Schweitzer Fachinformationen
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»Vater? Entschuldigt die Störung, ich weiß ja, Ihr arbeitet um diese Zeit. Darf ich Euch etwas fragen?«
Der hochgewachsene, schlanke Mann sah von seinem Schreibtisch auf, rückte die weiche blaue Kappe zurecht und strich die Ärmel des blauen Mantels über die Ellbogen hoch.
Einen Moment lang starrte das Mädchen auf die sanften Locken in den braunen Haaren des Vaters, die weich bis auf die Schulter fielen. Solche lustigen Kringel hätte sie auch gern gehabt, sie beschloss die Zofe der Mutter danach zu fragen, wie man sie auch in ihre Haare würde zaubern können.
»Nun, Käthe, was ist denn so wichtig, dass du mich bei der Arbeit unterbrichst?«, erkundigte er sich freundlich und ein breites Lächeln nahm dem markanten Gesicht etwas der Härte.
»Verzeiht bitte, wenn ich Euch beim Schreiben störe. Aber, wisst Ihr inzwischen, wann die nächste Lieferung kommen wird?«, antwortete sie artig.
Joachim von Eichwald schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf. »Tut mir leid, Käthe. Bisher habe ich keine Nachricht erhalten.«
Das blonde Mädchen stampfte bockig mit dem Fuß auf. Trampelte dann ungeduldig auf dem Boden herum, zupfte den Vater am Ärmel der Jacke. »Ich warte doch schon so unendlich lang!«
»Ungeduld ist keine Zier!«, mahnte der Vater und lächelte seine hübsche Tochter milde an. »Auch nicht in deinem Alter!«, ergänzte er schärfer und bedachte das Mädchen mit einem strafend-strengen Blick, wie es von einem guten Vater erwartet wurde. Seine dunklen Augen zogen weiter in Richtung Rute, die stets in Griffweite lag. Immerhin hörte die Kleine daraufhin mit dem Zappeln auf.
»Aber Vater! Es kann doch nicht sein, dass das Schiff noch immer nicht im Hafen liegt! Sollte es nicht schon vor Tagen einlaufen?« Trotzig schob das Kind die Unterlippe vor. »Ich möchte ihn doch so gern!«
»Das weiß ich ja«, beruhigte der Vater, hob seine Tochter auf den Schoß. »Im Alter von acht Jahren bewegt sich die Zeit nicht schnell genug, nicht wahr? Mir dagegen könnte alles ruhig etwas langsamer gehen. Das Wetter ist schlecht, die Schiffe kämpfen draußen gegen mannshohe Wellen. Es kann dauern.«
»Aber Vater, sie werden doch Vögel mitbringen?«
»Das denke ich schon. Wenngleich der Winter keine gute Jahreszeit dafür ist. Hoffen wir, dass es auf der Reise nicht allzu stürmisch und kalt war. Du weißt ja nun sehr gut, dass dein singbegeisterter Freund keine kalte Luft verträgt.«
»Ja.« Das Mädchen senkte den Blick. Schuldbewusst. »Ich habe das nicht mit Absicht getan. Das wisst Ihr doch. Noch einmal wird es nicht passieren, das verspreche ich!«
»Mit Versprechungen soll man vorsichtig sein, Käthe. Der so fröhlich singende Vogel ist gestorben, weil du eitel warst. Du hast ihn über dich selbst vergessen. So ist er in der eisigen Luft erfroren. Lass dir das eine Lehre sein.«
Tränen standen in den Augen der Tochter. Fast bereute der Vater seine harten Worte. Doch als ein listiger Zug über das Gesicht der Kleinen huschte, wusste er, dass er sie besser hätte richtig bestrafen sollen. Sie würde sich um ihr neues Spielzeug ebenso wenig scheren wie um das letzte.
»Euer Falke sitzt doch auch hier bei Euch. Nicht in der Nähe des Feuers, sondern neben Eurem Tisch. Ich ahnte ja nicht .«
»Mein Falke ist ein hiesiger Vogel. Er ist an die wechselnde Witterung gewöhnt. Selbstverständlich jagt er auch im Winter draußen. Dein Vogel jedoch kam aus einer wärmeren Region.« Der Vater erhob sich, trat neben die Sitzstange des Raubvogels, strich zärtlich und mit grenzenlosem Besitzerstolz über die Schwingen des Tieres, das sich diese Art von Zuwendung offensichtlich gern gefallen ließ. Wohlig schmiegte es sich in die warme Hand. »Dieser Falke ist mir wichtig. Deshalb sorge ich dafür, dass es ihm an nichts fehlt, Käthe. Weder an Nahrung noch an Wärme und Schutz.«
Als er sich unerwartet umwandte, bemerkte er die trotzigen Blitze aus den Augen der Tochter, ihre Wut, ihre Ungebärdigkeit, die knapp unter der Oberfläche auf einen Ausbruch zu lauern schienen.
»Geh zu deiner Mutter und sieh, ob du ihr bei etwas behilflich sein kannst!«, forderte er mit harter Stimme.
Das Kind trollte sich widerwillig.
»Natürlich, natürlich«, murmelte der Vater unzufrieden, »es ist ein wenig zu früh, wirklich eine Ehe zu stiften. Aber ich sollte zusehen, dass sich recht rasch eine Haube für sie findet. Vielleicht der Sohn von Eckehard aus Husum . Als ich ihn das letzte Mal sah, hatte er sich ganz gut entwickelt. Sicher, auch er braucht noch Zeit, eine gute Weile zum Reifen. Aber dennoch. Ich könnte einen unverbindlichen Brief an Eckehard schreiben, ein bisschen über die Familie erfragen. Mit etwas Glück wünscht auch er sich eine baldige Verbindung. Immerhin ist der Knabe nun schon fast ein Mann. Und unsere Geschäfte würden sich gar wunderbar ergänzen . Gerade jetzt, wo die Handelsbeziehungen zu Kiel sich so gedeihlich entwickeln. Wohin das führt, wird sich erweisen, schließlich paktierte man dort bis vor Kurzem mit Piraten. Aber man wird sich gewiss mühen, denn die Hanse ist für ehemalige Freunde der Seeräuber verschlossen. Ja, ja. Nun handeln sie eben mit uns!«
Entschlossen griff er nach Papier und Feder.
Die Kleine war in die Gemächer der Mutter gelaufen, wie der Vater ihr aufgetragen hatte.
»Na, hast du ihn gefragt?«, erkundigte sich die knochige Frau am Frisiertisch unfreundlich.
Kopfnicken.
»Antworte mir anständig! Oder habe ich einem zu großen Huhn das Leben geschenkt?«, fuhr die große Frau sie an, sah im Spiegel zu, wie die Zofe die langen, zu Zöpfen geflochtenen blonden Haare ihrer Herrin zu Widderhörnern wickelte.
»Ja, Mutter. Wie Ihr es mir geraten habt.«
»Und?« Das strenge Gesicht wurde noch eine Spur kantiger, der Blick aus den grauen Augen stechend wie Eissplitter.
»Es wird eine neue Lieferung geben, wenn das Wetter es zulässt. Und er trug mir auf, beim nächsten Vogel achtsamer zu sein. Was ich ihm auch versprach.« Käthe setzte ihre Worte ordentlich, um die Mutter nicht weiter zu erzürnen. Mit unabsehbaren Folgen für ihren eigenen Tag, wie Käthe nur zu gut wusste.
Ein rascher Blick der Mutter zur Seite hätte die Bemühungen der Zofe beinahe zunichtegemacht. »Ach? Das hast du?«
Der drohende Unterton entging dem Kind nicht.
Es schrumpfte förmlich, schnurrte auf die Hälfte der Größe zusammen.
»Ja.«
»Nun, beim letzten Mal auch schon, nicht wahr? Du bist ein böses kleines Ding! Redest deinem Vater zum Munde, um deine Wünsche erfüllt zu bekommen! Ihn magst du täuschen, mich jedoch nicht.« Die mit Schwung geführte Rute verfehlte den Arm der Tochter nur knapp. Käthe zuckte zusammen. Nicht zu heftig, das hätte den Zorn der Mutter nur angefacht.
Die Zofe warf dem Kind einen warnenden Blick zu.
Steckte dann das zum Horn gewickelte Haar auf der linken Seite ebenfalls fest, reichte ihrer Herrin die Rise.
»Eigentlich schade, dass ich nun die ganze Pracht unter so viel Stoff verstecken soll, nur weil ich verheiratet bin«, seufzte die Mutter und beobachtete, wie die Zofe geschickt alles arrangierte, die Rise vor dem Hals drapierte. »Mein Hals ist lang und ebenmäßig. Dennoch verstecke ich ihn vor den Blicken anderer. Wahrlich schade. Schließlich ist sein Anblick keine Beleidigung fürs Auge wie der meiner Amme. Krötig und faltig.« Sie verzog angewidert das Gesicht.
Die Miene der Bediensteten blieb ausdruckslos. Schließlich gehörte es nicht zu ihren Aufgaben die mangelnde Wahrnehmung der Realität durch ihre Herrin zu kommentieren.
»Das blaue Kleid? Oder habt Ihr Euch doch für das rote entschieden?«
»Nun, Liese, wir bekommen Besuch. Ich werde also tragen, was zum Wams meines Gatten passt.«
»Er trägt Blau.« Die Zofe knickste.
»Gut, so werde ich auch das blaue Kleid wählen. Es ist von schwerer Qualität, wird also auch wärmen. Darunter das weiße Oberteil und ein passendes Tuch. Und gib mir das Band, das mein Gemahl mir von seiner letzten Schiffsreise mitbrachte. Diese Schläfenringe, die man dort bei den Slawen trägt, sind so wundervoll gearbeitet, wir werden auf jeder Seite zwei davon in die Schlaufen hängen. Das erfreut mich bei den langweiligen Gesprächen, denen ich beiwohnen muss. Geschäfte! Nun ja. Ich muss nur gelegentlich nicken und ansonsten die Aufgaben der Gastgeberin tadellos erfüllen.«
Liese reichte ihrer Herrin die Schläfenringe, deren kleine glitzernde Einhänger für funkelnde Effekte sorgen würden, und legte Frau von Eichwald das Band an.
»Und, Liese, ich werde dazu die Kette mit den großen Edelsteinperlen und den Schellenanhängern anlegen. Schließlich kommen hochrangige Partner, da darf es ein wenig mehr Schmuck sein.«
Die prächtige Kette wog schwer in der Hand der Zofe.
Voller Bewunderung ließ sie die linsenförmigen Perlen durch ihre Finger gleiten, strich zart über die kleinen Glöckchen und die Verzierungen der Lunula-Anhänger.
»Nun mach schon!«, fuhr die Hausherrin sie an. »Wir haben keine Zeit zu vertrödeln! Es sind noch einige Dinge zu regeln, damit es ein perfektes Essen wird!«
»Jawohl!«, Liese knickste.
Käthe beobachtete die Szene aufmerksam. Überlegte, ob es wohl gelingen konnte, ungesehen aus dem Raum zu verschwinden. Leise schob sie sich an der Wand entlang.
»Der Kamin im Esszimmer ist bereits angeheizt?«
»Jawohl, Herrin. Das wurde bereits heute bei Tagesanbruch veranlasst.«
»Käthe! Versuche es gar...
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