Schweitzer Fachinformationen
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Hagen saß im Café und genoss einen Cappuccino nach Art des Hauses. Ein Stück Obstkuchen wartete auf dem nebenstehenden Teller darauf, verzehrt zu werden.
»Wieso warst du bei dem Zeltplatz? Kanntest du den Camper?«, tastete sich Hagen vorsichtig an den Kern des Problems heran. Seine Angela kannte sich schließlich in Polizeiarbeit blendend aus, er bewegte sich also auf besonders sensiblem Terrain.
»Kennen ist nicht das Wort, das ich wählen würde. Er hat bei mir gelegentlich Kekse gekauft. Ein verschlossener, junger Mann. Aber wenn ich ihm mal ein Tütchen vorbeibrachte, lud er mich zu einem kurzen Gespräch ein. Er mochte Jonas - und der Hund ihn.«
»Du hast ihm Kekse gebracht?«, staunte Hagen. »Lieferservice?«
»Nein«, lächelte Angela nachsichtig. »Nein!«, setzte sie dann mit Nachdruck hinzu.
»Also?«
»Ich habe sie ihm geschenkt. Nach viel Einkommen sah er nicht aus, und ich wollte ihn kennenlernen. Er war mir sympathisch.«
Hagen registrierte den leicht trotzigen Unterton, wusste, er musste sich in Acht nehmen, sollte das Gespräch kein abruptes Ende finden.
»Und? Hat er dir ein bisschen von sich erzählt? Von den Absichten, die ihn ausgerechnet nach Heidesaum geführt haben, oder erwähnte er vielleicht seinen Namen?«
»Nicht wirklich.« Angela sah Hagen fest in die Augen. »Verschlossen ist ein harmloses Wort in diesem Zusammenhang. Tatsächlich hat er sich lieber mit Jonas unterhalten als mit mir.«
»Du hast ihn nicht gefragt?«
»Nein. Warum sollte ich? Im Grunde ging ich davon aus, die Kekse würden es richten. Mir war klar, dass es dauern würde, ehe er wirklich Vertrauen entwickeln konnte.«
»Es gab von seiner Seite nie einen Hinweis darauf, was ihn hierhergeführt hat?«
»Nein«, antwortete die Besitzerin der »Gurke« zögernd. »Aber als er das erste Mal hier reinkam, sagte er etwas, was mich glauben ließ, er sei schon einmal in Heidesaum gewesen. So was wie: Ach, so was hat es hier noch nie gegeben.«
»Hm.« Hagen probierte den Kuchen. »Der ist wirklich ganz besonders lecker«, lobte er dann. »Nicht so süß und sehr fruchtig.«
Angela schmunzelte. »Viel Zucker im Gebäck ist out. Deshalb mögen meinen Kunden mein Angebot. Alles schmeckt nach den guten Zutaten - nicht nur nach Zucker. Und bio ist es auch.«
Irmgard kam am Tisch vorbei und nickte den beiden zu.
»Na, die Polizei auch hier in meinem Lieblingscafé? Wegen des Mordes an HL? Der war nie hier, oder täusche ich mich da?«
Angela schmunzelte, nickte. »Anne auch nicht. Ich hatte sie gestern eingeladen, zum Frühstück zu kommen.«
»Sie wird auch nicht kommen. Die Hürde ist noch zu hoch. Der Hans-Ludwig hat so was immer verboten. Aber heute hat sie den Besuch der Polizei verpasst.« Irmgard war stehen geblieben, musterte Hagen neugierig. »Was Neues?«
»Ein Mord im beschaulichen Heidesaum. Da darf es nicht verwundern, dass viel Polizei im Ort auftaucht.« Bredow lächelte Irmgard freundlich zu, vermied es, auf die Frage einzugehen. »Der Mord ist doch sicher Gesprächsthema im Ort.«
»Sicher! Morde sind extrem selten bei uns. In Heidesaum stirbt man bio.«
»Der getötete Angler war offensichtlich sehr beliebt im Ort. Wen wir auch fragen, alle erzählen uns, er sei toll gewesen, umgänglich, freundlich, immer bereit, anderen zu helfen.«
In Irmgards Gesicht tobte ein Kampf zwischen Ekel, Lachen, Wut, Ungläubigkeit und Schock. »Wo zum Teufel hat die Polizei denn nachgefragt? Bei mir zum Beispiel war niemand, um sich zu erkundigen. Und die, die so einen Schwachsinn über HL verbreiten, sind ihrer Feigheit wegen zu bedauern! Und die, die ihnen glauben, ihrer Leichtgläubigkeit wegen noch mehr!« Die ältere Dame bebte vor Wut.
»Mich hat auch bisher niemand nach HL gefragt. Von mir hätte die Polizei andere Informationen über den Mann bekommen«, ergänzte Angela. »Aber vielleicht wäre die Frage ja noch gekommen.«
»Äh? Das soll heißen, er war ganz anders? Die Aussagen sind geschönt, weil man Toten nichts Schlechtes nachsagen soll?« Das Erstaunen Bredows war glaubhaft. »Sicher hätte ich mich auch gleich bei Ihnen nach dem Mordopfer erkundigt.«
»Dieser Kerl war das personifizierte Übel! Viele werden über seinen Tod mehr als erfreut sein. Angela weiß das auch - Sie hätten sie danach fragen sollen. Im Café sammeln sich all die Geschichten. Unsere wunderbare Gebäckzauberin und kreative Köchin wunderbarer Gerichte ist inzwischen die gute Seele von Heidesaum - HL war das ganz sicher nicht!«
Überrascht erkannte Hagen bei einem raschen Seitenblick, dass Angela rot geworden war.
»Nicht doch«, wehrte sie leise ab.
»Du hast dich doch gestern um die Witwe gekümmert. Wer außer dir war noch dort? Niemand! Weil dieser Mann alle im Ort derart verärgert hat und seine Frau sich nie gegen ihn wehrte.«
»Du warst bei der Witwe?« Hagens Augen fixierten seine Frau.
»Ich wollte mich gern um sie kümmern. Sie ist nett. Das weiß im Ort nur kaum jemand, weil man sich um sie nicht geschert hat. Nach Meinung vieler in Heidesaum ist sie einfach ein dummes, wehrloses Gänschen.«
»Sie hätte sich schon vor Ewigkeiten scheiden lassen sollen, dann wäre ihr vieles erspart geblieben. In meinen Augen war HL das Böse unter der Sonne schlechthin. Eigentlich dachte ich das ja von meiner Schwiegermutter, die sicher dereinst in der Hölle schmoren wird, aber die wurde von HL um Längen geschlagen. Der spielte in einer völlig anderen Liga!«
Angela kicherte verhalten. Ihre Schwiegermutter gehörte zu einem ähnlichen Typus.
Hagen zuckte heftig zusammen, spürte, dass ein Kommentar von ihm erwartet wurde. »Ja, meine Mutter«, seufzte er tief, »ist eine schwierige Frau. Andere weibliche Wesen an der Seite ihres Sohnes sind ihr ein Gräuel. Deshalb versucht sie immer, sie wegzubeißen.«
Irmgard lächelte und nahm an ihrem angestammten Tisch Platz.
Angela zwinkerte ihr kurz zu, trat hinter die Theke und begann damit, die Bestellung zusammenzustellen, die wortlos aufgegeben worden war. Man kannte sich eben.
Hagen hatte endlich Muße, sich dem leckeren Kuchen, der nun das Mittagessen ersetzte, zu widmen.
Seine Angela - eine patente Frau, allen Lebenslagen gewachsen, mit einem offenen Ohr und einer helfenden Hand für jedermann.
Seine Angela.
Er seufzte leise.
Von diesem Gedanken konnte und wollte er nicht ablassen.
Sie war sehr selbstbewusst, hatte schon vor der Eheschließung klargestellt, sie würde ihren Mädchennamen nicht aufgeben. Nicht, weil sie fürchtete, dass dadurch jeder sofort erkennen würde, die beiden seien ein Paar - sondern weil ihr der Name Liebetanz so viel besser gefiel.
Ja, sie lebten im Moment getrennt. Nicht nur von Bett und Tisch, sondern ganz deutlich in unterschiedlichen Welten, die sich nur gelegentlich berührten. Jeder in seinem Wirkungsbereich. Seit der Trennung setzte er auf eine Neubelebung ihrer Beziehung, bemühte sich, hielt engen Kontakt - wusste allerdings nicht, ob Angela diese Hoffnung teilte oder seine Anstrengungen für eine Rettung überhaupt bemerkte.
Seine Augen folgten ihren Bewegungen.
Sie ist glücklich hier und mit dem, was sie tut, räumte er widerwillig ein.
Ohne mich, ohne ihren bisherigen Job. Hagen seufzte erneut. Diskret. Ein wenig desillusioniert.
Sein Blick begegnete Irmgards wissender Miene und einem verhaltenen Zwinkern.
Er erschrak. Konnte man ihm sein Sehnen etwa so deutlich ansehen?
»Man wird sich schwertun, den Mörder von HL zu finden«, hörte er Irmgard leise mit Angela sprechen. »Zu viele, die ihn gern tot sehen wollten. Ich war beim Metzger, dort ist man geteilter Meinung. Einige dachten allerdings noch immer, sie müssten positiv über ihn sprechen. Solche Heuchler! Niemand konnte ihn wirklich leiden. Es ist fast, als hätten die Leute Angst, dass er sogar aus dem Grab heraus, in dem er noch gar nicht liegt, Schaden anrichten könnte!«
»Am meisten hatte seine Frau unter ihm zu leiden.«
»Ja, da hast du völlig recht. Sie war nicht zu beneiden. Viele Frauen im Ort verachten sie ihrer Wehrlosigkeit wegen zutiefst. Anne hatte einfach nicht die Kraft, sich zu lösen, hat all die Prügel von ihm und die Ausgrenzung im Ort eingesteckt.«
»Einziger Ansprechpartner war der Herr Pfarrer. Und der konnte auch nicht wirklich helfen. Beichtgeheimnis. Ist in der katholischen Kirche ein heiliges Versprechen. Blieb ihm nur, sie zu beraten.« Angela eilte zur Theke zurück, stellte ein gut eingeschenktes Glas Sekt aufs Tablett.
Als sie das leise prickelnde Getränk zu Irmgard schob, meinte sie: »Was soll er auch sonst tun? Beichtgeheimnis wird bei den Katholiken rigide gehandhabt. Selbst ein Mordgeständnis bleibt geheim.«
Irmgard prostete Angela zu, nippte am Sekt.
»Wie immer?«, erkundigte sich die junge Frau.
»Klar! Von deinem wunderbaren Obstkuchen mit Sahne!«
Angela verschwand in die Küche, holte die Sahne aus der Kühlung und schnitt dann ein Stück Kuchen ab, arrangierte alles appetitlich auf dem Teller.
»Danke, meine Liebe!« Die Kundin sah sich überrascht im leeren Café um. »Na, die anderen werden heute wohl ein bisschen später kommen. Die stehen seit gestern beim Metzger und diskutieren.«
Angela warf ihrem Mann einen prüfenden Blick zu.
Hagen deutete mit der Gabel auf den zweiten Stuhl am Tisch. »Setz dich bitte noch mal. Nur kurz, dann gehe ich wieder.«
»Gut. Du hast ja gehört,...
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