Schweitzer Fachinformationen
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Es ist später Oktober in San Francisco, und wenn ich noch ein Mensch wäre, würde ich mir den Arsch abfrieren. Ein eisiger Wind pfeift aus der Bucht herauf, so dass sich die zehn Grad eher anfühlen wie minus eins. Sogar mein Partner, der Ex-Football-Spieler David Ryan, fühlt sich sichtlich unwohl.
Aber es ist nicht die Kälte, die ihn die Stirn runzeln lässt, sondern die Erkenntnis, dass unser toller Plan für diese spezielle Festnahme in Rauch aufgegangen ist. Und vor allem, warum.
Wir stehen auf halber Höhe eines Häuserblocks an der Hollister Avenue und beobachten den Eingang einer Bar an der Ecke ein paar Türen weiter. Für einen Mittwoch ist sie proppenvoll. Gut, aber auch schlecht für das, was wir vorhaben. Gut, weil eine Menschenmenge Deckung bietet. Schlecht, weil immer die Gefahr besteht, dass irgendein unbeteiligter, aber übereifriger Zuschauer die Sache falsch versteht und sich einmischen will. Das ist uns schon mal passiert. Aber da wir wissen, dass unser Flüchtiger, Tony Tuturo, da drin ist - wir sind ihm bis hierher gefolgt -, ist das ein Risiko, das wir eingehen müssen.
Ach, habe ich schon erwähnt, dass wir einen Plan hatten?
Ich trage einen kurzen schwarzen Rock, ein knappes Seidentop mit Nackenträger, eine Lederjacke und echte Fick-mich-Pumps. Die Idee war, dass ich reingehe, ihn mit meinen weiblichen Reizen umgarne und ihm ein Angebot mache, das er nicht wird ablehnen können, weil er sein Glück gar nicht fassen kann. Sobald wir draußen wären, würden David und ich ihn in ein Auto verfrachten. In weniger als einer Stunde wären wir am Flughafen und mit unserem Kautionsflüchtigen auf dem Heimweg nach San Diego. Hätte funktionieren müssen. Hätte ein Spaziergang werden sollen.
David sieht mich an. »Das ist eine Schwulenbar. Wusstest du, dass Tuturo schwul ist?«
Jetzt weiß ich es. Ein Lachen platzt aus mir heraus, ehe ich es unterdrücken kann. »Wäre ich wohl so angezogen, wenn ich das geahnt hätte?«
Er runzelt die Stirn. »Was machen wir denn jetzt?«
Nicht zu fassen, dass er überhaupt fragen muss. »Was glaubst du denn? Du gehst rein, und ich warte hier. Herrgott, der wirft einen Blick auf dich, und .«
»Okay«, sagt er gedehnt. Er beobachtet die Tür und den beständigen Strom gutgekleideter Männer zwischen zwanzig und vierzig, die den Laden betreten. Melancholischer Soft Jazz treibt jedes Mal zu uns heraus, wenn die Tür aufgeht. David fährt sich mit der Hand durch das dichte, kurzgeschorene Haar. »Ich glaube, dafür bin ich nicht passend angezogen.«
Er trägt Jeans, ein schwarzes T-Shirt und einen langen, schwarzen Ledermantel. Vielleicht ein wenig underdressed, verglichen mit den schicken Anzügen, die wir in die Bar gehen sehen. Aber David hat als Tight End für die Broncos gespielt, als die noch Super-Bowl-Champions waren, und er ist jetzt ebenso fit und durchtrainiert wie damals. Seine muskulösen hundertzwanzig Kilo sind wohlproportioniert über einen Meter fünfundneunzig verteilt. Er sieht so gut aus, dass er modeln könnte - hohe Wangenknochen, feingebräunte Haut, üppige Lippen.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Glaub mir, niemand wird darauf achten, wie du angezogen bist.«
Er blickt auf mich herab, immer noch stirnrunzelnd. »Also gut.« Er reicht mir die Autoschlüssel. »Bis gleich dann.«
David geht hinein, und ich bleibe auf dem Bürgersteig zurück und darf Däumchen drehen. Ich gehe ein paar Schritte weiter und bleibe neben unserem Mietwagen stehen. Mir ist es viel lieber, selbst den Köder zu spielen. Nichtstun geht mir auf die Nerven. Es erinnert mich nur daran, wie sehr sich mein Leben seit einer Nacht wie dieser hier im vergangenen Sommer verändert hat. Nur dass der Flüchtige damals nicht das war, was wir erwartet hatten. Und als er mich angriff, vermischte sich unser Blut, und ich wurde zum Vampir.
Ich lehne mich mit dem Hintern an die Tür und presse mir die Fingerspitzen auf die Augen.
Ein Vampir.
Ich habe mich damit abgefunden. Zum Großteil. Ich akzeptiere, dass ich menschliches Blut trinken muss, um mich zu ernähren, und dass die Unsterblichkeit meine Zukunft ist. Aber alles habe ich nicht akzeptiert. Das Kräfteverhältnis zwischen der übernatürlichen und der menschlichen Seite meiner Persönlichkeit verschiebt sich. Mit jedem Tag spüre ich es mehr. Das Tier in mir wird stärker und immer schwerer zu beherrschen. Ich habe einen Mentor, der mir hilft, und eine Art Selbsthilfegruppe, wenn man so will, die mir den Übergang erleichtert. Doch ich habe auch eine menschliche Familie und einen Geschäftspartner, die nicht wissen, zu was ich geworden bin, und ich kämpfe darum, an diesen Beziehungen festzuhalten, so lange ich kann.
Die Tür der Bar schwingt auf, und David ist wieder da, einen Arm um die Schultern von Tony Tuturo gelegt. Die beiden lachen, und Tony schlingt einen Arm um Davids Taille und zieht ihn an sich.
Das hat ja nicht lange gedauert - hatte ich auch nicht erwartet. Ich schlüpfe auf den Fahrersitz und lasse den Motor an.
David steuert Tony auf den Wagen zu. Tony ist einen halben Kopf kleiner als David und etwa fünfunddreißig Kilo leichter. Er hat braunes Haar und feine, gebräunte Haut, die im schwachen Licht schimmert und schreiend »Sonnenbank« verkündet. Er ist makellos gekleidet, in einen grauen Armani-Anzug mit Nadelstreifenhemd. Keine Krawatte. Wohl auch keine Schusswaffe - außer, sein Schneider hat das Jackett eigens dafür angepasst. Er wird in New York gesucht, wo man ihm Erpressung und schweren Diebstahl vorwirft. Ich wette, er hat eine Waffe.
Sie nähern sich dem Wagen. David lässt die Hand von Tonys Schultern sinken, leicht über dessen Jackett streifen und hakt sich dann bei ihm unter.
Sehr geschickt abgetastet. So unauffällig habe ich das selten gesehen.
Nun fällt Tony auf, dass David ihn auf ein Auto zuführt, das mit laufendem Motor am Straßenrand steht. Er tritt noch einen Schritt näher, sieht mich und bleibt stehen.
Sein Lächeln weicht einem verwunderten Stirnrunzeln. »Wer sitzt in dem Auto?«, fragt er.
David verstärkt seinen Griff, eine Hand noch um Tonys Taille, die andere nun an seinem Oberarm. »Eine Freundin, Tony. Meine Fahrerin.«
Ich schenke ihm ein Lächeln.
Tony wird unruhig. »Wir brauchen keine Fahrerin. Wir nehmen meinen Wagen.«
Aber David hat ihn jetzt nah genug am Auto, um die Maske fallen zu lassen. Er versetzt Tony einen Stoß, der ihn hilflos gegen die Seite des Wagens prallen lässt. Während Tony noch darum ringt, sich aufrecht zu halten, lässt David die Handschellen zuschnappen, drückt ihn mit einer Hand an den Wagen und tastet ihn gründlich ab.
Die Waffe, ein hübscher kleiner Smith & Wesson 38er LadySmith-Revolver, steckt in einem hübschen kleinen Wadenholster.
David öffnet die Fondtür und stößt Tony auf den Sitz. Er steigt neben ihm ein, reicht mir die Waffe nach vorn und schnalzt mit der Zunge. »Rosenholzgriff«, sagt er. »Ein bisschen zu schick für meinen Geschmack.«
Ich drehe den Revolver hin und her und bewundere das prächtig verarbeitete Holz. »Sehr hübsche Waffe, Tony.«
Eine Bewegung vor der Bar erregt meine Aufmerksamkeit. Ein Mann stürzt aus der Tür und blickt erst nach links, dann nach rechts.
»Ein Freund von dir, Tony?«, frage ich.
Tony antwortet nicht.
Der Kerl kommt auf unser Auto zu. Er sieht gut aus, wie man eben mit einem italienischen Seidenanzug und zurückgegeltem Haar so aussieht. Er versucht, auf den Rücksitz des Wagens zu spähen, doch in der Dunkelheit sind die getönten Scheiben praktisch undurchsichtig.
»Ich glaube, das ist unser Stichwort«, sage ich zu David und rase los.
Der Kerl starrt uns nach. Er runzelt unsicher die Stirn, macht aber keine Anstalten, uns folgen zu wollen. Ich sage mir, dass ich nun entspannen kann, und fahre in Richtung Freeway.
»Sag San Francisco auf Wiedersehen, Tony«, murmle ich.
Doch auch diesmal kommt keine Reaktion vom Rücksitz. Tony spricht kein Wort, während der gesamten Fahrt zum Flughafen. Er fragt nicht einmal, wer wir sind oder wo wir ihn hinbringen. Seine mangelnde Besorgnis lässt mich umso wachsamer werden. Niemand gibt so leicht einfach auf.
Von San Francisco geht fast stündlich ein Pendlerflug nach San Diego, bis unser Flughafen wegen Lärmschutz um Mitternacht geschlossen wird. Es ist jetzt zehn Uhr. Uns bleibt gerade noch genug Zeit, den letzten Flug nach Hause zu erwischen. Ich stehe mit Tony in der Nähe des Shuttlebusses vor der Autovermietung. Sein Jackett hängt lose über seinen Schultern und verbirgt die Handschellen. Als die Bustüren aufgehen, steige ich zuerst die Stufen hoch. David stupst Tony vorwärts. Er tritt auf die erste Stufe, taumelt rückwärts und stößt gegen David, der das Gleichgewicht verliert. Schneller, als ich es für möglich gehalten hätte, rammt er David den Kopf in den Bauch, schubst ihn beiseite und rennt über den Parkplatz.
Doch so schnell er auch sein mag, ich bin schneller. Ich höre David hinter mir rufen, doch der Adrenalinkick hat eingesetzt. Der Jäger und die Beute. Reiner Instinkt. Ich habe Tony mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt liegen, ehe die beiden Männer so recht mitbekommen, was passiert ist. Ich habe den Vampir die Kontrolle übernehmen lassen, und solange David noch außer Hörweite ist, knurre ich in Tonys Ohr und drehe sein Gesicht zu mir herum.
Ich weiß nicht, wie mein Vampirgesicht aussieht. Ich werfe kein Spiegelbild mehr. Die Veränderung kann ich nur spüren - die Hitze, das aufwallende Blut. Seit Wochen habe ich nichts mehr getrunken. Mein menschlicher Job hat den Großteil meiner Zeit in...
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