Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Michael Wieners Navi fand problemlos die eingegebenen Daten. »Naja, das hätten wir auch ohne die Hilfe der GPS-Daten gefunden. Im letzten Jahr hatten wir Freunde in dem Hotel untergebracht, und die konnten von dort aus den Spreewald erkunden. Hatten viel Spaß, die beiden.«
Um diese Zeit waren die Straßen wie leergefegt. Wiener fädelte sich über mehrere Kreisverkehre auf die Bundesstraße nach Burg ein. Der heftige Regen erschwerte die Sicht, der Asphalt warf das Scheinwerferlicht grell zurück wie ein Spiegel. Der junge Kollege kniff die Augen zusammen.
»In Burg müssen wir nach rechts. Das kenn ich, ist ein schönes Spaziergängergebiet. Mit den Kindern immer ein Erlebnis.«
»Ich glaube, du kannst nicht wirklich nah an den Fundort ranfahren. Wenn ich mich richtig erinnere, stehen da Poller im Weg. Da müssen wir ein ziemliches Stück zu Fuß gehen.«
»Was macht eine alte Dame um diese Zeit im dunklen Wald? Bei dem Regen? Ein Rendevous wird sie nicht gehabt haben - oder sind die neuen Alten jetzt so jung geblieben, dass wir das nicht ausschließen können?«, feixte der junge Ermittler.
»Sie ist dement. Wir werden wohl alles selbst rausfinden müssen. Wahrscheinlich werden ihre Erklärungen schwer verständlich sein. Aber wer weiß, vielleicht ist es ja nur ein frühes Stadium.« Nachtigall seufzte schwer.
»Burg ist nicht gerade ein Hotspot des Verbrechens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier jemand in der Nacht anderen auflauert, ihnen die Köpfe abtrennt und diese mitnimmt. Surreal.«
»Aber ist es nicht manchmal gerade der kleine Ort, das entlegene Dorf, in dem solche Verbrechen begangen werden?«, hakte Wiener ein.
»Oh, wie im Fernsehen. Dann werden sich die Menschen hier schweigend abwenden, wenn wir Fragen stellen, keinerlei Auskünfte geben. Laut granteln und den Wassermann als Täter anbieten?« Nachtigall lachte leise.
»Na, schau'n mer mal!« Wiener parkte den Wagen beim Hotel Leineweiber. »Dort hinten endet die Straße. Da stehen schon die Wagen der Kollegen. Besser wir parken etwas abseits. Kommen wir schneller wieder weg.«
Er stieg aus und beschwerte sich: »Mann! Es schüttet!«, schlug den Kragen des schwarzen Mantels bis zu den Ohren und zog die Schultern hoch. »Bloß gut, dass ich die knöchelhohen Schuhe anhabe. Der Schlamm würde sonst über den Rand suppen.«
»Mist! Das ist richtig ungünstig. Da finden die Kollegen nur noch aufgeweichtes Erdreich und keine verwertbaren Spuren mehr. Der Kopf muss geborgen werden, vielleicht liegt er in der Nähe des Tatorts.« Nachtigall schob die Hose in die Gummistiefel, zurrte den Schal fester und stapfte neben Wiener los. Zwei schwarze Gestalten im Nebel. Ein gewichtiger Riese, ein schmaler Großer.
»Wir hatten ja schon mal einen Trophäensammler, weißt du noch?«, fragte Wiener. »In unserem ersten gemeinsamen Fall.«
Nachtigall nickte.
Auch dieser Fall würde ihn für den, hoffentlich noch langen, Rest seines Lebens begleiten, zu sehr war er persönlich vom Täter in den Fortgang verstrickt worden.
»Damals handelte es sich allerdings um vergleichsweise kleine Beutestücke, die vom Körper abgetrennt und mitgenommen wurden. Ein Kopf ist ziemlich groß, den kannst du nicht im Weggehen mal kurz einstecken.« Wiener grübelte weiter über das Transportproblem. »Schon des Blutes wegen. Nur einfach eintüten geht nicht. Er muss schon einen besonders dichten, stabilen Plastiksack mitgebracht haben. Oder einen Eimer!«
»Wenn er die Tat so geplant hat. Aber möglicherweise war das nicht der Fall, sondern andere Umstände machten das Enthaupten notwendig. Wir wissen noch nichts, und du spekulierst schon!«, kritisierte Nachtigall maulig und schüttelte sich.
Ob wegen der blutigen Bilder, die seine Fantasie ihm ungebeten bereitstellte, oder des Regens, der ihm in den Nacken lief, blieb offen.
»Und wieso auf dieser Wiese? Eine zufällige Begegnung zweier verfeindeter Nachbarn? Hier?«
Ein junger Kollege in Uniform am Rand der baumfreien Fläche wies ihnen gestenreich den Weg.
»Als ob das nun zu übersehen wäre«, zischte Wiener.
»Ist vielleicht seine erste Leiche, sein erster Mordfall. Da ist er aufgeregt.« Nachtigall hielt auf das Zelt zu, das den toten Körper vor dem Novemberwetter schützen sollte.
Potente Scheinwerfer leuchteten die Szenerie aus, die wie ein Filmset wirkte. Man erwartete jeden Moment, jemanden »Cut« oder »Action« rufen zu hören. Schatten huschten vorbei, tauchten am Rand des Lichts in die Finsternis und waren verschwunden. Gestalten in Schutzanzügen bewegten sich langsam durchs Bild, waren geschäftig bei der Arbeit.
»Hallo, Herr Nachtigall!« Frau Linder, die Leiterin des Erkennungsdienst-Teams begrüßte den Ermittler hoch erfreut. »Wir mal wieder im Team!«
»Ja, das ist positiv für uns alle!«, freute sich auch der Cottbuser Hauptkommissar. »Sie waren lange weg.« »Fortbildung in Amerika. Texas. Body Farm. War lehrreich.«
Nachtigall nickte knapp. »Was haben wir?«
Frau Linder zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt: Nicht viel bisher. Männliche Leiche, unbekleidet, Todesursache noch unklar. Keine offensichtlichen Verletzungen. Aber der Arzt darf ja auch nur den Tod feststellen und muss alles andere der Rechtsmedizin überlassen. Der Kopf fehlt, damit ist die unnatürliche Todesursache anzunehmen - mit dem Leben nicht vereinbar, wie es so schön ausgedrückt wird.«
»Der Kopf wurde noch nicht gefunden?«
»Nein. In der direkten Umgebung haben die Kollegen schon erfolglos gesucht. Bei Tageslicht mag sich alles etwas anders darstellen. Bisher haben wir seine Kleidung nicht sicherstellen können. Vielleicht vergraben. Wie gesagt, bei Tageslicht .« Frau Linder schob die Mütze des Schutzanzugs ein Stück zurück, damit sie ihrem Gesprächspartner ins Gesicht sehen konnte, nahm die Brille ab und wischte die Regentropfen ab. »Vielleicht sollte ich doch über Kontaktlinsen nachdenken«, murmelte sie dabei. »Beschlagen nicht, und es bleiben keine Tropfen hängen.«
Sie zog ein Handy aus der Tasche. »Der Einsatzleiter hat natürlich sofort den Notarzt verständigt. Die alte Dame ist im Klinikum. Aber er hat Fotos von der Situation gemacht. Irgendwie spooky.«
Sie öffnete die Fotodatei.
»Himmel!« Nachtigall war schockiert. »Das gibt's doch gar nicht!«
Auch Wiener starrte verblüfft auf die Bilder. »Wenn mir das einer erzählte, ich würd's nicht glauben!«
»Ist ihr denn nicht aufgefallen, dass er keinen Kopf hatte? Dass er schon tot war?« Der Hauptkommissar schüttelte den Kopf. »So was merkt man doch.«
»Offensichtlich nicht unbedingt. Sie hat ja sogar mit ihm gesprochen. Sehr eigenartig. Mit Alzheimer oder Demenz kenne ich mich nicht so gut aus.« Katia Linder lächelte entschuldigend. »Und wenn ich den Arzt richtig verstanden habe, hat die Totenstarre noch nicht eingesetzt. Der Körper war also weder kalt noch steif.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Wir haben den Namen der alten Dame?«
»Hiltrud Manecke. Sie wohnt in einem Häuschen auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße, kurz vor der Reha-Klinik. Mit ihrer Schwester Elvira Hänsel und deren Tochter Marion.«
»Von dort ist sie unbemerkt abgehauen?«, staunte Wiener. »Im Nachthemd?«
»Tja, sieht so aus. Zumindest ist nicht zu leugnen, dass sie hier war. Wie ihr das gelungen ist, weiß niemand so genau zu sagen. Vielleicht ist sie ja direkt über die Straße gekommen, oder durch das Wohngebiet hier >Am Waldrand< gegangen, dann links abgebogen. Da waren es nur wenige Schritte nach links in den Wald. Oben durch den Nachtigallenweg wäre es eher noch schwieriger. Privatgrundstück.«
»Eine Frau ohne wintergerechte Kleidung, in Hausschuhen . Werden doch nicht alle schon vor dem Fernseher gesessen haben. Wir fahren gleich hin und sehen uns alles an. Normalerweise würde doch den Nachbarn . Ist ja nicht gerade eine einsame Ecke. Spaziergänger mit Hund sind um diese Zeit auch unterwegs. Naja. Bevor wir und das Wohnhaus anschauen, sollten wir schon noch einen Blick auf die Leiche werfen.«
Katia Linder winkte einem der Kollegen aus ihrem Team zu. »Kevin! Vielleicht solltet ihr dort drüben noch mit den Sonden suchen. Nach Plan abgehen, du weißt ja Bescheid!« Zu Nachtigall gewandt versprach sie: »Ich schicke so schnell wie möglich einen Bericht. Was ich jetzt schon sagen kann, ist, dass die alte Dame von dort«, sie wies in Richtung Wald, »gekommen sein muss. Sie ging ziemlich direkt auf die Stelle zu, an der der Körper des Opfers lag. Setzte sich, zog ihn zu sich hoch. Wir haben im Umkreis viele Schuheindruckspuren gesichert. Aber es wird schwierig werden, die des möglichen Täters zu erkennen. Obwohl wir Schleifspuren gefunden haben. Der Täter hat wohl versucht den Körper über diese freie Fläche zu ziehen. Wurde vielleicht gestört, ließ ihn liegen. Und nun spült dieser Regen ohnehin so gut wie alles weg. So eine Scheiße! Sorry.«
Die beiden Ermittler der Mordkommission bekamen Schutzanzüge zugereicht, schlüpften hinein, wichen den Kärtchen auf dem Boden aus, die Fundstellen markierten, traten ans Zelt.
Beugten sich hinunter zur Öffnung.
Nachtigall sah hinein. Brauchte einige Herzschläge, bis er zuordnen konnte, was seine Augen zwar wahrnahmen, sein Hirn aber offensichtlich nur zögernd bearbeiten wollte.
»Großer Gott!« Er drehte sich rasch um, gab den Blick für Michael Wiener frei.
»Ha!« Auch der Kollege atmete tief durch. »Ein Beil wurde da...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.