Schweitzer Fachinformationen
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Es.
. war einmal im Jahre 1311. Tief in den Wäldern stand das kleine Haus einer jungen Frau. Sie lebte allein mit ihren Tieren und der Freiheit. Jeden Morgen hängte sie ihr Nachtkleid in den Wind. Sie war ein Kind der Sonne, betete in der Nacht für alle gefallenen Träume dieser Welt. Ein grauer Kater wich nie von ihrer Seite, schnurrte durch unbeschwerte Tage. Mit den ersten Lichtstrahlen sprang er jeden Morgen auf ihr Kissen, lockte sie vor die Tür. Sie stand auf, wusch ihr Gesicht und zog sich an. Barfuß spazierte sie durch den Kräutergarten. Tau küsste ihre Füße, nur der weiße Araberhengst verlangte nach Futter. Sie nahm zwei Eimer aus dem Stall, ging in Kreisen zu den vertrauten Weiden. Das letzte Gatter führte zu dreizehn Perlhühnern, ihr einziges Erbe. Sie streute Körner aus, nahm die gepunkteten Eier mit ins Haus. Der Wind versuchte, ihr unter der Türschwelle zu folgen. Das Feuer im Kamin brachte Licht in den dunklen Raum, wärmte den Tee frischer Kräuter. Sie sang dabei, sang in einer fremden Sprache. Die Worte, Gefühle, aneinandergereiht auf einer Perlenkette. Elfenlieder. Die Natur lauschte und antwortete. Ein Mobile aus Holz lieferte begleitend pentatonische Klänge. Das Rauschen des Baches umhüllte die Töne. Fallende Blätter gaben den Takt. Sie lief mit dem Kater auf eine kleine Lichtung, dankte jeden Tag Mutter Natur für ihre Güte. Stürme verschonten ihr Haus. Der Regen tränkte nährend ihre Beete. Wenn im Frühling kleine Lämmer über die Weide sprangen, zählten sie gemeinsam Maiglöckchen. Jeder Blütenkelch ein friedlicher Ton. Heilendes Grün verwehte trübe Ängste.
Die Menschen im Dorf redeten viel, verstanden nichts von der Liebe zur schweigsamen Einsamkeit. Sie hatten Angst. Angst vor dem Wolf. Der Wolf war ein Freund der jungen Frau, hielt Dämonen und Bewohner fern. Als Welpe hatte er sich mit seiner Pfote an einem scharfen Stein geschnitten. Die Frau hatte ihn den Winter über an ihrem Kamin schlafen lassen. Kräuter des Glücks und warme Verbände heilten schnell seine Wunden. Mit dem Frühling begrüßte er die Lämmer und schwor, sie zu verschonen. Er rannte anmutig in die endlosen Weiten des Waldes. Eines Nachts kam er zu ihrem Haus und sang das Lied vom Mann im Mond.
An grauen Tagen saß die junge Frau am Feuer, webte mit feinem Garn. Die Fäden schimmerten silbern, so achtsam gesponnen. Sie wusste bereits, welche Frauen einmal Wärme in dem Tuch finden würden. Ihre Lippen stimmten einen Gesang an, es ertönten die tiefen Sehnsüchte zukünftiger Trägerinnen. Die Frauen würden spüren, was ihnen im Leben fehlte. Ein neuer Kampfgeist gegen das Patriarchat. Es sprach sich unter den Frauen herum, dass ihre Tücher etwas Besonderes waren. Die Liste der zukünftigen Trägerinnen wurde immer länger.
An einem lauen Sommerabend erntete die Frau Erdbeeren, vernahm donnernde Hufe. Die Erde bebte. Der Wind hörte auf zu wehen. Alles lauschte. Es kam ein Reiter in weißem Gewand durch den Wald. Die Frau stellte sich auf, lief zum Gartentor. Ohne ein Wort rauschten die beiden an ihr vorbei. Sie öffnete die Stalltür, holte Wasser. Der Reiter sprang ab, stellte den verschwitzten Hengst unter. Sie musterte den Mann. Auf seiner Brust prangte ein rotes Kreuz. Sein weißes Haar lag in nassen Strähnen auf der Stirn, das Gesicht eingefallen, nur seine Augen leuchteten kampfbereit. Ein Ritter unter dem Schutz des Heiligen Grals. Sie nahm die Satteltaschen ab, bat ihn in ihr Haus. Er war wie ihr Wolf, ein verletztes und gejagtes Tier. Brauchte Schutz. Der Ritter zögerte, sein Schwert abzulegen. Sie ging auf ihn zu, löste die Eisenschnalle. Entwaffnet ließ er sich auf ihrem Hocker nieder. Er schaute sich um, sog den Duft der Kräuter und der frischen Erdbeeren ein. Sie stellte ihm einen Teller mit Brot und ein Glas Milch auf den Tisch. Der Ritter erhob seine Stimme. Warm und voller Balsam erzählte er ihr seine Geschichte.
Einst hatte er als Erster Rittmeister einem Kreuzzug in den Osten gedient. Vier Sommer verbrachte er in Jerusalem. Dort wurden die ersten Feuer geschürt. Er hatte gehofft, den Bränden mit einer Flucht zu entkommen. Die Ritter wurden Kirche und König ein Dorn im Auge. Sein Land, einst Passion und Paradies, verfolgte ihn. Mit dem Abend kam der Wolf. Der Ritter wollte hinaus, ihn verscheuchen. Die Frau mahnte ihn, seinem Geheul zu lauschen. Der Ritter legte sich sanft auf ein Fell neben dem Kamin. Die Frau verschwand in ihrer kleinen Kammer. Lange fand sie keinen Schlaf, ihr Herz pulsierte unter der Last der Sehnsucht.
Als der Morgen erwachte, fehlte der Kater auf ihrem Kopfkissen. Erschrocken sprang sie auf, rannte im Nachtgewand in den Kaminraum. Ihr Kater schlief eingerollt in den Armen des Ritters. Sie setzte sich neben die beiden, begann zu singen. Im letzten großen Krieg starb ihr Vater. Ihre Mutter erlag kurz darauf ihren Verletzungen, zu Tode geschunden während einer dreitägigen Vergewaltigung durch feindliche Söldner. Das kleine Mädchen hatte sich bei den Perlhühnern in einem Käfig versteckt. Vier Tage lang hatten die Hühner keinen Laut von sich gegeben. Die Soldaten nahmen die Stute der Familie, ließen ihr Fohlen wiehernd zurück. Weitere Tage blieb das Mädchen im Stall, aß Eier und trank die letzten Tropfen Wasser aus dem Hühnernapf. Als sie sich herauswagte, lag ihr Dorf niedergebrannt. Ihre tote Mutter bei den anderen Frauen auf dem Marktplatz. Leichentürme. Trophäen. Ausgeblutete, weiße Herzen.
Das Fohlen und die Perlhühner, ihre einzige Erinnerung an das Leben vor der Einsamkeit. Zu zweit hinter einer Mauer namens Unerreichbarkeit. Sie wurde des gebrochenen Blicks des Ritters gewahr. Seine Tränen auf den Wangen fing sie mit scheuen Fingern auf. Geschmack von Salz, kostbares Gut. Seine Hand suchte zaghaft die ihre. Wie der Sommerwind auf den Feldern trafen sich die Seelen in einem sehnsuchtsvollen Kuss. Der Wald rauschte im Rhythmus ihres Atems. Kinder der Liebe ließen ihre geschundenen Herzen verschmelzen. Als ihr Körper seine Haut berührte, barsten Sonnen. Warmes Licht zerbrach ihre Begierden in tausend Teilchen. Seine Resonanz ein tiefes Brummen. Beide sollten zum ersten Mal im tiefen Fall aufgefangen werden. Immer schneller werdende Wellen der Unvernunft. Im strahlenden Zenit brach ihr Blick. Die Matrix rief schonungslos eine Vision hervor: Die Welt würde düster werden und dahinsiechen. Das Spinnennetz einer tödlichen Krankheit würde sich wie ein Strang um die Kehlen schließen. Der Schwarze Tod würde auf unbekannten Wegen in die Häuser der Menschen schleichen. Kinder, Väter und Mütter sollten Hand in Hand sterben. Die Bevölkerung würde sich spalten. Leichen werden auf Straßen und in Betten liegen. Man würde den Juden die Schuld an der Seuche geben. Sie sah, dass der Ritter gekommen war, um ihr die Zauberformel der Transformation zu verraten. Ewig würden sie denselben Seelenweg bestreiten, wie Schwäne einander vertrauen.
Als sie schwer atmend zurückkehrte, schaute er sie besorgt an. Diese Bilder hatten sie miteinander geteilt. Im Angesicht der wahren Liebe öffnete sich ein Tor, die Verwicklung des Universums im Kampfe zwischen Ordnung und Chaos, Wahrheit und Lüge.
Über den Sommer wuchs ihr Bauch. Liebe sollte kostbare Früchte tragen. Die Königskinder liebten sich am Tage, liebten sich in der Nacht. Die Frau spürte die Not der Welt. Ihre Tücher sollten die blutende Gesellschaft vor der drohenden Katastrophe bewahren. Als sie sich von dem Ritter am Markttag verabschiedete, legte er ihr beschützend seine Arme um den Bauch. Er nahm ein Tuch vom Wagen, um ihr Kind zu verbergen. Das Lied des Tuches handelte von der Sehnsucht nach Frieden. Auf dem Markt trat der Pfarrer des Dorfes an ihren Stand. Ihm wären die besonderen Tücher zu Ohren gekommen, man munkelte, dass in ihnen Magie steckte. Er prüfte die Fäden, konnte nichts Verwerfliches erkennen. Mit scharfem Blick musterte er die junge Frau. Eine Ahnung huschte über sein Gesicht. Schnell verbarg er seine Gedanken. Das Heer der Kirche stand bewaffnet hinter jeder Tür.
Am späten Abend legte sie sich nieder. Dankte den Sternen für Schutz. Streichelte ihren Bauch und glitt in eine unruhige Nacht. Als sie erwachte, spürte sie die ersten Wellen des Unheils. Der Wolf war verstummt. Sie überzeugte den Ritter, ihn zu suchen, verkleidet in ihrem Gewand. Nach langen, erdrückenden Stunden kehrte er zurück. In der Hand ein Tuch mit Blutspuren. Sie hatten den Wolf erlegt. Die Angst der Dorfbewohner war umgeschlagen in Übermut, der gute Geist vernichtet. Die Frau weinte. Ihr Schutzpatron lebte nun im Reich der Sternenkinder. An diesem Abend spürte sie die Kälte des nahenden Winters. Die Tage verstrichen, überschattet von der schutzlosen Angst. Die Bilder ihrer Vision fanden den Weg in ihre Träume, mahnten schneller zu weben.
Eines Morgens kam ein Reiter zu ihrem Hof, brachte schlechte Kunde. Es ging das Gerücht, dass einer der letzten Ritter im Wald verschollen war. Die Bewohner kamen schnell zu dem Entschluss, dass er bei der Hexe unsittlichen Unterschlupf gefunden habe. Das Dorf hatte sie zur Hexe auserkoren. Der Ruf, den die große Macht der Tücher genoss, drang bis zur Kirche vor. Die Frauen begannen sich zu regen, Treffen des heimlichen Widerstands. Eine Frau hatte in der Beichte darum ersucht, ihren Tyrannen verlassen zu dürfen. Der Reiter bemerkte erschrocken die Rundung ihres Bauches und riet, noch in der gleichen Nacht zu fliehen. Die Menschen hatten keine Angst mehr vor dem Wald. Der Wolf war schließlich tot. Sie würden kommen, um die beiden zu holen.
Der Ritter wollte sofort los, doch sie brach in Tränen aus, brach zusammen. Dieser Ort war ihr Ein und Alles, die Schwangerschaft zu weit fortgeschritten für eine Flucht. Sie betete zu den Göttern, möge...
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