Schweitzer Fachinformationen
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Wir werden immer öfter mit den Begrifflichkeiten »neue Brände« oder »moderne Feuer« konfrontiert. Was heißt das eigentlich? Was steckt dahinter? Wenn man die Entwicklung der Bauweisen, die verwendeten Baumaterialen und die Einrichtungsgegenstände der letzten Jahrzehnte miteinander vergleicht, lassen sich deutliche Veränderungen feststellen. Insbesondere bei der Inneneinrichtung werden heutzutage viel mehr Kunststoffe verarbeitet und bereits das Gewicht der Möbel lässt erahnen, dass hier ein anderer Brandverlauf zu erwarten ist. Schwere Massivholzmöbel, die viel mehr Energie benötigen, um überhaupt in Brand zu geraten, werden heute seltener angeschafft. In modernen Einrichtungsgegenständen sind vermehrt brennende Kunststoffe, wie beispielsweise Polyurethan, Polyester, Polyvinylchlorid, Polystyrol und Klebstoffe in Spanplatten, enthalten. Die Wärmefreisetzungsrate ist gegenüber den massiven Möbeln um das vier- bis sechsfache höher (Fuchs et al., 2017).
Info:
In den USA wurde durch das Underwriters Laboratories (UL) zur Erforschung der veränderten, modernen Brände und ihre Bekämpfung das Firefighter Safety Research Institute (FSRI) gegründet. Das Ziel der Forschung liegt in einer weiteren Erhöhung der Sicherheit aller Feuerwehrangehörigen in den USA und die Überprüfung der Standards zur Brandbekämpfung.
[24]Neben den verwendeten Materialien hat sich aber auch die Bauweise verändert. Aufgrund von energetischen Sanierungen bzw. energieeffizienten Neubauten und den damit einhergehenden Dämmungsmaßnahmen bei modernen Gebäuden entstehen immer dichtere Gebäudehüllen. Dies hat nicht nur die Ventilationsbedingungen, sondern auch die Branddynamik verändert. Der für eine vollständige Verbrennung erforderliche Sauerstoff steht im Gebäude nicht immer ausreichend zur Verfügung, weshalb es zu ventilationskontrollierten Bränden kommt. Das Feuer kann schwelen und eine große Menge Pyrolysegase produzieren. Eine Luftzufuhr an der Brandstelle hat eine Intensivierung des Feuers zur Folge und kann zu einer Rauchgasexplosion führen. Neben der höheren Brandintensität bei brennenden Kunststoff-Einrichtungsgegenständen wird im Vergleich zu brennenden Massivholzmöbeln 12,5-mal so viel Brandrauch pro verbrannter Masse freigesetzt (Fuchs et al., 2017). Darin ist einer der Hauptgründe für die Notwendigkeit einer konsequenten Einsatzstellenhygiene zu sehen.
Des Weiteren haben die Forscher herausgefunden, dass die Zeit vom Brandausbruch, über die Entwicklung des Feuers bis zur Raumdurchzündung deutlich kürzer als in der Vergangenheit ist. Die Entwicklung des Brandes ist ungefähr 8-mal schneller (Fuchs et al., 2017).
Bei »neuen Bränden« oder »modernem Feuer« müssen einige Aspekte beachtet werden.
»Neue Brände« .
sind gefährlicher (z.?B. Gefahr durch Rauchgasexplosion aufgrund guter Isolierung),
[25]sind schneller (z. B moderne Möbel, die deutlich weniger Energie benötigen, um zu brennen als Massivmöbel),
sind heftiger (mit höherer Wärmefreisetzungsrate),
brennen mit größerer Ausbreitung und mit mehr Rauch (z.?B. durch den Abbrand von Kunststoffen),
brennen ventilationskontrolliert und auf Zuluft »wartend«
und sind beim Eintreffen der Feuerwehr bereits oft im Vollbrand stehend.
Da weltweit die gleichen Einrichtungsgegenstände mit hohen Kunststoffanteilen genutzt werden, haben wir es auch überall mit einer ähnlichen Zusammensetzung des Brandrauchs zu tun. Dass die Brandbekämpfung in den vergangenen Jahren starken Veränderungen unterlegt war und auch wahrscheinlich zukünftig noch weiter unterliegen wird, verdeutlicht das folgende Zitat:
»You are not fighting grandfather´s fire anymore«
(FSRI,2010)
Bereits in der Feuerwehrausbildung wird vermittelt, dass bei Bränden aller Art schnell schädigende und gefährliche Stoffe in großen Mengen entstehen können. Da insbesondere die [26]Brandrauchchemie ein sehr komplexer eigener Themenbereich ist, soll an dieser Stelle verständlich auf die Bestandteile des Brandrauches eingegangen werden.
Damit es überhaupt zu einer Verbrennung kommen kann, müssen drei Grundvoraussetzungen einer Verbrennung vorhanden sein: Sauerstoff, Wärme und brennbares Material. Die Voraussetzungen werden im sog. Verbrennungsdreieck verdeutlicht (vgl. Bild 3).
Bild 3: Die drei Voraussetzungen für einen Brand (Verbrennungsdreieck) (nach einer Zeichnung von Horst de Buhr) [zurück]
Zudem müssen optimale Bedingungen vorliegen, wie beispielweise das ideale Mengenverhältnis zwischen brennbarem Stoff und Sauerstoff. Wenn die Verbrennung unter diesen Voraussetzungen abläuft, wird von einer vollständigen Verbrennung gesprochen. Hierbei entsteht wenig sichtbarer Ruß, weil dieser bereits in der Flamme verbrennt. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine Kerze, bei der der Docht die perfekte Länge hat (nicht zu lang und nicht zu kurz). Es fließt die richtige Menge Wachs nach und der nötige Sauerstoff steht an der Außenseite der Flamme ausreichend zur Verfügung, so dass eine vollständige Verbrennung ablaufen kann.
Flackert eine Kerze jedoch und schwarzer Rauch steigt auf, sind die Bedingungen nicht mehr ideal und die Verbrennung ist nicht mehr vollständig. In der Regel liegt die Ursache hierfür in einem zu langen Docht, da für diese Länge nicht mehr genügend Wachs, also brennbarer Stoff, nachströmen kann. Folglich wechselt auch die Größe der Flamme. Wenn die Flamme sehr klein wird und fast zusammenbricht, steigt sichtbar Ruß auf. Dabei handelt es sich um die Menge Ruß, die sonst (bei idealen Bedingungen) die gelb-glühende Zone der Flamme gebildet hätte.
[27]Nachweislich gelangen verschiedene unverbrannte Substanzen mit dem Ruß nach außen. Die Summe der dabei freigesetzten Inhalte der Reaktionszone, welche eigentlich als Flamme sichtbar sein sollten, wird folglich als Rauchwolke sichtbar. Wissenschaftler sprechen von »unverbrannten Flammen«. [28]Daraus ergibt sich auch eine taktische Konsequenz für die Feuerwehr. Es gilt zu beachten, dass Brandrauch aus brennbaren bzw. unvollständig verbrannten Gasen und Dämpfen besteht und somit selbst brennbar ist. Dies erklärt auch das Vorkommen der verschiedenen Brandphänomene, wie:
Rauchdurchzündung (»Rollover«):
Durchzündung entzündbarer Pyrolyseprodukte und Schwelgase, die sich in der Regel als Rauchschicht in einem Raum ansammeln.
Raumdurchzündung (»Flashover«):
Schlagartiges Ausbreiten eines Brandes auf alle thermisch aufbereiteten Oberflächen brennbarer Stoffe in einem Raum
Rauchexplosion (»Backdraft«):
Explosion der Pyrolyseprodukte und Schwelgase in einem Brandraum mit unzureichender Sauerstoffkonzentration nach Vermischung mit plötzlich zugetretener Luft
Merke:
Die allgemeine Zusammensetzung des Brandrauches besteht aus folgenden Stoffen:
Anorganische Brandgase (z.?B. CO2, CO, HCl, HCN, NH3, NOx)
Organische Brandzersetzungsprodukte
Pyrolyseprodukte, meist kurzkettige Kohlenwasserstoffe und deren Derivate
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
Dioxine/Furane (PCDD/PCDF)
Ruß
Bild 4: Zusammensetzung des Brandrauches (nach einer Zeichnung von Horst de Buhr)
[30]Die dargestellten anorganischen Brandgase können mithilfe von »Simultantest-Sets für anorganische Brandgase« nachgewiesen werden. Da die Stoffe Chlorwasserstoff (HCl), Cyanwasserstoff (HCN) sowie Kohlenstoffmonoxid (CO) eine hohe toxische Bedeutung haben, hat die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.?V. (vfdb) diese drei Gase als Leitsubstanz bei Brandeinsätzen festgelegt. Dafür gibt es beispielsweise ein »Simultantest-Set Leitsubstanzen«. Als Verbrennungsrückstand von organischen Brennstoffen kann Asche entstehen. Neben den anorganischen Stoffen entstehen viele organische Verbindungen bzw. Brandzersetzungsprodukte. Besonders nennenswert sind hier die flüchtigen Aromaten, die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und Dioxine/Furane.
Ruß besteht aus kohlenstoffhaltigen Partikeln unvollständig verbrannter Materialien. Die Rußbildung wird zudem verstärkt, wenn viel Kohlenstoff in dem brennenden Stoff enthalten ist. An den Ruß sind besonders hohe Anteile der organischen Verbindungen (z.?B. PAK) adsorbiert.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK oder in Englisch PAH - Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) sind eine Gruppe von Substanzen mit zwei bis sieben aromatischen Ringsystemen. Der einfachste PAK ist Naphthalin, bei dem zwei Benzolringe über eine gemeinsame Bindung anelliert (verschmolzen) sind, man spricht hier auch von kondensierten Ringsystemen (siehe Bild 5a). Sie entstehen bei einer unvollständigen Verbrennung (Pyrolyse) organischer Materialien z.?B. in Feuerungsanlagen, Verbrennungsmotoren, bei Bränden, [31]beim Grillen, Räuchern und beim Rauchen. Nach einem Vorschlag der amerikanischen Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) bezeichnet man eine Gruppe von 16 PAK, die besonders giftig, krebserregend oder gentoxisch sind und häufig gemeinsam nachgewiesen werden als EPA-PAK. Ihre...
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