Schweitzer Fachinformationen
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DER UMGANG MIT DEN LERNENDEN
Grundsätzlich haben Lernende zwei elementare Grundbedürfnisse beim Lernen:
-das Bedürfnis nach Anerkennung und menschlicher Zuwendung.
-das Bedürfnis nach Herausforderung und Selbstwirksamkeit.
Wenn diese beiden Bedürfnisse in der Klasse angemessen befriedigt werden können, stehen die Chancen gut, dass ein förderliches Unterrichtsklima entsteht. Bleiben sie unbefriedigt, so werden die Lernenden auf die eine oder andere Weise auf den Mangel aufmerksam machen.
Lehren und Lernen ist Beziehungsarbeit
Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden bildet die wesentliche Grundlage für das Lernklima und die Leistungsbereitschaft. Eine Beziehung muss gepflegt werden, von allem Anfang an - vor, während und nach dem Unterricht. Allerdings heißt Beziehung nicht Abhängigkeit und ein übersteigertes Gemeinschaftsethos (vgl. dazu auch Plessner 2002). Es darf nicht das Ziel sein, dass alle Beteiligten - Schülerinnen und Schüler wie Lehrerinnen und Lehrer - dieselben Werte teilen und immer dasselbe wollen.
Kinder und Jugendliche dürfen nicht auf wohlmeinende Erwachsene fixiert werden, denn gerade ältere Kinder und Jugendliche «suchen ihre Peers und so gerade die Unabhängigkeit von den ErzieherInnen. Und sie bilden sich eigene Meinungen über das, was sie als Erziehung erleben» (Oelkers 2018, S. 61). Eine gute Schulgemeinschaft lebt nicht von der Symbiose zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern vom gemeinsamen Lehren und Lernen, von der Leistungsbereitschaft aller Beteiligten und von der geteilten Erfahrung von Erfolg und Scheitern.
Lehrerinnen und Lehrer sind mit einer ganzen Reihe von Machtmitteln ausgestattet, damit sie die Schülerinnen und Schüler qualifizieren (den Lernenden ermöglichen, sich Wissen und Können anzueignen), selektionieren (auslesen) und in die Gesellschaft eingliedern (vgl. dazu Fend 2008). Diese Macht kann missbraucht werden, sie kann aber auch ein Mittel dafür sein, die individuelle Entwicklung und das Lernen der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Damit das gelingt, müssen Lehrkräfte sich auf die Lernenden einlassen, sie verstehen, sich um sie sorgen. Dieses Verhalten wird heute Caring genannt (Haag 2018, S. 129). Dubs (2009, S. 101) beschreibt, was dazu gehört: «Eine Lehrperson bemüht sich, die Gefühle sowie das Denken und Handeln ihrer Schülerinnen und Schüler, vor allem durch gutes Beobachten und aktives Zuhören zu verstehen, sie zunächst so zu akzeptieren, wie sie sind, [.] um ihnen im vertrauensvollen, unterstützenden Dialog zu helfen, ihr Lernen zu verbessern und sich als Persönlichkeit weiterzuentwickeln sowie zu lernen, sich aufgrund einer Beurteilung der eigenen Möglichkeiten und Grenzen richtig einzuschätzen. Letztes Ziel soll der Aufbau eines dauerhaften gegenseitigen Vertrauens sein.»
Wichtige Faktoren des Unterrichtsklimas
Das Unterrichtsklima wird von verschiedenen Faktoren bestimmt, zu den wichtigsten zählen Transparenz, geregelte Verhältnisse, Konfliktfähigkeit, Präsenz der Lehrkraft, sinnvolle Leistungsforderung, Selbstwirksamkeitserleben der Lernenden und Humor.
Transparenz
Lehrkräfte sind dafür verantwortlich, dass im Klassenzimmer ein erfreuliches und förderliches Unterrichtsklima herrscht - diese Aufgabe kann und wird ihnen niemand abnehmen. Es ist wichtig, dass Lehrkräfte der Klasse verständlich machen können, wie sie sich den Unterricht und die Unterrichtsergebnisse vorstellen - die Lehrkräfte sind es, die Standards setzen, nicht im Sinne eines schriftlich abgefassten Tugendkatalogs, sondern als gelebte Praxis der Zusammenarbeit. Gut gelungene Arbeiten persönlich mit den Lernenden zu besprechen, trägt zur Klärung der Qualitätsnormen bei. Ebenso wichtig ist es, dem nachlässig und flüchtig Hingeworfenen entgegenzutreten und den Lernenden darzulegen, weshalb man nicht bereit ist, sich mit Halbheiten zufriedenzugeben.
Anforderungen sind sachlich zu begründen; je transparenter und offener Lehrkräfte das tun, desto verständlicher wird es für die Lernenden und desto eher werden sie bereit sein, diese Normen anzunehmen.
Qualitätsdiskussionen sind für Lehrende und Lernende Prüfstein ihrer Sozialkompetenz. Kann die Lehrkraft ihre Anforderungen sachlich und fundiert begründen? Ist sie bereit, die Argumente der Jugendlichen ruhig und geduldig anzuhören, um sie dann zu würdigen oder allenfalls mit anderen Argumenten zu entkräften?
Aus entwicklungspsychologischer Sicht lässt sich gut nachvollziehen, warum Jugendliche herausfinden wollen, ob über gestellte Anforderungen verhandelt werden kann und ob sie sich im Laufe der Diskussion allenfalls korrigieren lassen. Vor allem aber haben Jugendliche das Recht zu testen, ob Erwachsene es mit ihren Qualitätsvorstellungen und Haltungen ernst meinen. Lernende brauchen diese Auseinandersetzung mit Werten und Haltungen zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit.
Geregelte Verhältnisse
Aus Wertediskussionen lassen sich ein paar Regeln ableiten, die als gemeinsame Arbeitsbasis dienen können. Es trägt zur Transparenz bei, wenn die ausgehandelten Regeln schriftlich festgehalten und die Konsequenzen von Regelverstößen geklärt werden.
Klassen brauchen unterschiedliche Regeln. Ihre Anzahl und die Inhalte richten sich nach dem Entwicklungsstand der Sozialkompetenz. Problemloses Verhalten macht keine besonderen Regeln erforderlich. Wenn aber Konflikte auftreten, ist zu prüfen, ob gleichartige Konflikte künftig durch das Aufstellen einer Regel vermieden werden können.
Als Leitidee mag gelten: So wenig Regeln wie möglich, so viele Regeln wie für ein konstruktives Arbeitsklima nötig.
Das Formulieren von Regeln der Zusammenarbeit ist nur der erste Schritt; ebenso wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass die ausgehandelten Regeln eingehalten werden. Auch wenn im Sinne der Mitverantwortung die Lernenden über die Einhaltung der Regeln wachen, bleibt es letztlich Aufgabe der Lehrkraft, für ein förderliches Lernklima zu sorgen.
Dabei ist es wichtig, Grenzüberschreitungen umgehend festzustellen und zu signalisieren, dass sie wahrgenommen wurden. Wann und wie Regelverstöße geahndet werden, muss je nach Situation entschieden werden. Es gilt dabei, nicht aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, andererseits wird das Ignorieren von Übertretungen oft als Aufforderung zu weiteren Grenzüberschreitungen verstanden. Der Glaube, wenn man nicht reagiere, erledige sich eine Sache von selbst, erweist sich sehr oft als trügerisch; andererseits führt eine Nulltoleranz-Haltung zu dauernder Anspannung, was sich negativ auf das Lernklima auswirkt (mehr zum Thema Regeln in Kapitel 5).
Diskussionskultur - Streitkultur - Konfliktfähigkeit
Wer Jugendliche in der Adoleszenz unterrichtet, darf nicht konfliktscheu sein. Werte und Haltungen entwickeln sich einerseits durch konsequentes Vorbildsein und Vorleben, andererseits in der Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen und Erwachsenen. Auseinandersetzungen anzunehmen, sie mit Argumenten fair zu führen, eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden oder sich gegenüber besseren Argumenten einsichtig zu zeigen - all dies sind wichtige Übungsmöglichkeiten zur Entwicklung der Konfliktfähigkeit.
Ein Teil der Lehrtätigkeit besteht darin, exemplarisch und fair Auseinandersetzungen um Grenzen und Haltungen zu führen.
Jugendliche sehen sich in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Freizeit oft mit fragwürdigen Formen der Auseinandersetzung konfrontiert: Wegschauen, Ignorieren und Nichthandeln auf der einen Seite, unkontrollierte Macht- und Gewaltausübung auf der anderen Seite sind keine praktikablen Lebenswegweiser. Die Ausbildung soll Gelegenheit bieten, sich auch im Gebiet der Konfliktfähigkeit und der Streitkultur weiterzuentwickeln und erwachsenengerechte Formen zu erproben.
Jugendliche wachsen zum Teil in einer Umwelt auf, die den Eindruck erweckt, alles sei möglich und alles sei relativ (im Sinne von anything goes). Es ist aber für ihre Entwicklung wichtig, dass sie auch Grenzerfahrungen machen, feststellen, dass zwar über alles debattiert werden kann, gewisse Werte zum Schutz des Zusammenlebens und der Schwächeren aber nicht verhandelbar sind.
Physische, psychische und emotionale Präsenz
Lehrkräfte müssen über ein 360-Grad-Beobachtungsvermögen verfügen; sie beobachten Handlungen in ihrem Blickfeld, registrieren aber auch, was sich an dessen Rande abspielt oder sogar hinter ihrem eigenen Rücken - aber nicht im Sinne einer allgegenwärtigen Strafinstanz, sondern von umfassender Präsenz.
Präsenz ist ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal erfolgreicher Lehrkräfte. Wir meinen damit:
-Physische Präsenz: Die Lehrkraft ist auch bei Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit präsent. Nicht als Aufsichtsorgan, sondern als Begleiter der Arbeit, der...
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