Schweitzer Fachinformationen
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Die einmotorige Cessna Caravan neigte sich leicht nach vorn und zog einen weiten Bogen über die Sümpfe westlich von Miami. Die Maschine flog so hoch, dass sich die Landschaft wie ein Postkartenpanorama präsentierte. Der Wind fuhr in den offenen Laderaum, wo sich eine junge Frau an den Haltegriff klammerte und ängstlich in den unendlich weiten Himmel starrte. Der Mann hinter ihr forderte sie auf zu springen.
»Und wenn sich mein Fallschirm nicht öffnet?« Die Frau warf ihm über die Schulter hinweg einen bangen Blick zu. Sie war eine große, schlanke Blondine mit einer umwerfenden Figur und einem makellosen Gesicht.
»Vertrau mir, Belinda, er wird sich öffnen«, versprach Blake Williams. Das Fallschirmspringen gehörte seit Jahren zu seinen Leidenschaften, und es war ihm jedes Mal ein Genuss, dieses einzigartige Erlebnis mit jemandem zu teilen.
Eine Woche zuvor, bei ein paar gemeinsamen Drinks in einem privaten Nachtklub in South Beach, hatte Belinda zugestimmt, mit ihm zu springen. Am nächsten Tag hatte Blake ihr einen achtstündigen Einführungskurs sowie einen Testsprung mit dem Lehrer spendiert. Es war erst ihre dritte Verabredung gewesen, aber Blake hatte so geschwärmt, dass sich Belinda nach dem zweiten Cosmopolitan lachend dazu bereit erklärte. Sie hatte sich offenbar keine Gedanken über die Konsequenzen gemacht, denn jetzt sah sie ihn ängstlich an und schien sich zu fragen, wie es ihm nur gelungen war, sie zu so etwas zu überreden. Bei dem Sprung mit dem Lehrer hatte sie Todesängste ausgestanden. Aber es war auch aufregend gewesen. Mit Blake zu springen war vermutlich die ultimative Erfahrung. Obwohl sie ihn kaum kannte, war Belinda bereit, mit ihm aus einem Flugzeug zu springen. Trotzdem hatte sie jetzt Angst. Blake beugte sich vor und küsste sie. Sofort fühlte sie sich besser. Wie man es ihr bei dem Übungssprung beigebracht hatte, tat sie einen Schritt ins Leere.
Blake folgte ihr Sekunden später. Belinda schoss in freiem Fall auf die Erde zu. Sie schloss die Augen und schrie aus voller Kehle. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Blake ihr signalisierte, die Reißleine zu ziehen. Dann schwebten sie langsam der Erde entgegen. Blake lächelte sie an und hob den Daumen. Belinda konnte nicht glauben, dass sie es zweimal innerhalb einer Woche getan hatte. Aber Blake war eben so charismatisch, dass er sie sogar von einer solchen Verrücktheit hatte überzeugen können.
Belinda war zweiundzwanzig und arbeitete als Model in Paris, London und New York. Sie hatte Blake kennengelernt, als sie zu Besuch bei Freunden in Miami war. Er war in seiner Boing 737 von St. Bart's herübergeflogen, um sich ebenfalls mit einem Freund zu treffen. Die kleinere Maschine und den Piloten für diesen Sprung hatte er gechartert.
Blake Williams war in allem, was er tat, ein Ass. Er fuhr seit dem College olympiareif Ski, hatte einen Pilotenschein und war passionierter Fallschirmspringer. Er kannte sich hervorragend mit Kunst aus und besaß eine der berühmtesten Sammlungen moderner und präkolumbischer Kunst. Er war ein Connaisseur, was Weine, Architektur, Segeln und Frauen betraf. Blake Williams liebte die schönen Dinge des Lebens. Er hatte in Harvard seinen MBA gemacht, in Princeton den BA, war sechsundvierzig Jahre alt und hatte sich mit fünfunddreißig zur Ruhe gesetzt. Seither genoss er das Leben in vollen Zügen und ließ andere daran teilhaben. Belinda hatte bereits von Blakes Großzügigkeit gehört. Er war der Typ Mann, von dem jede Frau träumt - reich, intelligent, gutaussehend und humorvoll. Doch trotz seines Erfolges in der Geschäftswelt war er kein rücksichtsloser Ellbogentyp. Blake war ein begehrter Junggeselle. Seine Beziehungen während der letzten fünf Jahre waren zwar kurz und eher oberflächlich gewesen, hatten jedoch nie ein hässliches Ende genommen. Auch wenn ihre flüchtigen Bekanntschaften mit ihm längst der Vergangenheit angehörten, liebten ihn die Frauen immer noch.
Während sie langsam dem menschenleeren Strandabschnitt entgegenschwebten, schaute Belinda bewundernd zu ihm hinüber. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie mit ihm aus einem Flugzeug gesprungen war. Es war das Aufregendste, was sie je getan hatte. Vermutlich würde sie es nicht wiederholen, aber während sie einander an den Händen hielten und durch den blauen Himmel glitten, ahnte sie, dass sie diesen Augenblick niemals vergessen würde.
»Das macht Spaß, stimmt's?«, rief er ihr zu, und sie nickte überwältigt. Belinda konnte es kaum erwarten, allen zu erzählen, was sie getan hatte, und vor allem, mit wem.
Trotz der anfänglichen Angst lächelte Belinda, als ihre Füße den Boden berührten. Zwei Lehrer der Sprungschule standen bereit und befreiten sie von dem Fallschirm. Blake landete nur wenige Schritte hinter ihr. Sobald sie die Fallschirme abgelegt hatten, nahm Blake Belinda in die Arme und küsste sie. Seine Küsse waren so berauschend wie alles an ihm.
»Du warst phantastisch!« Er hob Belinda hoch und wirbelte sie durch die Luft. Sie lachte in seinen Armen. Er war der aufregendste Mann, dem sie je begegnet war.
»Nein, du bist phantastisch! Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals etwas so Verrücktes tun würde.«
Ihre Freunde hatten sie davor gewarnt, auf eine ernste Beziehung mit Blake Williams zu hoffen. Er ging mit den schönsten Frauen der Welt aus. Eine feste Bindung schien jedoch für ihn nicht in Frage zu kommen, obwohl es auch die schon gegeben hatte. Er hatte drei Kinder und eine Ex-Frau, die er immer noch liebte. Seit der Scheidung wollte er jedoch nichts weiter als sein Leben genießen. Nach einer festen Beziehung stand ihm nicht der Sinn. Sein Durchbruch in der Dotcom-Welt war ebenso legendär wie der Erfolg der Unternehmen, in die er seither investierte. Für Blake Williams hatten sich alle Träume erfüllt.
Während sie nun vom Strand zu dem wartenden Jeep gingen, legte Blake den Arm um Belinda, zog sie an sich und küsste sie leidenschaftlich. Belinda würde diesen Tag nie vergessen. Wie viele Frauen konnten sich schon rühmen, mit Blake Williams aus einem Flugzeug gesprungen zu sein? Vielleicht waren es mehr, als sie ahnte, aber sicher war nicht jede Frau, mit der er ausgegangen war, so mutig gewesen wie sie.
Der Regen prasselte gegen die Scheiben von Maxine Williams' Praxis an der 79th Street. Laut Statistik hatte es in New York seit über fünfzig Jahren nicht mehr so viel geregnet. Es war ein kalter und windiger Novembertag, aber in dem Sprechzimmer war es behaglich warm. An den zartgelb gestrichenen Wänden hingen abstrakte Bilder in gedeckten Farben. Der Raum wirkte freundlich, und die beigefarbenen Polstersessel luden zum Sitzen ein. Hier empfing Maxine ihre Patienten. Der Schreibtisch war schlicht, modern und so ordentlich aufgeräumt, dass man einen chirurgischen Eingriff darauf hätte vornehmen können. Das Sprechzimmer war ebenso makellos wie Maxines äußere Erscheinung. Die tüchtige und zuverlässige Sekretärin Felicia arbeitete nun auch schon seit fast neun Jahren für sie. Maxine verabscheute Unordnung und Veränderungen jeglicher Art. Alles in ihrem Leben war geregelt und lief reibungslos.
Das Diplom an der Wand verriet, dass sie an der Harvard Medical School studiert und dort mit magna cum laude promoviert hatte. Sie war Psychiaterin, eine der führenden Expertinnen für Traumatherapie und manisch-depressive Erkrankungen bei Jugendlichen. In den letzten Jahren hatte sie sich auf die Behandlung suizidgefährdeter Teenager spezialisiert. Bei ihrer Arbeit mit Betroffenen und deren Familien erzielte sie zum Teil beeindruckende Resultate. Maxine hatte zwei Bücher für Laien über die Auswirkungen von Traumata bei Kleinkindern geschrieben und wurde nach Katastrophen oft als Beraterin hinzugezogen. Nach dem Amoklauf in der Schule von Columbine hatte sie dem Psychologenteam angehört, und sie hatte mehrere Artikel über die Folgen des 11. Septembers veröffentlicht. Mit zweiundvierzig Jahren war sie eine Koryphäe und genoss hohes Ansehen bei den Kollegen. Häufig wurde sie gebeten, Vorträge zu halten, musste aus Zeitgründen jedoch meistens ablehnen. Die Arbeit mit den Patienten, die Beratungstätigkeit für Behörden und ihre Familie ließen dafür keinen Raum.
Es war ihr wichtig, sich möglichst viel Zeit für ihre Kinder zu nehmen - Daphne war dreizehn, Jack zwölf und Sam gerade sechs Jahre alt geworden. Als alleinerziehende Mutter war sie mit dem Dilemma jeder berufstätigen Mutter konfrontiert, Beruf und Familienleben unter einen Hut zu bringen. Ihr Ex-Mann war ihr keine große Hilfe. Er tauchte auf wie ein Regenbogen, atemberaubend und unangekündigt, um dann ebenso unversehens wieder zu verschwinden.
Während Maxine auf den nächsten Patienten wartete, schaute sie aus dem Fenster und dachte an ihre Kinder. Die Sprechanlage auf ihrem Schreibtisch begann zu summen. Maxine rechnete mit dem nächsten Patienten, einem fünfzehnjährigen Jungen. Stattdessen erklärte Felicia, dass ihr Mann am Telefon sei. Maxine verzog das Gesicht.
»Mein Ex-Mann«, stellte sie klar. Seit fünf Jahren war sie nicht mehr verheiratet.
»Sorry, er meldet sich am Telefon immer als Ihr Mann. Ich habe nicht daran gedacht .«, entschuldigte sich Felicia.
»Ist schon gut, er vergisst es ja selbst«, antwortete Maxine trocken und griff lächelnd zum Hörer. Sie fragte sich, wo Blake wohl gerade steckte. Das wusste man bei ihm nie. Es war vier Monate her, dass er die Kinder zum letzten Mal gesehen hatte. Im Juli war das gewesen. Er war mit ihnen zu Freunden nach Griechenland geflogen. Die Kinder liebten ihren Vater, aber auf...
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