- Intro
- Copyright-Hinweis
- Der Schauplatz: Die Rheinhessische Schweiz
- 1. Kapitel Dienstag, 23. September 2003, 7.30 Uhr (Herbstanfang)
- 2. Kapitel Mittwoch, 24. September 2003
- 3. Kapitel Donnerstag, 25. September 2003
- 4. Kapitel Freitag, 26. September 2003
- 5. Kapitel Samstag, 27. September 2003
- 6. Kapitel Montag, 29. September 2003
- 7. Kapitel Dienstag, 30. September 2003
- 8. Kapitel Mittwoch, 1. Oktober 2003
- 9. Kapitel Donnerstag, 2. bis Sonntag, 5. Oktober 2003
- 10. Kapitel Montag, 6. Oktober 2003
- 11. Kapitel Einige Wochen später
- Epilog
1. Kapitel Dienstag, 23. September 2003, 7.30 Uhr (Herbstanfang)
Das Telefon riss uns unbarmherzig aus dem Ansatz frühmorgendlicher Zärtlichkeit. "Lass es klingeln!", flüsterte Sonja liebevoll. "Darius, geh ran, wenn du da bist!" Heriberts sachliche Stimme aus dem Anrufbeantworter wirkte auf uns so ernüchternd wie ein Kübel Eiswasser. Mit missmutigem Brummen nahm ich den Hörer ab. "Du nervst! Was ist los?" "Was los ist? Mir liegt ein Ersuchen auf Amtshilfe von der Policia de Investigatión Criminal auf La Palma wegen eines Verbrechens an einem deutschen Residente vor. Wieder einmal ein Kollege von dir. Kennst, oder besser gesagt, kanntest du ." Mehr erfuhr ich erst ein paar Stunden später, Sonja hatte nämlich den Störenfried abgekoppelt, indem sie das Kabel aus der Anschlussdose und mich in ihren Bann gezogen hatte. Ich erinnerte mich jedoch beim Frühstück wieder daran, dass ich vor vier Tagen, abends gegen 22 Uhr 30 einen merkwürdigen Anruf erhalten hatte. "Herr Schäfer?", flüsterte ein Mann ängstlich. "Was kann ich für Sie tun?", fragte ich unsicher. "Sie kennen mich nicht, aber ich muss dringend mit Ihnen sprechen." Der Anrufer sprach so zögerlich und leise, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen. Andererseits ließ er mir keine Möglichkeit für Zwischenfragen, meine Ansätze gingen in seiner hörbaren Aufgeregtheit unter. "Es ist sehr wichtig. Ich kenne Ihren Namen aus einem Artikel im deutschsprachigen Wochenspiegel Wir sind Berufskollegen. Mein Name ist . was soll das . lass das . das ist doch verrückt . man kann doch über alles re. meine Tochter ." Dann wurde die Verbindung abrupt getrennt. In der Leitung war nur noch ein Rauschen. Ich zuckte ratlos mit den Schultern und legte auf. Tatsächlich vergaß ich die Sache. - Bis zu dem Anruf von Heribert. Mir fiel plötzlich in Verbindung mit "La Palma" ein, dass es sich bei dem von dem mysteriösen Anrufer erwähnten deutschsprachigen Wochenspiegel um ein wöchentlich erscheinendes Journal handelte. Es wurde auf den Kanaren vertrieben und somit auch auf La Palma. Nun war natürlich meine Neugierde geweckt. Zum Missfallen von Sonja unterbrach ich unser trautes Frühstück und rief Heribert in der Polizeiinspektion Alzey zurück. "Was wolltest du in aller Frühe, wenn anständige Menschen noch im Tiefschlaf sind?", eröffnete ich das Gespräch etwas zu forsch und bevor Heribert sich melden konnte. Ich wollte ihm keine Gelegenheit geben, Rückschlüsse wegen des rüde unterbrochenen Telefonats zu ziehen. Seine Fantasie lieferte ihm auch ohne meine Unterstützung genug Stoff für boshafte Bemerkungen. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass jemand anderes als er das Telefon in seinem Büro abnehmen könnte. "Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, irgendjemanden, mit dem ich auch noch per du sein soll, zwischen Mitternacht und Morgen angerufen zu haben", klärte mich eine energische, aber nicht unsympathische Frauenstimme auf. Mit einem kurzen Blick auf das Display meines Telefons versicherte ich mich, dass ich tatsächlich die korrekteTelefonnummer gewählt hatte. Ich wollte dennoch gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als ich Heribert im Hintergrund sagen hörte: "Das könnte für mich sein. Wer ist dran?" Trotzdem offenkundig die Sprechmuschel zugehalten wurde, konnte ich die Fortsetzung des Dialogs auf der anderen Seite, wenn auch nur leise, mitverfolgen. "Das weiß ich nicht, er hat seinen Namen nicht genannt." Dann hörte ich kurzes Tuscheln und endlich die vertraute Stimme von Heribert: "Kriminalhauptkommissar Koman, guten Tag! Mit wem spreche ich bitte?" "Ja, du hast richtig getippt. Es ist für dich. Hast du neuerdings eine persönliche Sekretärin, die dich abblockt?", versuchte ich sofort seiner zu erwartenden bissigen Reaktion auf die abrupte und stilwidrige Unterbrechung unseres frühmorgendlichen Telefonates auszuweichen. "Du willst nur ablenken", knurrte er. "Ablenken? Weshalb? Wovon?", tat ich ahnungslos. "Du weißt schon, was ich meine. Weshalb hast du ohne erleuchtende Offenbarung den Hörer aufgelegt?!" Das war keine Frage, sondern klang eher wie eine Rüge. "Hatte ich nicht klar und deutlich gesagt, dass du nervst? Das sollte doch wohl genügen. Aber Zaunpfähle sind bei dir ja wirkungslos, also musste es der ganze Lattenzaun sein!", setzte ich mich zur Wehr. Ich wollte dann aber aus dieser Mücke keinen Elefanten machen und fuhr daher in beschwichtigendem Tonfall fort. "Nun sag schon, was gibt es denn so Wichtiges?" "Das ist nichts fürs Telefon." "Sag schon, damit ich wenigstens weiß, was mir droht", drängelte ich. "Na gut. Erstens benötige ich deinen Rat als Quasikollege und als Angehöriger des steuerberatenden Berufsstandes, so heißt das doch wohl in eurem offiziellen Jargon." "In dieser ungewöhnlichen, fast schon bizarren Kombination steckt eine extravagante Herausforderung", reagierte ich süffisant. "Hoffentlich nicht wieder so ein Job, der mit viel Ärger und dafür wenig oder gar keinem Honorar verbunden ist. Und zweitens .?" "Was zweitens!?", fragte Heribert verwirrt. "Du sagtest, dass du erstens meinen Rat brauchst. Also folgt nach Adam Riese zweitens - schon vergessen?" Heribert ging nur knapp darauf ein. "Zweitens, weil du dich mit den Gegebenheiten auf La Palma etwas auskennst. Könntest du also sofort zu mir kommen, oder soll ich ." Ich unterbrach ihn mit einem Blick auf Sonja, die unser Telefonat mit Kopfschütteln mitverfolgte, sicherte ihm zu, mich umgehend auf den Weg nach Alzey zu machen und legte auf. "Also wieder einmal eine Aufgabe für Sherlock Holmes und Doktor Watson? Aller guten Dinge sind drei", nickte Sonja bedächtig und zog die Augenbrauen nach oben. "Aber pass auf, Darius, dass es bei dir nicht einmal heißt, dass aller schlechten Dinge drei sind. Du bist bei deinen absonderlichen Abstechern ins Lager der Kriminalisten innerhalb von ." sie rechnete kurz nach, "14 Monaten bereits zweimal dem Teufel von der Schippe gesprungen. Fortuna ist eine launische Dame, ich weiß, wie wir Weiber sind." "Ich liebe sogar deine Launen." Sie verdrehte die Augen "Ist denn dein Beruf nicht abenteuerlich genug - auf seine Art zumindest?" stellte siesorgenvoll fest, während sie mechanisch und achtlos ein Brötchen mit Honig bestrich. Dann richtete sie sich auf und verfiel in einen heroischen Ton. "Pfandfinder im deutschen Steuerdschungel, die letzten Abenteurer der Menschheit!" Dabei grinste sie hämisch. "Eine Steuererklärung auf dem Bierdeckel unterzubringen müsste doch für dich und deine berufliche Mischpoche so aufregend sein wie die Entdeckung Amerikas oder die erste Mondlandung." Ich schüttelte den Kopf, als ob ich mit der Weisheit des ach so vernünftigen Erwachsenen die überbordende Fantasie eines kleinen Mädchens abtun wollte. Dabei versuchte ich eine plötzlich aufkommende Unsicherheit, ein flaues Gefühl in meinem Magen zu überspielen und schob meine plötzlichen angsterfüllten Vorahnungen grob fahrlässig zur Seite. "Ich weiß ja noch gar nicht, was Heribert überhaupt von mir will. Warte es doch erst einmal ab", versuchte ich sie zu beschwichtigen. "Bitte gib Frau Dengler Bescheid, dass ich erst heute Nachmittag in der Kanzlei sein werde." Sonja nickte, reckte das Kinn herausfordernd nach oben und spitzte die Lippen. Nur zu gerne beugte ich mich zu ihr herunter, pflückte sorgsam einen Brötchenkrümel von ihrem linken Mundwinkel und küsste sie zum Abschied. In unserem Kuss lag eine Innigkeit, die mich selbst immer wieder mit Glückseligkeit erfüllte. In der Türfüllung drehte ich mich noch einmal um und warf ihr eine Kusshand zu. "Ruf mich heute Nachmittag nach der Schule an. Es interessiert mich, was Heribert wieder ausgeheckt hat." Den Kopf hielt sie dabei leicht schräg geneigt, den Ellbogen des rechten Armes, in dessen Hand sie das inzwischen fertig geschmierte Honigbrötchen hielt, hatte sie aufdem Tisch aufgestützt. Ihr flammendrotes Haar, das in seiner kurz geschnittenen Facon perfekt zu ihrer weiblichen und dennoch sportlichen Figur passte, glänzte in der Sonne, die durch das Fenster...