Schweitzer Fachinformationen
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»Ein ungewöhnliches kleines Grundstück, oder?«
Ich war zum ersten Mal bei einer Immobilienversteigerung, aber es war der Mann mit dem Hammer, der irritiert klang. Er war dabei, die Versteigerung nicht eines Hauses, eines Bürogebäudes, eines Wohnkomplexes oder einer Ladenzeile zu eröffnen, sondern eines Treppenhauses. Vier Stockwerke hoch und mit vier schmalen Fenstern, grau von innen wie von außen - dieses Gebäude war ein Waisenkind. Der Häuserblock, dem es einst gedient hatte, war saniert worden, und jetzt stand es einfach da, eine sprichwörtliche Treppe ins Nirgendwo, und wartete auf den Abriss.
Ich hatte am Vortag davon erfahren, als ich beim Autofahren mit halbem Ohr Radio gehört hatte. »Und es steht ein Treppenhaus zum Verkauf«, hatte die Stimme des Nachrichtensprechers in aufsteigendem Tonfall mit hörbar hochgezogenen Augenbrauen gesagt. Denselben Tonfall nahm ich auch jetzt, am folgenden Tag, bei dem Auktionator wahr, während ich mit meinem sechsjährigen Sohn Aidan und meinem Team in der ersten Reihe saß, eine Bieterkarte in der Hand, und darauf wartete, mein erstes Gebot abgeben zu können.
Die meisten Leute betrachteten es als Witz, aber mir war es ernst. In dem Moment, da ich von dieser sonderbaren zum Verkauf stehenden Immobilie gehört hatte, wusste ich, dass ich sie haben wollte. Als ich 15 gewesen war, war mein Vater plötzlich gestorben. Er hatte direkt vor meinen Augen einen Herzanfall. In den folgenden Wochen gab es zwischen meiner Mutter und mir immer wieder Krach - zwei Menschen voller Schmerz und zwei sture Persönlichkeiten, die nicht wussten, wie man nachgibt. Nach einem besonders schlimmen Streit sagte sie mir, ich solle verschwinden, und ich nahm sie beim Wort. Ich nehme an, jeder von uns dachte, der andere würde nur einen Witz machen, aber keiner war bereit, sich zu entschuldigen oder einzulenken. Ich ging und kehrte niemals zurück.
Ein paar Wochen lang, ehe ich ein Zimmer in etwas fand, das die Bezeichnung »Unterschlupf« kaum verdiente, hatte ich keinen Schlafplatz. Ein paar Nächte verbrachte ich bei Freunden auf dem Sofa, einige auch im Freien. Ich lief die Hauptstraße von St Neots entlang, bis ich aus dem Ort raus war, und dann wieder zurück: alles, um die Winterkälte zu vertreiben, alles, um die Zeit vergehen zu lassen. In einer dieser Nächte, lange nach Einbruch der Dunkelheit und als die Stille verriet, dass alle, die ein Bett zum Schlafen hatten, sich hineingelegt hatten, fiel mir ein schmaler Streifen Licht ins Auge, während ich die Straße entlangging. Eine Tür war nur angelehnt, und ich schob sie auf. Im schwachen Licht drinnen erkannte ich die Schilder für einen Notausgang. Ich betrachtete die Treppe vor mir und wusste: Dies war das Beste, was ich tun konnte: Mehr Obdach würde ich in dieser Nacht nicht finden. Also wickelte ich mich in meinen großen Mantel, legte mich hin und schlief.
Das war so lange her, doch diese Meldung im Radio brachte mich zurück zu der kleinen Zuflucht, die ich gefunden hatte. Ich wusste, dass ein Treppenhaus, selbst wenn es nirgendwo hinführt, eine Bedeutung haben kann. Es kann der erste Schritt zu etwas viel Größerem sein.
Die Versteigerung begann mit 20 000 Pfund. Das kam mir absurd vor: so viel Geld für ein Gebäude, das keinerlei Zweck diente. Grundsätzlich kaufe ich nicht gern Immobilien und rate den Leuten sogar von solchen Investitionen ab. Doch hier saß ich nun und wurde in einen Bieterwettstreit hineingezogen für etwas, das aus logischer Sicht wertlos war. Der Preis schraubte sich langsam höher, von 21 000 auf 22 000 Pfund, und da hob ich erstmals meine Bieterkarte. Immer noch kamen Gebote von Leuten herein, die nicht anwesend waren: 23 000 Pfund, 24 000 Pfund. Als ich meine Hand bei 25 000 Pfund erneut hob, war ich mir unsicher, wie hoch das noch gehen würde. Aber nun hatte ich angefangen zu bieten, und ich würde nicht damit aufhören.
»Fünfundzwanzigtausendfünfhundert?«
Der Auktionator fragte zweimal, erhielt jedoch keine Antwort. Die Onlinebieter waren raus. In dem halb leeren Raum herrschte Stille. Dann fiel der Hammer mit einem satten Klicken. Ich schwang Aidan in die Höhe und jubelte.
»Wir haben es!«
Das nachfolgende nervöse Lachen machte mir klar, dass man sich so im Auktionshaus normalerweise nicht benahm. Aber das war ja keine normale Immobilie. Selbst der Auktionator räumte ein, dass er so etwas noch nie verkauft hätte. Fast augenblicklich erhielt ich Anrufe von der BBC, der New York Times und anderen, die fragten, warum ich so etwas Verrücktes gemacht hätte.
Innerhalb weniger Minuten hatte ich einen Vertrag unterzeichnet und eine Anzahlung gemacht und war nun unwiderruflich Eigentümer des sonderbarsten Gegenstands, den ich je kaufen werde: des wahrscheinlich hässlichsten Bauwerks von Twickenham. Eine Taxifahrt später standen wir davor. Ein Gebäude ohne eigene Adresse, ohne Briefkasten, ohne echte Existenzberechtigung. Grau und schmuddelig ragte es hinten aus einem Wohnblock heraus, links davor parkten Autos, und rechts standen riesige Müllcontainer. Wir hatten noch keinen Schlüssel, doch wie vor all diesen Jahren war die Tür offen. Ich schob sie auf, und uns bot sich ein bizarrer Anblick: Jeder nur erdenkliche Abfall war hier abgeladen worden, darunter Fahrräder, Bettgestelle und Feuerlöscher. Es sah nach heillosem Durcheinander aus. Ich wusste sofort: Es war perfekt.
Das Treppenhaus war nicht bloß eine Reise in die Vergangenheit. Es sollte entscheidend werden für das Unternehmen, das ich kurz vor meinem Ausflug ins Auktionshaus gegründet hatte und das vermutlich das wichtigste Vorhaben meines Lebens sein wird. Es heißt HelpBnk und hat sich zum Ziel gesetzt, zehn Millionen Menschen dabei zu unterstützen, kostenlos ein Unternehmen zu gründen und ihren Traum zu verfolgen. Die Idee ist unglaublich simpel: Man registriert sich auf einer Plattform und bittet entweder um Unterstützung bei seinem Gründungsvorhaben oder hilft anderen bei ihrem. Ich habe sie ins Leben gerufen, weil ich in über 30 Jahren als Unternehmer so oft Hilfe oder Anleitung brauchte, sie aber nicht bekam oder mir nicht leisten konnte. Ich habe nie vergessen, wie das war, mit 15 mein erstes Geschäft zu betreiben und einen ortsansässigen Entrepreneur um Hilfe zu bitten. Er wollte Geld dafür, und ich hatte keins. Ich bat ihn, mir trotzdem zu helfen. Und er lächelte, schüttelte den Kopf und sagte etwas, was ich seither immer mit mir herumtrage: »Wer nicht bezahlt, passt nicht auf.« Ich wusste immer schon, dass das nicht stimmt, aber ich habe 35 Jahre gebraucht, um ihm seinen Fehler nachzuweisen. Das ist der Grund, warum ich HelpBnk geschaffen habe: eine Plattform, die es Menschen ermöglicht, anderen Menschen zu helfen und den Rat, die Unterstützung, das Fachwissen oder die Betreuung anzubieten, die jemand benötigt, um seinem Traum zu folgen. Das ist mein Traum: eine Welt, in der wir alle die Freiheit besitzen, einander kostenlos und ohne Hintertürchen zu helfen - zu geben, ohne etwas dafür zu erwarten.
Eine Zeit lang hatte ich diese Idee des #GiveWithoutTake, also geben, ohne zu nehmen, im Alleingang beworben, gestützt von meinen großartigen Mitarbeitern. Falls du mich überhaupt kennst, dann wahrscheinlich als den Typen auf TikTok, der Leute auf der Straße fragt, ob sie einen Traum haben, und ihnen manchmal Geld anbietet, damit sie ihren Job kündigen und ihren Traum verfolgen können. Je mehr ich das tat, umso überzeugter wurde ich davon, dass ganz viele von uns diesen Traum bereits haben. Wir wissen bloß nicht, wie wir ihn umsetzen sollen. Wir haben Angst, ins kalte Wasser zu springen, vertrauen unseren Fähigkeiten nicht oder sind unsicher, welches die ersten Schritte sein sollten.
Es gibt Millionen von Träumen in den Köpfen der Menschen, die auf den Funken warten, der sie zum Leuchten bringt. Ideen mit so viel Potenzial, das Leben der Leute zu verbessern. Sie brauchen nur ein bisschen Hilfe. Einen Menschen, der an sie glaubt. Ich weiß das, denn wenn ich Leute anspreche, die in Supermärkten arbeiten, in Fast-Food-Restaurants, auf Bahnhöfen und Baustellen, können ganz viele von ihnen es kaum erwarten, mir, einem völlig Fremden, von der Marke zu erzählen, die sie erschaffen wollen, den Ländern, die sie bereisen, und der Wirkung, die sie in der Welt erzielen wollen. Von ihrem Traum, Menschen aus der Obdachlosigkeit herauszuhelfen, Krebspatienten zu unterstützen oder Kleidung für Personen herzustellen, die belastende Operationen hinter sich haben. Das heißt nicht, dass sie ihre Arbeit hassen, sie glauben einfach nur, dass es mehr gibt, was sie mit ihrem Leben anstellen wollen.
Dieses ganze Potenzial ist da. Stell dir vor, was passieren könnte, wenn wir es freisetzten! Schon darüber zu schreiben, erfüllt mich mit Freude, und deshalb sind Träume so eine mächtige Kraft.
So sollte auch das Treppenhaus seine Bestimmung finden. Ursprünglich hatte ich gedacht, es könnte ein Pop-up-Begegnungsort werden, an dem Menschen sich Rat holen können - ein Ladenlokal für HelpBnk. Dann hatte Dudley, einer meiner Mitarbeiter, eine noch bessere Idee.
Er verwies auf etwas, das dieses Gebäude ohne Namen, Briefkasten oder Adresse ebenfalls nicht hatte: eine Türklingel. Wir konnten eine Türklingel mit Videokamera installieren und Leute einladen, herzukommen und ihren Traum vorzustellen. Wir würden sie alle aufzeichnen, online stellen und Wege finden, um ihnen zu helfen. Bisher hatte ich willkürlich Menschen angesprochen und gefragt, ob sie einen Traum hatten. Jetzt konnten Menschen, die ihren Traum bereits...
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