Schweitzer Fachinformationen
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Ins Dunkel ist Screwball-Komödie und Melodram, Tragödie und Romanze in einem: ein Roman als Film, glamourös und hochpolitisch. In raffinierten Rückblenden, mit Tempo und Timing verhandelt er das Verhältnis von Literatur, Film und Macht in Zeiten inszenierter Wirklichkeiten.
Wir sitzen im Dunkeln. Auf der Leinwand treffen sich Greta Garbo und Erika Mann 1969 in den Schweizer Bergen und erinnern sich. Wie war das noch mit Marlene Dietrich und der gemeinsamen Geliebten? Als der Film den Nerv der Zeit traf und die Deutschen Hollywood und ganz Amerika durcheinanderwirbelten. Mit Erika Manns antifaschistischem Kabarett Die Pfeffermühle, während die ganze Welt ins Dunkel glitt? Mit der Zensur nach 1933 auch in den USA? Ach - und wie gut kannten sich eigentlich Greta Garbo und Marlene Dietrich? Wer traute sich mehr auf der Leinwand? Und im Leben?
Eine Liebeserklärung an das Kino
Eine Tür geht auf. Sie hat ein quadratisches Fensterchen und gehört zu einem freundlich verwinkelten Gebäude mit steilen Dächern, einem hohen Schornstein und Fachwerk am spitzen Giebel. Hinter Salka, der jüngeren, warten Berthold und Greta sowie Lubitsch und dieser Schnauzer Sternberg in einem Vorgarten mit Rosensträuchern und einer Magnolie.
»Hans, Peter, Thomas?«, ruft Salka ins Haus. Keine Antwort. Rasch durchquert sie das großzügige Wohnzimmer und erblickt durch die breite Fensterfront zum rückwärtigen Garten drei Jungs, die in einem Feigenbaum klettern.
»Macht es euch bequem«, bittet Salka die eintretenden Gäste. Sie geht durch ein Esszimmer in die Küche, legt ihre Tasche auf einer Eckbank ab und setzt Wasser auf. Mit dem Handrücken wischt sie sich Tränen von den Wangen. Sie nimmt Streichhölzer und kehrt in den Salon zurück, zu einer Anrichte mit einer Totenmaske auf einem violetten Kissen. Salka entzündet die Kerzen links und rechts und verharrt einen Moment. »In Amerika hat der Tod einfach keine Würde. - Habt ihr es auch bemerkt? Der Bestatter hat ihn doch geschminkt. Volles Make-up.«
Greta, im grauen Anzug mit Krawatte wie Berthold und Lubitsch, tritt hinzu. Sie trocknet sich mit einem Taschentuch die Augen, ohne die Mascara zu verwischen.
Lubitsch setzt sich zu Berthold an den Kamin. »Übrigens, Viertel - es war gar nicht der Jannings, der Kläuschen Mann damals die 1000 Dollar für die Weiterreise nach Japan geschenkt hat. Es war unser Freund Murr, für gewisse -« Er und Berthold sehen sich vielsagend an.
Greta winkt den Buben draußen und will gerade zu ihnen gehen, da klingelt es. Salka lässt einen Mann mit Hornbrille ein, den wir noch nicht kennen. »Ach, Rouben, schön, dass du doch noch kommst!« Hat Salka einen Unterton?
»Entschuldigt bitte.« Rouben überfliegt die Anwesenden und deutet vor Greta erfreut eine Verbeugung an. »Dr. Jekyll wollte heute einfach nicht zu Mr. Hyde werden. Alle Spezialeffekte haben versagt, die neuen Kamerafilter genauso wie das phosphoreszierende Licht. Null Horror. Ich hab's daher nicht rechtzeitig aus dem Studio geschafft.« Seine Stimme ist sehr angenehm, wie der ganze Mann. Typ gutaussehender Intellektueller. »Wie war's denn?« Er tritt zu der Totenmaske und hält einen Moment inne.
»Leer war's. Kein Mensch war da.« Lubitsch starrt trüb vor sich hin. »Ganz Hollywood glänzte durch Abwesenheit. Und das einem Friedrich Wilhelm Murnau. Gut, dass er das nicht mehr erleben musste.«
Rouben blickt unsicher von einem zum andern.
Eingehend mustert Salka seinen Straßenanzug. »Von Marlene hätte ich es nicht gedacht. Dass die auch kneift.«
»Hat sie auch nicht«, entgegnet Sternberg, den Arm auf dem Sims des Kamins, in dem Holzscheite auf kältere Tage warten. »Die hätte ganz gewiss teilgenommen, aber sie ist in Europa.«
»Wie? Schon wieder weg?«
»Den Riesenerfolg in der Heimat genießen. Sie singt ihre Lieder jetzt auch in London und Paris. Und in Berlin nimmt sie Schallplatten auf. Sie kommt aber bald zurück.«
»Chaplin ist übrigens auch gerade in Berlin. Der ist also ebenfalls entschuldigt«, sagt Berthold.
Rouben kratzt sich am Kinn.
»Aber am schlimmsten war dieser trostlose Bestattungssalon.« Sternberg verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ich fand das Kreuz aus Gardenien noch schlimmer«, meint Salka.
»Ich hatte einen Kranz bestellt«, sagt Greta. »Der Florist hat, ohne mich zu fragen, ein Kreuz daraus gemacht.«
»Aber Gardenien? Mussten die wirklich sein?«, fragt Lubitsch gequält.
»Ja.«
»Soll ich euch sagen, warum ganz Hollywood ferngeblieben ist? Das hat mit deinen Gardenien zu tun. Wer geht schon -« Lubitsch will weitersprechen, aber Berthold eilt ans Fensterchen der Haustür. »Wo kommen denn jetzt die alle her?«
Quadratisch eingefasst, erblicken wir Dutzende Menschen, die durch den Vorgarten strömen. Berthold öffnet.
»Trauen sich nicht zur offiziellen Trauerfeier, aber zu meinem Leichenschmaus«, sagt Salka absichtlich laut.
Die ersten Gäste haben ihre Worte noch gehört. An einige können wir uns erinnern, von Marlene Dietrichs Begrüßungsparty.
»Haben Sie tausend Dank für die Gelegenheit zum Abschied«, murmeln die Ankömmlinge, schütteln Berthold die Hand und händigen Salka Blumen aus. Sie will sie erst nicht annehmen, aber dann pfeift aus der Küche der Wasserkessel. Seufzend holt sie Vasen, stellt die Blumen zu Murnaus Totenmaske und brüht Tee auf.
Die Gäste füllen derweil den Wohnsalon und treten auch schon durch die Verandatür in den Garten. Die Jungs draußen verdrücken sich. Unser Blick bleibt an einer Frau ganz in Schwarz hängen: ein Dreispitz auf dem Kopf, ein Cape über den Schultern, darunter eine Bluse mit Rüschen an Hals und Busen, Kniehosen, Seidenstrümpfe und hochhackige, spitze Schuhe mit silbernen Schnallen. Sie ist klein und trägt das Kinn hoch. Unruhig sieht sie sich um. Salka nimmt sie verwundert wahr, als sie, mit einem großen Tablett beladen, in den Salon zurückkehrt.
»Ach Gott, ist das nicht - Sergej Eisenstein?«, ruft eine Dame, die ihr mit den Tassen, Zucker und Milch hilft.
Ein zierlicher Mann mit ähnlich wolkig aufgetürmtem Haar wie Salka kommt herein.
»Was macht der denn in Hollywood?«
»Filme drehen? Soll hier manchmal geschehen. - Paramount hat ihn für ein Jahr verpflichtet.« Salka schenkt Tee aus, der ihr freudig abgenommen wird.
»Diesen Kommunisten?« Die Dame spuckt das Wort angewidert aus.
»Ein bisschen mehr Gerechtigkeit, mehr für die Armen und weniger für die Reichen, würde diesem Land hier auch gut anstehen«, versetzt Salka. »Strudel?«
»Die Sowjets haben umgekehrt noch keinen Regisseur aus Hollywood eingeladen«, mischt sich Lubitsch ein. »Oh, und mit Vanillesauce - wie immer göttlich, Salka!«
»Täte denen wiederum auch mal gut, oder?« Salka beordert Eisenstein zu sich. »Warum bist du nicht zu der Zeremonie gekommen? Du bist doch sonst nicht so feige? Im Angelus Temple waren wir doch letztens auch?«
Während sich Salka bei ihm einhakt, grüßt Eisenstein die Dame und Lubitsch höflich. »Salka und ich haben schon einige Expeditionen zusammen unternommen, sowohl in das fromme wie auch in das sündige Los Angeles.«
»Den Angelus Temple kenne ich auch.« Die dramatische Frau in dem schwarzen Cape steht auf einmal bei ihnen. »Wobei die Priesterin dort das fromme und das sündige Los Angeles vereint.« Sogleich späht sie wieder um sich. Salka betrachtet sie erstaunt.
Eisenstein nickt zustimmend. »Salka und ich haben einen ihrer Gottesdienste besucht. Der Tempel war bis auf den letzten Platz gefüllt, fünftausend verzückte Menschen. In ihrer Predigt verkündete die Priesterin, der Herr sei süß, und schmatzte dabei genießerisch, als schmecke sie den süßen Jesus!«
»Und die ekstatische Menge hat mitgeschmatzt!«, ergänzt Salka. »Am Ende haben alle Halleluja gesungen und wahnwitzige Summen gespendet.«
»Reinste Propaganda«, sagt Eisenstein fasziniert und zwinkert Salka zu, die ihm den Unterarm tätschelt. »Was machen wir armen Schlucker bloß falsch?«
Die Unbekannte in Schwarz zieht die Brauen zusammen. »Im Angelus Temple feiern Menschen jeder Hautfarbe zusammen Gottesdienst. Sie scheinen keinen Begriff davon zu haben, was das in diesem Land bedeutet.« Brüsk entfernt sie sich. Eisenstein, Salka, Lubitsch und die Anti-Kommunistin sehen ihr verdutzt nach.
Sie bahnt sich suchend einen Weg durch die Leute, an Berthold vorbei, der am Klavier mit einer blutjungen Frau spielt. Im Esszimmer sitzt Greta Garbo am Tisch und untersucht ...
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