Schweitzer Fachinformationen
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Peter Nachtigall wartete.
Sah zur Tür, auf die Uhr, zurück zur Tür.
Warum dauert das so lang?, fragte er sich. Seine Frau wollte doch nur schnell in der Parfümerie einen Nagellack kaufen, und nun stand er hier schon seit einer Viertelstunde! Typisch Frau? Seine Mittagspause war nicht unendlich, er musste zurück ins Büro.
Und überhaupt, seit wann brauchte sie so etwas?
Männer malten sich doch die Nägel auch nicht bunt an.
Sein Handy brummte.
»Ja!«, bellte er unfreundlich.
»Jens Maier. Tut mir ja leid, dass ich an so einem schönen Tag stören muss. Die Kollegen von der Feuerwehr haben eine Leiche aus dem Spremberger See gefischt - äh, geborgen. Angeblich handelt es sich um Gregorilos, aber ehrlich, das kann keiner mit Sicherheit sagen. Soll wohl ein ziemlich bekannter Maler aus Cottbus sein. Unklare Todesumstände.«
»Ist gut. Wir kommen.« Nachtigall hatte schon beinahe auf »beenden« gedrückt, da hörte er den Kollegen noch sagen: »Auf der Seite vom Waldschlösschen-Hotel. Über Gallinchen raus. Nicht zum Spree Camp abbiegen, fahrt geradeaus weiter bis zum nächsten Parkplatz.«
»Danke«, antwortete er schnell und tippte dann die Kurzwahl für Michael Wiener an, seinen Freund und Kollegen.
»Hallo, wenn du mich unerwartet anrufst, kann das ja nur eines bedeuten: Es gibt eine Leiche?«, fragte Wiener, und es klang gar nicht so, als sei er verärgert darüber, dass sie, statt das geplante ruhige Wochenende mit der Familie verbringen zu können, nun einen Einsatz hatten. Der Gedanke an Wieners Kinder brachte ihn einen Augenblick aus dem Tritt. Er atmete tief durch.
»Spremberger See. Er ist auch schon vorläufig identifiziert, endgültige Gewissheit kann es nach einem einfachen Blick auf die Leiche nicht geben, meinte der Kollege. Gregorilos. Einen Nachnamen gibt es nicht. Ist ein Pseudonym.«
»Was? Gregorilos? Das ist ein Maler aus Cottbus. Ein berühmter Maler. Wenn das stimmt, wird das mal wieder eine Ermittlung unter den besorgten Augen der Öffentlichkeit.«
»So schlimm wird das nicht werden. Ich habe bisher nicht viel von ihm gehört.«
»Im Moment wird er von vielen Kunstkritikern hochgelobt. Er ändert hier und da seinen Stil - nennt das Weiterentwicklung - und hat großen Erfolg damit. Aber natürlich kommt das auch nicht bei allen gut an.«
»Ich bin in der Stadt. Conny wollte ein paar Besorgungen machen, danach stand eigentlich noch ein gutes Essen auf dem Plan. Wenn du mich hinter der Deutschen Bank abholst, kann ich ihr wenigstens das Auto hier lassen.«
»Bin praktisch schon unterwegs«, verkündete der junge Kommissar tatendurstig.
Nachtigall machte sich auf die Suche nach Conny.
Er betrat die kleine Parfümerie neben dem Durchbruch zum Stadtbrunnen. Das Geschäft war klein - und voll. Er konnte seine Frau erst auf den dritten Blick entdecken. Sie kauerte in der hintersten Ecke neben einer herausgezogenen Schublade und diskutierte mit einer jungen Frau über die passende Farbe des Nagellacks.
»Nun, Sie haben vielleicht recht. Zu Grün passt er möglicherweise wirklich nicht. Nicht zu jedem Grünton, das würde ich auch sagen. Vielleicht doch lieber eine dunklere Farbe? Zwischen Rot und Braun? Ich hätte hier einen .«
»Oh, mein Mann!« Conny hatte Peter entdeckt und winkte ihn heran. »Sieh mal, gefällt dir diese Farbe? Oder meinst du, der Ton ist zu intensiv?«
Peter Nachtigall zwang seine zwei Meter Länge und sein nicht unerhebliches Körpergewicht in die Knie. »Ich muss los. Hier ist der Autoschlüssel. Michael holt mich ab.«
»Ach! Das ist aber schade! Ich hatte auf eine richtig entspannte Woche und ein freies Wochenende gehofft.« Conny verzog enttäuscht das Gesicht. »Vergiss nicht, dass deine Schwester mit Familie morgen zum Grillen kommt. Sie besuchen uns deinetwegen, nicht meinetwegen!« Dann kehrte sie zur ursprünglichen Thematik zurück. »Also, was ist nun? Diese Farbe hier oder lieber ein kräftiges Rot?« Dabei hielt sie zwei kleine Fläschchen hoch.
»Rot«, entschied der Cottbuser Hauptkommissar. »Wenn schon Nagellack, dann richtig!« Er klapperte den Schlüsselbund in Connys Handfläche. »Ich muss los!«
Conny umarmte ihn, zog neckend an seinem Pferdeschwanz und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Melde dich mal zwischendurch. Du und deine Leichen!«, maulte sie leise.
»Diesmal eine Wasserleiche.«
»Ertrunken? Gemeuchelt ist doch viel spannender!«
Alle drei rappelten sich wieder auf.
»Dieser hier darf es dann also sein?«, erkundigte sich die junge Frau mit unsicherer Stimme, gab sich alle Mühe, nicht allzu schockiert auszusehen.
»Ja«, strahlte Conny, als wäre nicht gerade von Leichen die Rede gewesen, »den nehme ich.« Und zu Peter gewandt setzte sie hinzu: »Marnie ist mit den Kindern wieder zurück. Frag' doch Michael, ob sie nicht alle zum Abendessen bei uns vorbeikommen wollen.«
Sie schob den Schlüssel in die Jackentasche und überlegte, was sie nun mit dem schönen Tag anfangen könnte. Peter wird als Begleitung ausfallen, das wusste sie aus jahrelanger Erfahrung. Eine Leiche, das bedeutete über Tage zu wenig Zeit für die Ehefrau.
Ihr Mann war schon zur Tür hinaus auf die Sprem gelaufen, telefonierte erneut mit dem Kollegen am Fundort und beeilte sich, zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen.
»Eine Leiche am Stausee. Und die Identifizierung ist erst vorläufig?« Hoffnungsvoll sah Wiener seinen Freund an. »Dann ist er es ja vielleicht gar nicht.«
»Nein, das ist unwahrscheinlich. Ich gehe davon aus, dass Gregorilos tatsächlich das geborgene Todesopfer ist.«
Michael Wiener lenkte den Wagen durch die engen Straßen der Altstadt, bog von der Burgstraße in Richtung Freiheitsstraße ab und an der Einmündung neben dem Fitnessstudio auf die Franz-Mehring-Straße ein. »Wieso?«
»Ich habe den Kollegen noch mal angerufen. Gregorilos wurde erst gestern Abend als vermisst gemeldet, verschwunden ist er aber schon vor ungefähr einer Woche. Bei einem Ausflug hatte er die Gruppe verlassen, wollte sich ein bisschen die Beine vertreten. Aber er kehrte nicht zurück. Niemand ging davon aus, dass er schwimmen wollte. Er hatte sich angezogen und war losgelaufen, wollte sich nur die Beine vertreten. Seine Familie suchte das Ufer nur oberflächlich ab, Kleidung wurde nicht entdeckt. Erst dachten sie, er würde schon wieder nach Hause kommen, aber inzwischen machten sie sich doch große Sorgen. Die Feuerwehr hat Taucher eingesetzt - und die haben einen Leichnam im Wasser treibend gefunden. Offensichtlich hatte er sich also doch zum Bad entschlossen.«
Wiener hielt sich links, bog in die Straße der Jugend ein. »Die Kollegen haben hoffentlich so weiträumig abgesperrt, dass niemand irgendwelche Fotos machen kann! Du weißt ja, so eine Nachricht spricht sich in Windeseile rum, und schon läuft die Presse auf«, murrte er.
»Wäre es nicht über die Bahnhofstraße günstiger?«
»Nicht wirklich. Und da ist 30er-Zone. Da herrscht zähes Durchkommen. Wir nehmen den Weg in Richtung Baustelle.«
»Aber dann musst du am Bahnhof doch in die Thiemstraße abbiegen. Die Straße der Jugend ist noch immer gesperrt. Sonst bleibt dir nur der Weg durch die Eilenburger Straße.«
»Ja, das weiß ich, aber vielleicht können wir uns durchschleichen. Ist ja schließlich ein Polizeieinsatz«, widersprach Wiener sonnig. »Durch die Drebkauer, dann links und vorne am Sportzentrum rechts.«
Nachtigall zuckte mit den Schultern, kehrte zum anstehenden Fall zurück. »Das Problem war, dass Gregorilos durchaus gelegentlich verschwand, ohne jemanden vorab zu informieren. Man kann also nicht sagen, dass man dieses Verhalten nicht von ihm kannte. Plötzlich saß er ein paar Tage später wieder in seinem Atelier, als sei nichts geschehen. Was er während seiner Abwesenheit unternommen hatte, verschwieg er jedes Mal. Die Familie hatte gelernt, sich damit abzufinden. Deshalb wurde er auch nicht sofort vermisst gemeldet. Man gab ihm ein paar Tage Zeit, wieder zurückzukehren.«
»Warum? Sie können doch nicht ernsthaft angenommen haben, dass er in leichter Badeseebekleidung aufgebrochen ist. Am Ende barfuß. Oder reagierte Gregorilos grantig, wenn man ihn suchen ließ?«
»Nun, wenn du etwas tun möchtest, das niemanden etwas angehen soll, dann ist es nicht günstig, von der Polizei dabei aufgestöbert zu werden. Und da keiner weiß, was er in dieser Auszeit unternahm, ist ja auch nicht auszuschließen, dass die Polizei sich dafür interessiert hätte.«
»Oh, so habe ich das gar nicht gesehen«, meinte Wiener augenzwinkernd. »Dann wäre er sicher verflixt sauer geworden.«
Nachtigall seufzte schwer. Nach dem letzten spektakulären Fall war er an einer »medienwirksamen Leiche« nun wirklich nicht interessiert. Seine Augen tasteten über Wieners Gesicht. Der junge Mann sah konzentriert auf die Straße, während er durch den Baustellenbereich fuhr. Gern hätte er ihn nach Marnie gefragt, nach ihrem Zustand, nach der ganzen Familie - doch er traute sich nicht. Wollte nicht daran rühren, weil er nicht wusste, wie Michael reagieren würde, ob er ihm nicht doch insgeheim eine Mitschuld an der Situation gab. Dabei verfolgten ihn selbst die schrecklichen Bilder bis in den Schlaf, quälten ihn, ließen ihn aufschrecken. Wie viel schlimmer musste es dann für Michael und die Seinen sein? Er wandte den Blick ab, sah die Häuser vorbeifliegen, die Feuerwehr, und wusste, dass sie in etwa einer Viertelstunde die Talsperre erreicht...
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