Schweitzer Fachinformationen
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Geübt nahm Deetje jeweils zwei Stufen der schmalen Treppe, die hinunter zum Hafen führte. Wenn sie sich beeilte, schaffte sie es, in unter fünf Minuten im Hotel zu sein. Um nicht im Schnack aufgehalten zu werden, richtete sie ihren Blick geradeaus und grüßte die Besatzung des Muschelkutters und die Crew aus dem Muschelimbiss, die gerade das Tagesgeschäft vorbereitete, nur knapp. Ein »Moin« sagte sowieso mehr als tausend Worte. Schnell erreichte sie den rot-weiß gestreiften Leuchtturm, der, eingebettet in das satte Grün des ihn umgebenden Waldes, unweit des Strandes die Stellung hielt.
»Auf dich ist Verlass«, schnaufte Deetje, vom schnellen Schritt ganz atemlos, und erntete dafür den verwirrten Blick eines Touristen, der wohl aus dem Bett gefallen und von seiner Frau zum Brötchenholen geschickt worden war.
Vor dem Hotel angekommen, hielt sie trotz der Eile inne und nahm sich wie jeden Morgen die Zeit, alles kurz auf sich wirken zu lassen.
Das »Wattenläuper« lag direkt an der Dünen- und Heidelandschaft der Hörnum-Odde, nur einen Steinwurf vom schier endlosen Sandstrand entfernt. Zur Straße hin ließen die weiße Fassade und die hölzerne Teilverschalung, trotz der großen Sprossenfenster, keinen Blick auf die Landschaft zu, dafür verströmten die noch in den letzten Zügen rosa blühenden Syltrosen ihren süßlichen und so typischen Duft. Deetje fielen die Hagebutten ins Auge, die orange-rot in der Morgensonne leuchteten. Anscheinend hatte Irma hier noch nicht gewildert. Sie verwarf den Gedanken - ihr Schwiegermonsterchen in spe a. D. sollte nicht auch noch in ihren Tagträumereien das Rednerpult entern - und konzentrierte sich wieder aufs »Wattenläuper«, in dem sie seinerzeit im wahrsten Sinne des Wortes gestrandet war.
Stolz überkam Deetje. Zum einen, Teil des Hauses zu sein, das Team war wirklich nett und das Angebot ausgezeichnet, zum anderen konnte sie von sich behaupten, es in nur drei Jahren von der Aushilfe im Frühstücksdienst zur Front-Office-Managerin geschafft zu haben. Geholfen hatten ihr dabei eine Weiterbildung per Abendschule und, zugegeben, der gute Draht zur Direktorin, Annelie Christensen. Nach einigem Hin und Her hatten ihre Chefin und ihre beste Freundin kurz nach ihrer Rückkehr auf die Insel endlich zueinander gefunden, und inzwischen zählte auch Deetje die sympathische Hotelmanagerin zu ihrem engsten Freundeskreis.
Schwungvoll öffnete sie jetzt die Eingangstür, durchquerte Windfang und Flur und bog an dessen Ende rechts zur Rezeption, statt wie früher links ins Restaurant, ab. Annelie erwartete sie schon mit sorgenvollem Blick.
»Na, wo brennt's?«, fragte Deetje und warf ihre Jacke in den kleinen Raum hinter der Rezi, nicht ahnend, dass ihr der positive Schwung gleich genommen werden würde.
»Ehrlich gesagt, glaub ich, bei dir brennt's«, antwortete Annelie wenig charmant. »Was bitte hast du mit der Reservierung für die Hochzeitsgesellschaft angestellt, die morgen kommen will?« Hilflos tippte sie auf der Tastatur herum, als gelte es, nur die richtige Tastenkombination zu finden, um ein Unglück abzuwenden. Deetje wurde kurz schummerig und ihr Herz fing an, wild zu klopfen.
Sie war erst seit etwa einem Monat an der Rezeption tätig und somit schlichen sich noch immer Fehler ein. Manchmal waren sie unbedeutend und es fehlte nur ein Kurabgabebetrag in der Abrechnung. Manchmal auch größer, wie letzte Woche, als sie den Gast aus Bad Münstereifel in der weiblichen Form angesprochen hatte, weil er durch seine langen Haare und die schlanke Figur sehr feminin wirkte. In diesem Fall aber kam ihr Fauxpas einer ausgewachsenen Katastrophe gleich. Sie hatte doch nicht etwa .?
Hektisch übernahm sie die Kontrolle über die Maus und checkte den Reservierungsplan. Gestern hatten die fünf Zimmer doch noch dringestanden, sie hatte lediglich einen kleinen Hinweis zu den Gästewünschen hinzufügen wollen. Nun zeigte das System noch zwei freie Zimmer an, und an die Hochzeitsgesellschaft erinnerte nur die Tatsache, dass freie Kapazitäten zur Hauptsaison eine Seltenheit waren.
»Bitte sag mir, dass die storniert haben«, ergriff die Hotelchefin wieder das Wort. Es klangen Hoffnung und Skepsis in ihrer Stimme mit.
»Da die Braut gestern extra noch einmal angerufen hat, um einen Weckruf für alle Gäste zu erbitten, können wir das wohl ausschließen«, gab Deetje kleinlaut zurück. Annelie Christensen ließ sich in ihren Stuhl zurückfallen und hielt sich die Hände vor die Augen. »Ich glaub's ja nicht!«
Schnell war Deetje hinter sie getreten, um ihr ein wenig die Schultern zu massieren. Sie schämte sich schrecklich für ihren Fehler. Jetzt galt es, dem Kind, das in den Brunnen gefallen war, möglichst schnell einen Rettungsring zuzuwerfen.
»Wir beruhigen uns erstmal wieder. Ich kläre das. Geh du einen Tee trinken und ich schau, wie ich das wieder in Ordnung bekomme. Guck, zwei Zimmer sind noch frei. Die Neubuchungen versuche ich umzulegen. Großzügige Rabatte sind doch ok?«
»Scotch«, stöhnte Annelie und erhob sich schwer, »ich brauche jetzt einen Scotch auf den Schrecken am Morgen. Und du bringst das wieder in Ordnung.« Sie machte sich auf den Weg ins Restaurant, drehte sich aber noch einmal zu Deetje um.
»Und ich rate dir, eine Lösung zu finden, sonst überleg ich mir das nochmal mit deiner neuen Position.«
Deetje hatte den ganzen Morgen telefoniert. Zumindest hatte sie es versucht, während andere Gäste des Hauses ein- und auschecken wollten und nach Tipps für Wanderungen oder guten Restaurants fragten.
Am Ende hatte sie es geschafft, alle Hochzeitgäste wieder einzubuchen, ohne dass diese auch nur eine Ahnung von dem grand Malheur bekamen, das Deetje ihre Nerven und fast ihren Job gekostet hatte. Im Geiste klopfte sie sich auf die Schulter. Das nannte sie mal ein gelungenes Krisenmanagement. Darüber, dass sie selber für die Katastrophe zuständig gewesen war und sie den neu eingebuchten Gästen für ihre Umbuchung Rabatte, Upgrades und Gratisessen im Restaurant hatte versprechen müssen, wollte sie mal großzügig hinwegsehen. Alles war nochmal gut gegangen, und Mads sagte immer, sie solle nicht alles so ernst nehmen, mal lockerlassen. Und das versuchte sie - so angestrengt, dass es beinahe wehtat.
Trotz der positiven Einstellung, die sie sich mantramäßig einredete, war sie heilfroh, als sie an diesem Nachmittag aus dem Hotel heraustrat, und atmete erst einmal tief durch. Der Himmel zeichnete noch immer das gleiche Bild wie am Morgen und trieb einige Wolken über den Himmel. Es roch süßlich und würzig, und doch war da diese einmalige Frische in der Luft, ein Nordsee-Cocktail, der süchtig machte.
»So, nun mach' mal den Kopp aus«, sagte Deetje leise zu sich selber, nachdem sie sich versichert hatte, dass diesmal niemand in der Nähe war, der ihren Geisteszustand anzweifelte, nur weil sie ab und an ein paar harmlose Selbstgespräche führte, und machte sich auf den Weg zum Hafen. Dort war sie mit ihren Freunden am Muschelwerk auf eine Weißweinschorle verabredet. Manchmal stieß auch Hinnerk dazu, wenn der Muschelkutter wieder im Hafen und die Ladung gelöscht war.
Es war schon fast zu einer liebgewordenen Tradition geworden, dass man sich auf den kleinen Sitzklötzen vor dem Verkaufspavillon traf und den Alltag Alltag sein ließ. Auch Annelie würde an diesem Ort wieder nur eine Freundin sein und nicht die wütende Chefin, das konnten sie glücklicherweise gut trennen.
Deetje hatte den Schmuckpavillon kurz nach ihrer Rückkehr zusammen mit Silke eröffnet und Irma als stille Teilhaberin mit ins Boot geholt - naja, so still, wie Irma eben sein konnte. Die Eröffnung damals war ein Desaster gewesen, Deetje dachte lieber nicht daran zurück. Ansonsten hatte sich das Muschelwerk aber als Erfolgsprojekt entwickelt. Auch wenn die Gewinne aus dem Verkauf von Silkes selbstgemachtem Muschelschmuck so gerade für den Erhalt des Betriebes und ein kleines Zubrot genügten, so war der Pavillon für sie alle zu einer Art zweitem Wohnzimmer geworden, wo man sich traf und miteinander wohl fühlte.
Und seit ihrer Beförderung im Hotel konnte Deetje sich umso mehr an dem Drumherum erfreuen, denn den Betrieb hatte sie fast vollständig an Silke und ihre fleißige Aushilfe Emma übergeben, eine Schülerin mit der richtigen Qualifikationskombi: viel Zeit während der Ferien und wenig Geld, so dass ihre Gehaltsvorstellungen überschaubar waren.
Als sie auf das Hafenvorfeld zusteuerte, zeigten sich die Holzhocker vor dem Muschelwerk schon gut gefüllt, ebenso wie die Gläser mit Weißweinschorle.
Voller Vorfreude auf einen dieser Nachmittage, an denen man Gott einen guten Mann sein lassen konnte, während dieser sein Werk in aller Pracht ausspielte, gab sie zuerst Mads einen flüchtigen Kuss und schmiss sich dann auf einen der Stühle mit Blickrichtung gen Hafen und Sonne.
»Moinsen!«, begrüßte sie auch den Rest überschwänglich und zog sich die Sonnenbrille ins Gesicht. »Wie ich sehe, lasst ihr es euch schon gut gehen?«
Silke und Annelie starrten sie verwundert an.
»Bist du denn schon fertig mit den Vorbereitungen für die Hochzeit?«, fragte ihre Freundin ganz erstaunt, die scheinbar trotz Feierabends noch nicht wie eigentlich erwartet aus ihrer Rolle als Chefin herausgefunden hatte. »Blumen sind bestellt und mit dem Redner und der Inselverwaltung hast du auch die letzten Absprachen zur Strandzeremonie getroffen?«
Konzentriert saugte Deetje an ihrem Strohhalm, um Zeit zu gewinnen. Das hatte sie ja völlig vergessen! Und seit wann trank man Weißwein eigentlich mit einem .?«
»Deetje!«, unterbrach Annelie ihre Gedanken und sofort ärgerte die Ertappte...
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