Schweitzer Fachinformationen
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Vorwort 7
Wozu dieses Buch? 9
Teil 1 Wirtschaft neu denken
1 Schritte zu einer Planet We Economy 17
2 Wenn Wirtschaft zur Wett- Wirtschaft wird - Geht es noch (billiger)? 39
3 Wettbewerbsneutralität - Der Schlüssel zu einer ökosozial nachhaltigen Marktwirtschaft 57
Teil 2 Wirtschaft nachhaltig wettbewerbsneutral gestalten
4 Welthandel transparent wettbewerbsneutral - Ein globales Zertifizierungssystem 69
5 Ein Steuersystem für die wahren Konsumkosten - Wirtschaft als »Blue Economy 85
6 Das Ende des Dumpingwettbewerbs - Wettbewerbsneutrale Mindestlöhne und Mindestpreise 97
7 Das Ende des Steuer- Dumpingwettbewerbs - Ein neues Steuersystem für Unternehmen 107
8 Europa als Vorreiter - durch verbindliche öko- soziale Produktstandards 119
Teil 3 Ein besseres Wirtschaften für alle ist möglich
9 Von der Wissens- zur Kompetenzgesellschaft 133
10 We, the People ... - Eine gemeinsame Identität als Weltbürger 153
11 Die Earth Life Organization« als neue UN- Einrichtung 161
12 Weltinnenpolitik durch eine handlungs- und finanzstarke UNO 171
Planet We Economy: Das Manifest 185
Ein Appell an die Vereinten Nationen 191
Danksagung 193
Literatur 195
Die Autoren 199
Statements zum Grundkonzept sowie einzelnen Vorschlägen 201
Webseite zum Buch 204
Bereits die bisherigen Ausführungen können, ja müssen uns zu einer sehr grundsätzlichen Frage führen: Waren wir mit dem richtigen Grundverständnis von Marktwirtschaft unterwegs, als wir sie wesensmäßig unumgänglich als eine Wettbewerbs-Wirtschaft verstanden haben? Oder noch grundsätzlicher: Ist Wettbewerb tatsächlich der bedeutendste und beste Antrieb menschlichen Denkens und Handelns?
Ein kleiner Blick in die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der Menschheit könnte da schon Anlass für evidente Zweifel liefern.
So war für Platon nicht Wettbewerb, sondern die »Macht des Guten« die erfolgreichste Antriebskraft des Menschen. Die Motivation des Wirkens für »das Wahre, Schöne, Gute« war für ihn zwar metaphysisch, aber genau dadurch in höchstmöglichem Maße wirklich und wirkmächtig, transzendent und genau deshalb so weltverändernd transformativ. Für ihn war dies die Basis sowohl für sein Denken über Politik als auch über Wirtschaft. Für beide Kernbereiche menschlichen Agierens gilt nach Platon: »Indem wir für das Wohl anderer streben, fördern wir das eigene.« Und dies galt für Platon wie Sokrates nicht begrenzt auf das eigene Volk oder die eigene wie auch immer definierte Gemeinschaft, sondern für die ganze Welt. Weil es ein Weltprinzip ist. Damit verstanden sich Sokrates und Platon ausdrücklich als Weltbürger.
Für unser Thema ist die realpolitische und realökonomische Auswirkung dieses Denkens von Sokrates und Platon auf die Entwicklung der Hochblüte Griechenlands von Interesse: Sie führte zu einer vergleichsweise demokratisch organisierten Politik - und zu einem überraschend konsistent wohlstandförderndem statt ausbeuterischem Handel und Handeln. Vergleichbar war auch das Aufblühen Europas nach der extrem nationen-kompetitiven Historie bis 1945 durch eine bemerkenswerte Wende zu kollaborativem Denken und Handeln bestimmt und durch dieses ermöglicht.
Damit sollen weder Phänomene wie Kolonialismus noch die Historie Europas in ihrem Umgang miteinander und gegenüber anderen Ländern und Weltregionen schöngeschrieben werden. Bis hierher wollten wir lediglich andeuten, dass man Wirtschaft und insbesondere Marktwirtschaft offensichtlich keineswegs als naturgegeben vorrangige Wettbewerbsveranstaltung beschreiben und verstehen muss und dass nicht darin ihr Erfolgsgeheimnis liegt.
Gehen wir nun eine Stufe tiefer und widmen uns der Frage, wie es dazu kam, dass Wettbewerb mit Bezug auf das Standardwerk von Adam Smith »Der Wohlstand der Nationen« eine fast schon sakrale Überhöhung erfahren konnte.
Der Begriff der Marktwirtschaft entstand aus dem Geschehen, dass an einem Markt unterschiedliche Anbieter auftreten und ihre Angebote unter gleichen Bedingungen einbringen können. Adam Smith stellte in den Märkten, wie er sie in seiner Heimat zu seiner Zeit kannte, fest, dass bei gleichen Marktzugangsbedingungen das Streben der unterschiedlichen Handwerker um die besten Angebote (nach Preis, Leistung oder anderen für die Nachfrager wichtigen Kriterien) diesen wettbewerblichen Eigennutzen in den Gemeinnutzen besserer Preise, besserer Leistungen oder neuer Leistungen, sprich Innovationen, verwandelt. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen einerseits auf ethischen Werteorientierungen basieren und andererseits gleiche Wettbewerbschancen sichern, dann wird der Wettbewerb tatsächlich zu einem Wettbewerb der Gemeinwohlgenerierung.
Er beschrieb dieses erfreuliche Geschehnis mit dem Bild einer »unsichtbaren Hand«, die aus dem vermeintlichen Eigennutzen der Anbieter - dem Erfolg am Markt - einen gesamtheitlichen Gemeinnutzen - Wohlstandsgenerierung und -mehrung für alle - hervorgehen ließ. Wettbewerb in dem Werte-und-Gesetze-Kontext, wie Adam Smith ihn beschrieb, ist etwas völlig anderes als ein Wettbewerb außerhalb oder gar unter Missachtung notwendiger Werte und gesetzlich gesetzter Rahmenbedingungen.
In der Folgezeit wurde Adam Smith jedoch zum Propheten der Märkte hochstilisiert und verklärt. Er wurde zu einem der großen Säulenheiligen einer marktradikalen Sichtweise, nach der die Märkte dem Staat und dem Gesetzgeber prinzipiell überlegen sind bei der Entdeckung und Entwicklung der besten Lösungen auf Herausforderungen. War das Geheimnis hinter der beschriebenen Wohlstandsgenerierung der Markt oder der gesetzte ethische und wettbewerbsneutrale Rahmen, vor dem der Markt geschah?
Adam Smith war kein Marktradikaler, der den Markt als solchen vergöttlichte, sondern er war Moraltheologe, der danach suchte, unter welchen ethischen Werten und gesellschaftlich-ökonomischen Wertsetzungen Wohlstand am besten gedeihen kann. Dies beschrieb er in seinem ersten großen Werk »Theorie der ethischen Gefühle«. Auf dieser Basis aufbauend entwickelte Adam Smith in »Der Wohlstand der Nationen« letztlich eine Theorie der Bedeutung von wettbewerbsneutralen Rahmenbedingungen für das positive Wirksamwerden von Märkten.
Auf diese Tatsache verwiesen immer wieder Adam-Smith-Forscher. In jüngerer Zeit forderte Ernst Ulrich von Weizsäcker im 2018 erschienenen Club of Rome Bericht »Wir sind dran« eine regelrechte »neue Aufklärung«, um den Kardinalirrtum in der Deutung des »Urvaters der Ökonomie« endlich zu überwinden. Zum selben Ergebnis kam die junge Ökonomin Viktoria Schäfer in ihrer bemerkenswerten Dissertation »The Cooperative Idea as an Institutionalization of Adam Smith's Moral Philosophy«. Ebenso die Ökonomin Maja Göpel in ihrem Wirtschafts-Bestseller des Jahres 2020 »Unsere Welt neu denken«: »Dass Adam Smiths zweites großes Werk >Die Theorie der ethischen Gefühle< heißt, in dem er die Fähigkeit zum Mitgefühl als Wesenszug des Menschen beschreibt, wird oft genauso ausgeblendet wie die Tatsache, dass er klar für regulierende Gesetze eintrat, also mitnichten davon ausging, der Markt werde schon alles von alleine regeln.«
Ernst Ulrich von Weizsäcker beschrieb die eindeutige »Voraussetzung« für das Wirken der »unsichtbaren Hand« zu Zeiten von Adam Smith und in dem regionalen Kontext, in dem er seine Theorie entwickelte: »Die geografische Reichweite des Gesetzes und der Moral war mit der geografischen Reichweite des Marktes identisch.« Die Werte und das darauf basierende Gesetz setzten den Rahmen, in dem der Markt seine wertegenerierenden Effekte effektiv im Rahmen und im Sinne der gesetzten Moral entfalten konnte. Diese Voraussetzung existiert heute nicht mehr, denn: »Die heutigen Märkte haben die Welt als ihre geografische Reichweite, während Gesetze und Moral in aller Regel nur national oder kulturell gelten. Das führt zu einer krassen Macht-Ungleichheit zwischen den Märkten, vor allem den Kapitalmärkten, und dem staatlichen Recht. Die Finanzmärkte sind so mächtig, dass sie die Gesetzgeber auf nationaler Ebene zwingen, ja erpressen können, das Recht so weiterzuentwickeln, dass es der Maximierung der Kapitalrendite nutzt.«
Wettbewerbsneutral bedeutet in diesem Sinne: den Wettbewerb schützen vor Verletzungen der gesetzten Werte. Im Zeitalter umfassender Globalisierung und intensiven Welthandels bedeutet wettbewerbsneutral ein Wettbewerb, der den Erhalt der Werteorientierung des gesamtökonomischen Rahmens sichert und konsequent weiter verbessert, also wettbewerbsverzerrungs-neutralisierend wirkt. Da ein solcher Rahmen bisher weitgehend nur in Deklarationen beschrieben und in der Realität nur in Spurenelementen umgesetzt ist, steht dies noch als die große systemische Aufgabe vor uns: die Schaffung eines gesamtsystemischen werteorientierten Rahmens, der die ökonomische Wertschöpfung von funktionierenden Märkten zur besten Entfaltung bringt. Unsere konkreten Vorschläge in Teil 2 dieses Buches dienen genau diesem Ziel.
So verstandene Wettbewerbsneutralität ist nicht nur die unbedingte Voraussetzung für Märkte und Gesellschaften, die ethisch nicht immer weiter erodiert werden wollen, sondern auch für das schlichte Funktionieren von Wettbewerb. Wettbewerb ist nicht werteneutral. Wo die Fähigkeit zur transparenten und demokratischen Festlegung eines ethisch gesetzten Rahmens für Wettbewerb erodiert, erodiert auch der Wettbewerb selbst, denn dann wird das Ringen um die Regeln und Regulierungen von Märkten selbst zum »Markt«, und zwar zu einem lokalen bis globalen »Lobbymarkt«. An diesem Markt haben keinesfalls alle »Player« auch nur im allerentferntesten »wettbewerbsneutrale« Bedingungen, weder die dort mitspielenden (oder eben auch nicht mitspielenden) kleinen und großen Unternehmen noch die kleinen und großen beziehungsweise starken und schwachen Staaten oder die völlig unterschiedlich gut bis gar nicht organisierten Zivilgesellschaften und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen.
In dem Maße, wie die »geografische Reichweite des Gesetzes und der Moral« und die...
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