Schweitzer Fachinformationen
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Eine Frau, sportlicher Typ, irgendwo zwischen dreißig und fünfzig - wer konnte das Alter gepflegter Damen im Bereich dieser Jahresringe schon annähernd genau einschätzen? - hielt Alfred flüchtig eine Ausweiskarte unter die Nase, fixierte das Brustgeschirr der Stögerin an der Garderobenwand und sagte mit spöttischem Unterton: "Oh, Sie haben Besuch." Und zu dem Uniformierten hinter ihr gewandt meinte sie in sachkundigem Tonfall: "Die Dame trägt Schwarz."
Alfred errötete.
"Sind Sie Alfred Eder?", fragte sie weiter.
Der so Angesprochene sah völlig überfordert aus dem kleinen Stück Wäsche, das er sich um die Lenden gewickelt hatte.
Die Polizistin wertete sein Schweigen als ein Ja und fuhr fort: "Am besten Sie ziehen sich an und kommen mit. Wir haben nämlich ein paar Fragen."
"Ja, aber .", stotterte Alfred verständnislos.
"Machen Sie schon, wir warten einstweilen hier im Stiegenhaus. Sie werden uns doch nicht aus dem Fenster springen wollen? Falls doch, bedenken Sie: vierter Stock."
Alfred lehnte die Wohnungstür halb zu und öffnete die in das Bad. Die Stögerin hatte sich von dem Schrecken erholt, stand unter dem Brausekopf und duschte, als ob nichts geschehen wäre.
Alfred sagte nur: "Sie verzeihen", nahm Kamm und Bürste von der Ablage und eilte in sein Zimmer, um sich anzukleiden.
"Ich gehe jetzt", sagte er dann in Richtung Bad und ließ sich von der wortführenden Polizistin und deren Kollegen in die Mitte nehmen.
Im Polizeikommando stellte sie sich vor: "Kontrollinspektorin Ilse Strasser. Bitte nehmen Sie Platz, ich mache uns erst mal einen Kaffee."
Alfred musterte den Schreibtisch der Frau und nahm innerlich Anstoß an dem Durcheinander darauf. Auf Ordnung und Organisation ließ das wenig schließen. Das alles passte ganz und gar nicht zum gestrafften Aussehen und dem schnörkellosen Auftreten der Frau Kontrollinspektorin. Er fand sie beachtlich. Umso mehr schämte er sich, beim Öffnen der Wohnungstür beinahe nackt vor ihr gestanden zu haben. Mit der Reizwäsche der Stögerin an der Garderobenwand hinter ihm.
Während die Polizistin in einer Ecke ihres Büros an der Melitta mit Schalen, Filter, Milchkanne und Kaffeedose hantierte, gab sie per Handy im Stakkatoton Anweisungen an die Adresse eines Untergebenen weiter. Schließlich kam sie mit einer dampfenden Tasse und einem länglichen Glas zu ihm zurück. Das Glas stellte sie vor ihm ab und meinte: "Tut mir leid, Sie müssen damit vorliebnehmen, die Tassen sind alle schmutzig. Doch keine Angst, das Glas ist dickwandig, Sie werden sich nicht die Finger verbrennen."
Noch nie hatte Alfred so schöne Hände gesehen. Erst nachdem sie ihre Frage, ob er Zucker nehme, wiederholt hatte, lehnte er ab und trank von der schwarzen Brühe.
"Geht's?", fragte sie interessiert.
"Mhm."
"Woher kennen Sie Agnes Brunner?", fragte sie wie beiläufig weiter.
Alfreds Wangen liefen rot an.
"Schämen Sie sich etwa? Was ist schon dabei, Agnes zu kennen. Bloß weil sie Geld dafür nimmt, dass sie Männer an sich ranlässt?"
Alfred war erleichtert, dass sie nicht das hässliche Wort Nutte oder gar Hure gebrauchte, sondern die Zusammenhänge rein merkantilistisch beschrieb. Zu einer Antwort war er dennoch nicht fähig.
"Oder war es mehr als ein Kennen? Waren Sie vielleicht ihr Zuhälter?"
Alfred konnte sich auf Zuhälter keinen Reim machen.
"Oder sind Sie bloß ihr Mörder!"
Das war keine Frage mehr. Das kam wie ein Peitschenhieb, verfehlte aber sein Ziel. Denn Alfred war im Augenblick nicht bei der Sache. Ihm fiel ein, dass er bei seinem hastigen Abgang aus der Wohnung vergessen hatte, die Schlüssel einzustecken. Die Stögerin würde doch auf ihn warten und ihn nicht gar etwa aussperren?
Die Kontrollinspektorin konnte scheinbar Gedanken lesen und wurde ungehalten: "Sagen Sie, hören Sie mir überhaupt zu?"
"Bitte?"
"Schmeckt Ihnen mein Kaffee nicht?"
Da er wieder nichts sagte, nahm sie sein Glas und kippte den Rest Kaffee in die Spüle neben der Melitta-Maschine. Danach wählte sie eine Nummer und sagte in ihr Handy: "Komm herüber. Ich habe etwas für die Spurensicherung."
Der Uniformierte aus dem Abholkommando kam, nahm das Glas und entschwand. Da meldete sich bei Alfred wieder dieses Zittern. Es begann mit einem Tremor in beiden Händen. Alfred versuchte ihm Herr zu werden, das Übergreifen auf den ganzen Körper zu unterdrücken. Umsonst.
Ilse Strasser beobachtete Alfreds Probleme, fragte sich besorgt, ob sie es mit einem Epileptiker zu tun habe, und wünschte, sie hätte Pfeiffer nicht weggeschickt. Das Sichern der Fingerabdrücke auf dem Glas hätte noch Zeit gehabt. Besorgt fragte sie: "Ist Ihnen nicht gut?"
"Nein, geht schon", brummte Alfred, und tatsächlich hatte das Zittern nachgelassen.
"Sie fragen sich vielleicht, was jetzt mit dem Glas geschieht, das da eben durch die Tür in den Kriminaltechnischen Dienst abging. Also: Da sind Ihre Fingerabdrücke drauf. Und die beschäftigen jetzt unseren Computer, und danach werden wir ja sehen. Ich will nämlich ganz genau wissen, mit wem ich es zu tun habe. Inzwischen plaudern wir ein wenig. Einverstanden? Also, woher kennen Sie Agnes Brunner?" Die Strenge im Ton klang nicht nach einer beginnenden Plauderstunde.
"Ich habe sie durch meine Mutter kennengelernt."
"Lauter."
"Durch Ihre Mutter?" Ilse Strasser setzte sich wieder hin. Nach einer kurzen Pause bohrte sie weiter: "Ist ja interessant. Erzählen Sie."
Und Alfred bemühte sich, einen roten Faden für seine Geschichte zu finden. Es sei vor zwei Jahren gewesen, stotterte er. Seine Mutter habe ihm einen Zettel mit einer Adresse gegeben. Mit der Bitte, einer Dame drei Flaschen Holunderlikör zu bringen, die diese bestellt habe.
"Holunderlikör?"
"Ja, Mutter sammelt immer im Sommer Holunder und macht daraus Likör, den sie dann verkauft. Angeblich bekommt man keine Grippe, wenn man rechtzeitig vor dem Winter regelmäßig davon trinkt. Sie hat eine ganze Menge begeisterter Kunden."
"Also Holunderlikör. Und weiter?"
"Das habe ich gemacht."
"Was haben Sie gemacht? Und etwas genauer, wenn ich bitten darf."
Alfred lief rot an und sah zu Boden.
"Hören Sie zu, Herr Eder. Wir sind hier nicht zum Spaß. Sie sagen mir jetzt genau, was Sie bei dieser Agnes oder mit ihr gemacht haben und wann das war, kapiert?"
"Ich bin mit dem Holunderlikör zu ihr gegangen und habe ihn mit einem schönen Gruß von meiner Mutter übergeben."
"Und dann?"
"Die Dame, also Agnes war sehr freundlich, hat mich in die Wohnung gebeten und mich gefragt, ob ich sie nicht lieben wolle."
"Lieben, tatsächlich?" In der Stimme der Polizistin lag Spott.
"Aber so war's."
"Und?"
"Ich dachte, sie wollte sich über mich lustig machen, aber sie begann, sich auszuziehen."
"Und da haben Sie sich auf sie gestürzt?"
"Aber wo. Doch Agnes sagte: 'Komm doch, mein Kleiner. Mach deiner Mutti die Freude.'"
"Das hat sie gesagt?"
"Ja, hat sie. Und sie hat mir gesagt, ich solle sie Agnes nennen. Erst danach hat sie mir erklärt, meine Mutter mache sich Sorgen, weil ich kein Interesse für Frauen zeige."
"Das hat sie danach gesagt."
"Ja, danach."
"Wonach?"
Alfred wurde wieder rot im Gesicht und sagte ergeben: "Sie wissen schon."
Ilse Strasser konnte es kaum glauben. Ein ausgewachsenes Mannsbild, vielleicht etwas fett um die Mitte herum, beruflich vielleicht sogar recht erfolgreich, sprach wie ein Vierzehnjähriger, der beim Pornoschauen überrascht worden war. Oder hielt er sie bloß zum Narren?
"Wann genau war das?"
"Vor nicht ganz zwei Jahren."
Die Kontrollinspektorin schien aus irgendeinem Grund enttäuscht zu sein, bohrte aber nach einer Art Verlegenheitssekunde weiter: "Und wer war die Frau, die bei Ihnen war, als wir Sie abholten?"
"Die Stögerin."
"Aha, die Stögerin."
"Ja, Frau Stöger, eine Freundin meiner Mutter."
"Ach, schon wieder Ihre Mutter. War sie von der Nummer mit Agnes Brunner nicht überzeugt gewesen?"
"Meine Mutter ist tot", sagte Alfred traurig.
"Das tut mir leid. Wann ist sie gestorben?"
"Vorige Woche. Heute Vormittag war das Begräbnis."
"Und danach war Leichenschmaus, und da haben Sie sich gedacht, jetzt nehme ich mir noch schnell die Stögerin vor, oder wie?"
Alfred war dem Weinen nah. "Nein, sie kam einfach in mein Bad."
"Haben Sie aber ein Glück bei den Frauen. Geht das schon länger so?"
"Nein. Agnes nannte mich 'meine Jungfrau'."
Pfeiffer kam herein, wechselte einen Blick mit seiner Vorgesetzten und sagte: "Auf den ersten Blick sauber", und setzte sich dazu.
Ilse Strasser nahm den Faden wieder auf: "Also, wo waren Sie heute Vormittag zwischen acht und zehn Uhr?"
"Da war ich bei meiner Hundesitterin, um ihr Adolf zu bringen."
"Adolf?"
"Ja, mein Dackel. Ich bin nämlich Jäger."
"Ach, Sie sind Jäger. Sie ballern also gerne in der Gegend herum."
"Ich hasse das Ballern."
"Warum dann Jagen?"
"Beruflich, nur...
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