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Murphy wäre ein treffenderer Name für diesen Rabauken gewesen. Bei unserem Hund scheint Gesetz zu sein, dass einfach alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann. Oder Osama. Ein richtiger Terrorist ist aus ihm geworden. Allerdings: Conan der Barbar hätte es heute am allerbesten getroffen. Es war die reinste Schikane, was er bei unserem Nachmittagsspaziergang mit mir abgezogen hat. Meine Beine sind blutig wie nach einem Gemetzel, meine Unterarme völlig zerkratzt, wegen der Blasen an den Füßen werde ich mindestens eine Woche kaum gehen können und die neuen Sneakers sind nun reif für die Altkleidersammlung.
Dabei begann alles nach Plan, und der war, mit unserem Hund heute das Rückruftraining zu beginnen. In letzter Zeit macht er nämlich immer mehr Faxen und braucht auch von Tag zu Tag mehr »Benjis« (eigentlich: »Beeeeeenjiiiiiis«), um zu kommen, wenn er gerufen wird. Also packte ich ein paar Leckerlis ein, schnappte mir das Lieblingsspielzeug unseres Hundes und hoffte, ich sei ausreichend gewappnet für das Training. Als Übungsleitfaden diente mir ein Video aus dem Internet.
soisserbrav.com/rueckruf
Nachdem ich aber nicht wirklich wusste, wie gut das Training funktionieren würde, spazierte ich mit ihm in die Weinberge, fernab von Straßenverkehr, zu vielen Spaziergängern und anderen Hunden. Ich hatte zwar ein wenig Bauchschmerzen beim Gedanken, Benji frei laufen zu lassen, aber na ja: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Bei einem Feld verdorrter Sonnenblumen angekommen, ging ich geistig noch mal die Tipps aus dem Video durch, öffnete den Karabiner der Leine ... und der Albtraum begann. Denn plötzlich erstarrte Benji, spitzte die Ohren, streckte seine Nase kurz in die Luft und im nächsten Augenblick war er in dem Meer aus vertrockneten Blütenköpfen verschwunden. Sekunden später hörte auch ich, was er anscheinend schon vor mir wahrgenommen hatte: den Ruf irgendeines Vogels, wahrscheinlich eines Fasans. Kein Problem, dachte ich mir, soll er doch nach dem Federvieh suchen und das arme Tier vermutlich auch hochjagen, aber dann wird er sich bestimmt erinnern, mit wem er den Spaziergang begonnen hat und wer ihm abends immer brav die Dosen öffnet.
Da sollte ich mich aber mal gründlich getäuscht haben. Denn nach einigen Minuten wurde ich unruhig und rief den kleinen Jäger. Erst einmal, dann nochmals und dann auch ein drittes Mal - keine Reaktion. Also legte ich noch eins drauf und quietschte mit seinem Lieblingsspielzeug. Nichts. Schließlich raschelte ich mit der Leckerli-Packung und tat, was ich auf der Hundewiese schon oft bei anderen Hundehaltern gesehen und immer mit einem inneren Augenverdrehen kommentiert hatte.
»Leckerliiiii«, hörte ich mich in der Hoffnung rufen, damit irgendeine verlockende Assoziation auszulösen.
Keine Spur von unserem Vierbeiner. Als nach zehn Minuten immer noch kein Hund in Sicht war, dafür aber unzählige Fasanendamen aus ihren Verstecken geflohen waren, machte sich in mir Panik breit. Ich begann mich durch die kratzigen Halme zu kämpfen und meine Rufe nach unserem Terrorbolzen wurden mit jedem »Benji« um einige Dezibel lauter.
Nach weiteren 20 Minuten und einer immer kraftloser werdenden Stimme verließen mich dann schließlich die Nerven - Katja hatte mir erst vor ein paar Tagen von einem Hund erzählt, der von einem Jäger erschossen worden war - und ich rief Harald an. Der war zwar nicht sehr erfreut über meine Bitte, sich ins Auto zu setzen und mir bei der Suche nach Benji zu helfen, da er noch einen Bericht fertig zu schreiben hatte. Aber offenbar bemerkte er meine Verzweiflung und sparte sich weitere Kommentare.
Zehn Minuten später tauchte Haralds Auto am Horizont auf, gefolgt von zwei olivgrünen Geländewagen. Mir schwante schon, wer sein Geleit darstellte ... Die Jägerschaft war anscheinend von einem selbst ernannten Zivil-Sheriff darüber informiert worden, dass am Feldweg hinter der Waldmeister-Siedlung ein Hund wildert. Jetzt war ich richtig sauer, denn die Männer in Grün mit ihren Gewehren sind noch nie mein Fall gewesen, und welche Weisheiten mich da in den nächsten Minuten erwarten würden, konnte ich mir gut vorstellen. Mittlerweile wollte ich statt Benjis Namen am liebsten nur noch Ausdrücke rufen, für die sich unsere beiden Jungs saftige Standpauken eingehandelt hätten.
Wie ist uns dieser Hund eigentlich so entglitten?, fragte ich mich resigniert und rief Harald und den Jägern zu, dass sich gerade etwa 30 Meter von ihnen entfernt etwas im Feld bewegt hätte.
Irgendwie häufen sich in letzter Zeit die Situationen, in denen ich mich hilflos und wütend fühle. Gestern hat Benji zum Beispiel Smarties neue Fußballschuhe komplett geschreddert, nachdem Harald und ich zur Arbeit gefahren waren, und auch sein Benehmen gegenüber anderen Hunden wird immer unmöglicher. Er führt sich in unserer Straße auf wie der Hausmeister, als ob er hier alle Rechte hätte, und bellt bei nahezu jedem Hundekontakt die Tonleiter rauf und runter.
Außerdem benimmt er sich den Kindern gegenüber rotzfrech, springt sie an und hat sie beim Fußballspielen im Garten kürzlich sogar in die Schuhe gezwickt, als sie ihm offenbar zu schnell rumliefen. Auch die Katzen trauen sich seit ein paar Tagen nicht mehr aus dem ersten Stock herunter, nachdem er sie letzte Woche - wie bei Tom und Jerry - quer durchs Wohnzimmer gejagt hat und ihn nur die rutschige Treppe nach oben daran gehindert hat, sie bis durch den Schornstein zu verfolgen.
Möglicherweise werden wir auch bald keinen Besuch mehr haben, denn vorgestern war Tante Alma da, an der er so oft hochgesprungen ist, dass in meinem Kopf seither ständig Bilder von ... Nein, am besten gar nicht daran denken und diese absolut peinliche Situation unter dem Schlagwort »Strumpfhosen-Gate« bei den Familiengeheimnissen begraben.
All das ging mir durch den Kopf, als ich zwischen den dicken Stängeln umherstapfte, und ich merkte, dass schon wieder 30 Minuten vergangen waren, es mittlerweile dunkel wurde und mir zum Rufen nun völlig die Kraft ausgegangen war. Außerdem machte die Wut nach und nach der Verzweiflung Platz.
Wir konnten Benji im Feld zwar immer wieder entdecken, wenn sich da und dort etwas bewegte und er auch hin und wieder mal ein hohes Bellen von sich gab. Aber es hatte den Anschein, als wäre er uns ständig um einige Nasenlängen voraus. Wir bekamen ihn einfach nicht zu fassen, als ob wir ihn wie mit dem Gegenpol eines Magneten ständig vor uns herschoben. Als die Jägerschaft dann Flutlichter auspackte und übers Feld schwenkte, sah ich mich am Ende meiner Möglichkeiten und ging erschöpft und völlig entmutigt zu Harald und den Herren im grünen Loden-Outfit.
»Der braucht aber mal einen ordentlichen Grundgehorsam. Von Unterordnung hat der wohl noch nichts gehört!«, herrschte mich einer der Jäger an.
Ich hob den Kopf, schaute ihn mit einem Blick an, der sogar einen bewaffneten Mann zum Schweigen bringt, und wollte ihm die Situation erklären. Doch gerade als ich mich mit den Worten zu rechtfertigen begann, dass ich ja ohnehin am Trainieren gewesen war, stand plötzlich Benji neben uns, die Zunge vor Erschöpfung fast am Boden. Seine Augen standen irgendwie quer und er wirkte berauscht und völlig neben der Spur. Über eine Stunde war er weg gewesen, es fühlte sich aber an wie mindestens drei.
Mit zittrigen Händen und meinem letzten bisschen Kraft klemmte ich mir den Ausreißer kommentarlos unter den Arm, rief den Jägern ein zynisches »Waidmannsdank« zu und marschierte zu unserem Auto. Harald, dem die ganze Sache offenbar sehr unangenehm war, entschuldigte er sich bei den ungebetenen Helfern noch mal und ab ging es nach Hause.
Daheim angekommen, brauchte ich erst mal einen Beruhigungsschnaps, und Max und Smartie, die mich maximal mit einem Glas Sekt auf einer Feier kennen, wollten natürlich gleich wissen, was los war. Doch für lange Erklärungen hatte ich wirklich keinen Nerv mehr und schickte sie mit dem Versprechen, ihnen morgen alles zu erzählen, ins Bett.
Dort war Benji im Übrigen auch schon, denn nachdem er von der Garage ins Haus gewankt war, als hätte er irgendwo im Feld heimlich einen über den Durst getrunken, kollabierte er in seinem Körbchen, wo er nun seelenruhig schlief und aussah, als könnte er im Wachzustand Fasanen gerade mal zuwinken, sie aber keinesfalls jagen.
Nachdem also Ruhe eingekehrt war, wollte ich mit Harald noch mal reflektieren, was genau passiert war. Aber der wollte nach der ganzen Action nur noch seinen Frieden haben, was mir wirklich sauer aufstieß, denn bei ihm gehorcht der Hund noch zehnmal weniger als bei mir. Will ich einem Benji-Problem aber gemeinsam mit Harald auf den Grund gehen, kommen immer nur Plattitüden wie »Das ist halt ein Hund«.
Aber sicher doch, ich lass ihn mal einfach die Zierkissen zerbeißen, auf den Wohnzimmerteppich pinkeln oder mit seinen scharfen Krallen Muster in die Türen ritzen. Da...
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