Erstechen. Erschlagen. Was auch immer. Er tat es nicht, obwohl ich in dieser Situation völlig hilflos war. Wenn ich einen Mord nicht vertuschen will oder es mir schlichtweg scheißegal ist, dann nehme ich ein Messer, einen Gegenstand, eine Schusswaffe … Was er gemacht hat, war durchaus riskant, zumal ich ihm von der Physis her in nichts nachstand. Weißt du, warum die meisten Täter daran scheitern, ihre Opfer zu erwürgen? Weil du die Blutzufuhr zum Gehirn mehrere Minuten unterbrechen musst. Lässt du zu früh ab, kommt das Opfer wieder zu Bewusstsein. Der Typ wusste das. Er hatte vor, mich bis zur Besinnungslosigkeit zu würgen. Ich hätte einige Minuten...
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