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Wenn dieses Buch erscheint, ist mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen, seit ich Roger Federer zum ersten Mal live auf dem Platz gesehen habe. Mehr als ein Vierteljahrhundert voller Superlative, die aus dem fünfzehnjährigen Teenager einen Mann werden ließen, dem nach sowieso schon unglaublichen Erfolgen ein noch unglaublicheres Comeback gelang, bevor ihn eine Knieverletzung im Alter von 41 Jahren zum Abbruch seiner Karriere zwang. Dass ich selbst das Glück hatte, diese einzigartige Karriere so lange und so nah, wie für einen Journalisten überhaupt möglich, begleiten zu können, kommt mir manchmal selbst wie ein Märchen vor. Dabei hatte ich ganz früh eine andere Richtung eingeschlagen. Denn Tennis war ursprünglich nur meine zweite Liebe.
Meine erste gehörte dem Eishockey, bevor ich hinter unserem neu bezogenen Haus den Tennisclub Weinfelden mit seinen drei Plätzen entdeckte, neben einer Brauerei und dem Giessenbach gelegen, abgeschirmt durch Mauern und Hecken. Die mondän wirkende Anlage - Tennis war damals noch der Sport der Schönen und Reichen - hatte auf mich eine magische Anziehungskraft. Diese stieg noch dadurch, dass ich selbst nicht Tennis spielen durfte. Ich war seit meiner frühen Jugend im Eishockeyverein, und zwei Klub-Mitgliedschaften waren laut meinen Eltern einfach nicht drin. Also gingen mein Bruder Kurt und ich aufs Eisfeld, während Jeannine, meine ältere Schwester, in den Tennisklub durfte.
Immerhin bekam ich durch sie einen, wenn auch losen, Bezug zum Tennis und zum Klub sowie einen Vorwand, ihn zu betreten. Immer öfter schlich ich mich auf die Betonstufen der kleinen Tribüne auf dem Dach des Klubhauses. Zuerst nur, wenn sie spielte, doch da mich nie jemand wegschickte, kam ich bald auch, um irgendwelchen Hobbyspielern zuzuschauen. Gebannt versuchte ich ihre Spielzüge zu verstehen und stellte mir vor, wie ich selber dort unten stehen und Bälle schlagen würde.
Meine Schwester muss meine Sehnsucht gespürt haben. Ich durfte gelegentlich eines ihrer alten Rackets ausleihen, um auf dem Vorplatz unseres Hauses Bälle gegen eine Wand zu schlagen. Aus kurzer Distanz, wieder und wieder, bis mein Puls raste, der Schweiß rann und die Mutter zum Abendessen rief. Der Schläger war ein Prachtexemplar - aus feinem, glänzendem Holz, mit der Unterschrift eines gewissen Stan Smith.
Stan Smith? Das war für mich damals nur ein Name, aber einer, der meine Fantasie ankurbelte. Was wusste ich schon von der Tenniswelt? Nichts. Es war die Zeit des Schwarzweiß-Fernsehens, Sportübertragungen waren selten, und wenn, dann kamen sie vom Fußball, Skifahren oder gelegentlich vom Boxen. Was waren das für Abenteuer, wenn sich die ganze Familie mitten in der Nacht in der Stube traf, um schlaftrunken zu verfolgen, ob es Cassius Clay vielleicht diesmal erwischen würde . Auch in den Zeitungen fand Tennis damals kaum statt, anders als Fußball, Eishockey, Skifahren oder Formel 1.
Wann ich zum ersten Mal TV-Bilder aus Wimbledon zu sehen bekam, weiß ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich genau, dass mich der Centre Court mit seinen gedeckten Tribünen, seiner idyllischen, noblen Anlage und seiner Atmosphäre sogleich faszinierte. Die Szenerie wirkte für mich wie eine Offenbarung: Also doch, Tennis war wichtig, hatte seine Gefolgschaft, hatte sogar seine Pilgerstätte! Wimbledon erschien mir wie eine Kathedrale, mit Tausenden von Leuten, die - wie ich im TC Weinfelden - konzentriert und gebannt den Flug der Bälle und den Kampf zweier einsamer Gegner verfolgten.
Diese ruhige, gepflegte Sportstätte, in der alles organisiert war, alles seinen Platz hatte, während zwei Ausnahmekönner sich mit Ball und Schläger vor einer faszinierten Zuschauermasse duellierten, mit Athletik, Taktik, Ballgefühl, Ausdauer, Nervenstärke, Cleverness und Fairness - das war für mich ein Blick in eine Welt, von der ich nicht gewusst hatte, dass sie existierte. Einmal Wimbledon erleben, nur einmal, dachte ich. Als ich Jahre später Sportjournalist wurde, trug meine erste Wimbledon-Vorschau den Titel: »Die Tennisgötter ziehen in ihren Tempel ein«.
Der TC Weinfelden ist inzwischen einer Einfamilienhaussiedlung gewichen und an den Rand des Städtchens verdrängt worden. Wie hätte ich damals, allein auf den Betonstufen, ahnen können, dass dies meine Berufung sein würde: vom Spielfeldrand aus zu verfolgen, was auf Tennisplätzen geschieht? Dass der Tenniszirkus auch zu meiner Welt und die Grand-Slam-Turniere zu meiner zweiten Heimat werden sollten? Wie hätte ich mir vorstellen können, dass das Schweizer Tennis bald von einer gewaltigen Erfolgswelle erfasst - und ich von ihr mitgetragen würde? Dass sich gerade irgendwo in Südafrika eine Beziehung anbahnte, aus der der erfolgreichste Schweizer Sportler überhaupt hervorgehen würde, und dass ich selbst das Privileg haben würde, seine Entwicklung von Juniorentagen an - und erst noch beruflich - hautnah mitzuerleben?
Als ich zu Beginn der Achtzigerjahre über Tennis zu schreiben begann, verfolgte ich fasziniert, wie John McEnroe, Boris Becker, Stefan Edberg, Chris Evert, Martina Navratilova und Steffi Graf auf Wimbledons Rasen zu Champions wurden und die Goldtrophäe entgegennehmen durften. Als Heinz Günthardt 1985 - im Jahr von Beckers Wimbledon-Märchen - bis ins Viertelfinale vordrang, war das für die Schweiz eine Sternstunde und für mich als Reporter ein Highlight. Federer war damals knapp vier Jahre alt. Meine verwegensten Träume gingen zu jener Zeit gerade so weit, dass ich mir vorzustellen versuchte, wie es wäre, wenn ein Schweizer die Top Ten und/oder ein Grand-Slam-Finale erreichen würde. Nur eines, und er durfte es sogar verlieren .
Wie hätte ich darauf spekulieren können, dass es ein Landsmann von mir sein würde, der auf den größten Centre Courts für Triumphe und Tränen sorgen und im Mittelpunkt stehen würde? Und dabei auch noch eine der nettesten Personen sein würde, denen ich je begegnen sollte?
Dann nahm das helvetische Tenniswunder Fahrt auf. Günthardt, der seine Karriere wegen des Hüftleidens mit 27 abbrechen musste, war der Pionier, er erweckte die Schweizer Tennisszene aus dem Dornröschenschlaf. Dann kam Jakob Hlasek, der Ende der Achtzigerjahre zum ersten Top-Ten-Spieler und Masters-Teilnehmer des Landes wurde. Danach Marc Rosset, der Olympiasieger von 1992, der mit Hlasek in das Davis-Cup-Finale vorstieß und erster Grand-Slam-Halbfinalist der Schweiz wurde. Martina Hingis ließ als Sechzehnjährige die Schweiz 1997 zur Grand-Slam-Sieger-Nation werden, errang allein im Einzel fünf Major-Trophäen und wurde die jüngste Nummer 1 ihrer Sportart.
Und schließlich kam er, Federer, der größte Sportler, den unser kleines Land je hatte und wohl auch haben wird, und der beste Botschafter, den man sich nur vorstellen kann. Dass in seinem Sog mit Stan Wawrinka auch noch ein dritter Schweizer Grand-Slam-Sieger auftauchte, war schon fast surreal.
Die vorliegende Biografie ist die um seinen Rücktritt erweiterte und komplett aktualisierte Neufassung meines zweiten Buchs über Federer. Das Tennisgenie, mein erstes, war erstmals 2006 publiziert, mehrfach ergänzt und überarbeitet und in über ein Dutzend Sprachen übersetzt worden. Es endete in der jüngsten Fassung nach seinem 17. Grand-Slam-Titel in Wimbledon 2012. Je mehr Zeit danach verging, umso klarer schien sich abzuzeichnen, dass das nächste große Kapitel der Rücktritt sein würde.
Doch auch die Tennisgötter müssen beeindruckt gewesen sein von Federers Beharrlichkeit. Und so bescherten sie ihm in einem Alter, in dem die meisten längst zurückgetreten sind, ein Comeback, wie selbst er es sich nicht hätte ausmalen können, ließen ihn noch einmal an märchenhaften Erfolgen teilhaben und die Tennisgeschichte noch einmal umschreiben. Sie lieferten mir damit die Motivation und Vorlage, Federers Biografie von Grund auf neu zu schreiben. Denn nun war klar, dass ein oder zwei zusätzliche Kapitel nicht mehr reichen würden, um seiner Karriere, seinem Leben und seiner Bedeutung für den Tennissport gerecht zu werden. Zu vieles war in den über zehn Jahren geschehen, das sich inzwischen viel klarer analysieren und einstufen ließ. Zu schön und wundersam war die Geschichte seiner Rückkehr. Und umso schärfer der Gegensatz, was danach geschah, ab diesem vermaledeiten Wimbledon-Finale 2019, in dem er zwei Matchbälle vergab - mit drei Knieoperationen in den Jahren 2020 und 2021 und seinem verzweifelten Kampf ...
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