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Kriminalhauptkommissar Peter Nachtigall sah dem Arzt über die Schulter, der den leblosen Körper gründlich untersuchte.
»Ich denke, sie ist verblutet. Die einzelnen Stiche waren jeder für sich nicht tödlich. Insgesamt hat der Täter sechsmal zugestochen.« Dr. Manz, ein junger Mann mit lockigem, dunklen Haar und unzähligen Fältchen um Augen und Mund, deutete auf einige deutlich sichtbare Verletzungen am Oberkörper des Opfers.
Nachtigall nickte kurz. Was für ein einsamer Tod. Ein so junges Mädchen liegt hilflos da und spürt, wie langsam das Leben aus ihr herausströmt. Muss sich dem Tod überlassen. Ihn schauderte und er war deprimiert. Wieder ein Mordopfer im Alter seiner eigenen Tochter. Unerwünschte Bilder einer Mordserie in Cottbus vom vergangenen Herbst schoben sich in sein Bewusstsein, grausige Erinnerungen an verstümmelte Körper und tiefstes Leid. Mit einer heftigen Bewegung versuchte er sie abzuschütteln. Diesmal war sicher alles ganz anders!
Er betrachtete das Opfer genauer. Sie lag auf dem Rücken - ursprünglich direkt hinter der Wohnungstür. Beim Aufbrechen und Aufschieben der Tür war ihr Körper etwas verschoben worden - aber niemand hatte erwartet, eine Tote zu finden, sie hatten gehofft sie noch retten zu können.
Die langen Haare waren blutdurchtränkt und standen steif ab. Das T-Shirt war bis zur Brust hochgeschoben, der Rock bis zur Hüfte. Sie trug einen bunten Slip. Eine Schleifspur oberhalb ihres Kopfes zeigte, dass sie versucht haben musste sich bis zur Tür zu ziehen, um auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Haut war sehr blass, die Augen geschlossen.
Peter Nachtigall atmete tief durch.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte der Notarzt besorgt, doch der Hauptkommissar schüttelte den Kopf.
»Ist schon in Ordnung. Geht mir an Tatorten immer so.«
»Ach wirklich? Das überrascht mich - viele Ihrer Kollegen sind da schon abgehärteter.«
War das als Kritik zu verstehen? Weichei statt Jäger?
»Bei mir funktioniert das Denken besser, wenn ich alle Sinne beisammen habe. Emotionale Kälte friert das Denken ein - gebe ich manchmal gerne zu bedenken.«, parierte er.
Dr. Manz zog den Kopf ein und wandte sich wieder der Untersuchung des Opfers zu.
»Wie lange hat es gedauert, bis sie tot war?«
Immer noch verlegen antwortete der Notarzt: »Das kann ich nicht ganz genau sagen - aber so ungefähr 25-30 Minuten.«
Peter Nachtigall starrte ihn entgeistert an. »Soll das heißen, sie hat eine endlose halbe Stunde lang gewusst, dass sie sterben muss, und hat nichts anderes tun können, als auf den Tod zu warten?«
Der Arzt nickte zögernd.
»Ganz so ist es nicht. Das Bewusstsein trübt sich. Am Ende hat sie wohl kaum noch etwas mitbekommen.«
Hinter Nachtigalls Stirn begann es zu pochen.
»Erstaunlich wenig Blut, oder?«, fragte er nach einer längeren Pause.
»Sie dürfen nicht glauben, dass alles Blut aus dem Körper herausfließt. So ca. zwei, drei Liter - mehr nicht. Einen großen Teil haben Kleidung und Haare aufgesogen, ein Teil wird in die Brusthöhle eingedrungen sein.«
Die zunehmende Wärme des Tages ließ die Luft in dem engen Flur unerträglich werden. Der Geruch des Blutes überlagerte alles andere und Nachtigall hatte plötzlich das Gefühl hier keine Sekunde länger bleiben zu können. Er unterdrückte den Impuls hinauszulaufen und fragte stattdessen:
»Neben dem Opfer lag dieses Küchenmesser. Das ist ein Filiermesser. Keine Zahnung, glatt geschliffen, ausgesprochen scharf mit sehr schmaler Klinge und einer deutlichen Verbreiterung zum Schaft hin, sehen Sie hier. Würden Sie das für die Tatwaffe halten?« Er zeigte dem Arzt einen transparenten Beutel mit einem blutverschmierten Messer.
»Gut möglich. Die Breite am Griff könnte hinkommen«, meinte der Arzt zögernd. »Der Pathologe kann das ziemlich genau feststellen.«
Nachtigall nickte.
»Wohin genau treffe ich, wenn ich an dieser Stelle zusteche?«
»Eventuell direkt in den Herzbeutel. Dann wäre sie praktisch sofort tot gewesen. Aber hier hat der Täter wohl knapp daneben gezielt. Zwei der Stiche haben wahrscheinlich die Lunge verletzt. Wie tief sie sind, kann ich nicht feststellen.«
»Sie war also nicht sofort tot, hmm. Der Zeuge hat ja auch Geräusche hinter der Tür gehört.«
»Was hier genau passiert ist, wird die Obduktion ergeben. Aber das viele Blut deutet darauf hin, dass die junge Frau verblutet ist. Und die Geräusche, die der Zeuge gehört haben will, müssen nicht unbedingt bedeuten, dass sie zu dem Zeitpunkt noch gelebt hat. Die Körpertemperatur spricht auch dagegen - sie ist bestimmt schon seit drei bis vier Stunden tot.«
»Also seit vier oder fünf Uhr. Und was hat der Zeuge dann hinter der Tür gehört?«
»Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass Tote nicht zu hören sind.«
Peter Nachtigall sah den Arzt verblüfft an und wartete schweigend, dass der andere diese Äußerung weiter ausführen würde. Der Arzt machte allerdings keinerlei Anstalten.
»Ich fürchte, das müssen Sie mir erklären.«, hakte der Hauptkommissar deshalb nach.
»Beim Einsetzen und Lösen der Totenstarre kann es zu Bewegungen an den Extremitäten kommen. Liegt das Bein dann auf dem Boden oder lehnt an einer Wand, ist ein leises, schleifendes Geräusch nicht auszuschließen. Luft kann austreten, was sich durchaus wie ein Röcheln oder Stöhnen anhört.«
»Dann hat sie also nicht mehr gelebt, als der Mieter die seltsamen Laute gehört hat.«
»Sie ist definitiv schon seit ein paar Stunden tot.«
»Unheimlich. Eine Tote macht auf sich aufmerksam, als wolle sie erreichen, dass die Tat so schnell wie möglich gesühnt wird«, flüsterte Nachtigall abwesend.
»Herr Hauptkommissar?«
Peter Nachtigall drehte sich zu Phillip Schmidt, einem Mitarbeiter der Spurensicherung, um.
»Wir sind soweit fertig. Wenn Sie wollen, können Sie jetzt lüften. Sehen Sie mal, hier im Flur haben wir an der Wand sowie an dieser schmalen Kommode Schleuderspuren gefunden. Das bedeutet: Der Fundort ist identisch mit dem Tatort. Unter dem Körper findet sich eine Lache, aus der Blut zur Tür geflossen ist. Auch die Schleifspuren stützen die These, dass sie sich selbst zur Tür bewegt hat. Soweit passt alles zusammen«, erläuterte er seine ersten Befunde akribisch.
»Schleuderspuren?«
»Wenn sie ein blutiges Messer aus einer Wunde ziehen und ausholen um erneut zuzustechen, entstehen selbst durch kleine Blutstropfen charakteristische Muster, die uns beweisen, dass hier an dieser Stelle mehrfach zugestochen wurde.«
»Aber wenn jemand sie hier attackiert hat, hätte doch das ganze Haus durch den Krach alarmiert werden müssen. Direkt hinter der Wohnungstür.«
Der Kollege schüttelte den Kopf.
»Sie wurde hier getötet. Dafür spricht auch, dass sonst nirgends in der Wohnung Blut zu sehen ist. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Warum ihr keiner geholfen hat, weiß ich auch nicht.«
»So ein junges Mädchen. Ob sie hier ganz allein gewohnt hat?« Albrecht Skorubski, der sich den Anblick der Opfer am liebsten ersparte, war schon in den Wohnraum vorgegangen und sah sich dort um. Er nickte Nachtigall zu, als dieser zu ihnen stieß.
»Hat sie«, antwortete Michael Wiener, das jüngste Mitglied in Nachtigalls Team, prompt. »Herr Samuel Engel hat uns verständigt. Seine Angabe nach handelt es sich bei dem Opfer um Friederike Petzold, die Mieterin der Wohnung.« Sein badischer Akzent war nur noch schwach herauszuhören, was, so hoffte Peter Nachtigall, erhalten bleiben würde. Er empfand die Sprachmelodie als angenehm und gemütlich.
»Frag doch mal im Haus nach, ob jemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Vielleicht gab es einen lauten Streit. Sie wurde im Flur getötet - vielleicht hat doch einer der anderen Mieter etwas gehört. Und wir brauchen Informationen über die junge Frau, ihre Lebensweise, ihre Interessen und so weiter. Was wir kriegen können.«
Michael Wiener nickte dem Hauptkommissar zu und lief eilfertig davon, froh dem Geruch und dem Anblick des Todes entkommen zu können.
»Schon wieder eine Mädchenleiche.« Albrecht Skorubski seufzte. »Dabei steckt mir noch die Sache von letztem Winter in den Knochen!«
»Hör bloß auf zu unken.« Nachtigall drohte dem Kollegen mit ausgestrecktem Zeigefinger. »So etwas passiert schließlich nicht jedes Jahr!«
Er trat ans Fenster und öffnete es weit, dann drückte er auch die Terrassentür auf. Obwohl es noch früh am Morgen war, ließ sich die belastende Schwüle des Tages schon erahnen. Es ging kein Luftzug.
»War die Tür zur Terrasse eigentlich verriegelt?«, rief er Phillip Schmidt nach, der gerade die Wohnung verlassen...
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