Schweitzer Fachinformationen
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Mutter sein und Kinder haben ist das größte Glück, so will es auch die Gesellschaft. Doch eine Zukunft als Mutter macht nicht wenigen Frauen Angst. Und diejenigen, die sich dafür entscheiden, machen bald die Erfahrung, dass die Erziehung und Betreuung von Kindern eine manchmal verschleißende 24/7-Aufgabe ist. Sie sollen nicht nur Mütter werden, sondern professionelle und intensive Mütter - auch dann, wenn sie berufstätig bleiben. Und weil eine Frau, die jemals etwas Negatives über ihre Mutterrolle oder ihre Kinder äußert, immer noch als Rabenmutter abgestempelt wird, behält sie ihre Sorgen, ihre Schuldgefühle, manchmal auch ihre Frustration, lieber für sich.
Unsere Gesellschaft ist einem Mutterideal verpflichtet, dem keine Frau genügen kann, auch wenn sie Vollzeitmutter wird. Doch wohin wir auch blicken, auf Glanz und Gloria, Social Media und auf Influencerinnen, überall werden uns endlose Paraden berühmter und perfekter Supermütter präsentiert, welche glauben machen wollen, dass sie ihre Kinder immer in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen, sie viel mehr als die Arbeit lieben und dass das Geld keine Rolle spielt, weil man es einfach hat. Auch bekannte berufstätige Frauen wie Sheryl Sandberg, Michelle Obama oder Amal Clooney präsentieren sich so, als ob eine perfekte Mutter trotz Berufskarriere zu sein letztlich nur eine Frage des Willens und Managements sei.
Im Alltag der meisten Frauen sieht es jedoch ganz anders aus. Zwar können Mütter ihre persönlichen Ambitionen haben und eigenes Geld verdienen, Kinder ohne Partner aufziehen oder sich für eine Vollzeitmutterschaft entscheiden, ohne dazu gezwungen zu werden. Doch welches Modell sie auch wählen, sie sollten ihre Mutterschaft so ausleben, dass sie die Kinder immer priorisieren. Und sie gelten nur dann als glaubwürdig, wenn sie ihre Selbstlosigkeit betonen, auch wenn dies in zunehmendem Ausmaß zur Überbeanspruchung führt.
Die offene Kritik daran, dass Mama immer und überall die Beste sein soll, hat unsere Gesellschaft im Anschluss an das Buch von Betty Friedan Der Weiblichkeitswahn in den 1960er-Jahren schon einmal durcheinandergewirbelt, allerdings mit der Ausrichtung auf die damalige Frau, welche sich allzu freiwillig auf das Frausein einschränken ließ. Heute basiert der Supermama-Mythos auf der Überzeugung, dass eine Frau sehr wohl berufstätig bleiben kann, wenn sie Mutter wird. Aber sie muss diesen Zustand perfektionieren. Die intensive Mama ist zu einem Ideal geworden, das auf der tief verankerten gesellschaftlichen Überzeugung basiert, dass eine Mutter alles Erdenkliche für die Kinder tun soll.
Die Überhöhung der Mutter ist ein aktuelles Phänomen, das sich von der Situation in den 1990er-Jahren, als ich zwei kleine Kinder hatte, unterscheidet. Die qualitativen Ansprüche an uns Mütter waren deutlich bescheidener, doch die gesellschaftlichen Erwartungen an die Frau, die zu Hause bleibt und zu den Kindern schaut, um einiges höher. Deshalb erwartete man fast selbstverständlich von mir, dass ich meine eigenen beruflichen Ambitionen als Ehefrau eines Arztes begraben und mich in den Dienst seiner Praxis stellen sollte. Meine Schuldgefühle resultierten somit nicht daraus, eine zu wenig gute Mutter zu sein, sondern aus der Tatsache, dass ich meinen eigenen Weg gehen wollte und mit 35 Jahren sowie zwei Kindern von fünf und acht Jahren ein Universitätsstudium in Erziehungswissenschaft begann.
An einen solchen Cocktail aus Schuld und Ressentiments erinnere ich mich besonders gut. Unser fünfjähriger Sohn hatte Scharlach, und ich fühlte mich deshalb sehr gestresst und auf Nadeln sitzend, wenn ich jeweils so gut es ging an der Universität Vorlesungen und Seminare besuchte. Doch als mir meine Nachbarschaft und auch ein Teil der Verwandten signalisierte, wie sehr sie mich als Egoistin empfanden, war das zu viel für mich, und ich schüttete einer Studienkollegin mein Herz aus. Sie hörte mir aufmerksam zu und sagte: »Hör mal, du hast dieses Kind nicht nur für zwei Monate, du hast es für den Rest des Lebens! Du musst auch ein Leben für dich selbst führen. Wenn du glücklich bist, sind auch deine Kinder und dein Partner glücklich. Heute Abend kannst du deinem Kind alle Liebe und Fürsorge geben, aber jetzt bist du da und nicht dort.«
Diese Worte waren für mich ein großes Geschenk, doch begann ich erst nach Jahren zu realisieren, dass mein schlechtes Gewissen ab diesem Tag zumindest ein bisschen kleiner wurde und ich mir nach und nach etwas mehr Zeit gönnte, allein für eine Stunde in einem Café die Zeitung zu lesen oder mich mit einer Freundin zum Abendessen zu verabreden.
Meine damaligen Verunsicherungsgefühle gelten offenbar für viele Frauen heute noch. In unserer Forschungsarbeit berichten Mütter immer wieder von solchen Gefühlen, nur nennen sie andere Ursachen. Heute sind es die Verpflichtung zum intensiven Muttersein und der vergleichende Blick anderer Frauen, die kaum eine Mutter kaltlassen, ob sie nun Vollzeithausfrau oder berufstätige Frau in Vollzeit oder Teilzeit ist.
Die Tatsache, dass solche Gefühle auch heute noch so weit verbreitet sind, ist meine Hauptmotivation, dieses Buch zum Supermama-Mythos zu schreiben. Ich bin schockiert, dass junge Frauen politisch, gesellschaftlich und familiär gleichberechtigt sind - aber nur, bis sie Mutter werden. Dann sind sie mit einem Mutterbild konfrontiert, das sie zurück in die 1960er- und 1970er-Jahre katapultiert und von ihnen ein Maß an Selbstlosigkeit erwartet, das kaum oder nur mit Stress und Verzicht geleistet werden kann. Das ist nicht in allen Ländern so. In Frankreich oder den skandinavischen Staaten geht man ganz selbstverständlich von einem Recht mütterlicher Selbstverwirklichung aus, die nicht mit Vernachlässigung verbunden wird.
Das Buch verfolgt vier Ziele. Das erste Ziel ist, aufzuzeigen, welches die wichtigsten aktuellen Herausforderungen sind, die auf Frauen in der Schwangerschaft und in der ersten Zeit als Mama zukommen. Ich konzentriere mich dabei auf Herausforderungen, die selten in einer Broschüre oder einem Ratgeber thematisiert werden, obwohl sie für den Übergang in die Mutterschaft im Zusammenhang mit den überdimensionierten Ansprüchen an Frauen von zentraler Bedeutung sind. Die Diskussion der Folgen solcher Herausforderungen ist das zweite Ziel des Buches. Sie zeigen sich unter anderem im ewig schlechten weiblichen Gewissen, wenn es um die Kinder geht, oder auch in einem ungesunden Perfektionismusstreben. Das dritte Ziel liegt im Versuch aufzuzeigen, dass es primär nicht um die einzelne Mutter geht, sondern um unsere Gesellschaft, die aus dem überhöhten Mama-Ideal ein kulturelles Mandat gemacht hat. Schließlich ist es das vierte Ziel, notwendige gesellschaftliche Veränderungen zu formulieren und dem Zwang zum intensiven Mutterschaftsideal Alternativen entgegenzusetzen.
Mein Buch ist kein Ratgeber- oder Selbsthilfebuch und keine Geschichte über die Entwicklung von Müttern. Und es ist auch kein Buch über die Balancekompetenz erwerbstätiger Frauen oder die Tugenden von Vollzeitmüttern. Es ist vor allem ein wissenschaftsbasiertes Buch über die verschiedensten Gefühle und Handlungsweisen, die in der Glorifizierung der perfekten Mama besonders sichtbar werden. Weil unsere empirischen Daten vorwiegend aus der Mittelschicht stammen, können lesbische, behinderte, alleinerziehende oder von Hartz IV lebende Mütter nicht in die Analysen einbezogen werden. Auch wenn die Frage, mit welchen Herausforderungen sich solche Mütter konfrontiert sehen, um dem vorherrschenden Mutterbild zu entsprechen, und welche Strategien sie wählen (müssen), um ihm gerecht zu werden, natürlich interessant wäre. Die zweite Lücke betrifft die Väter. Auch sie lasse ich in dieser Publikation mehr oder weniger außen vor, weil sich mein letztes Buch, das 2018 ebenfalls bei Piper erschienen ist (Neue Väter brauchen neue Mütter - Weshalb Familie nur gemeinsam gelingt), sehr detailliert mit ihnen befasst hat.
An der Entstehung eines solchen Werkes sind immer verschiedene Autorinnen und Autoren beteiligt. Allen gut eintausend Studienteilnehmerinnen der letzten zehn Jahre danke ich ganz besonders für ihre Bereitschaft, uns Einsichten in ihre Handlungsweisen, Einstellungen und Überzeugungen, in ihre Ängste, Hoffnungen und Wünsche zu geben. Genauso danke ich den wissenschaftlich Mitarbeitenden für die große Arbeit, das kritische Mitdenken und Hinterfragen sowie die Bereitschaft, sich auf ein Thema einzulassen, das für viele noch keine persönliche Relevanz hat. Ein besonderer Dank geht sowohl an meine Kolleginnen und Kollegen, von denen ich auf Kongressen profitieren konnte, als auch an die vielen mir nur flüchtig bekannten Personen und ihre Beiträge zu den Diskussionen anlässlich meiner Referate und Seminare. Ein spezielles Dankeschön richte ich an meine Agentin Heike Specht, die mir immer bei allen Fragen unterstützend zur Seite stand, sowie an Anne Stadler vom Piper Verlag und ihre wohlwollende Begleitung bei der Entstehung des Buches. Ein besonderer Dank geht auch an meine Lektorin Catharina Stohldreier, die wesentlich zur guten Lesbarkeit des Manuskriptes beigetragen hat.
Und schließlich danke ich meiner Familie - Walter, Ralph, Sibylle und Frederik. Sie dürften sich kaum bewusst sein, dass sie einen relativ großen Beitrag zur Entstehung dieses Werkes geleistet haben. In unseren vielen Diskussionen, die teils schon Jahre zurückliegen, haben sie auf meine Ideen und Gedanken immer kritisch, aber meist mit Wohlwollen reagiert. Mit ihrer eigenen Sicht auf die Dinge waren und sind sie für mich eine Quelle der Inspiration. Durch sie bin ich darin bestärkt worden, dass der neue Mama-Mythos nur aus einer Vielzahl von Perspektiven angemessen beleuchtet...
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