Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Erfahrene Musiker kennen die Warnzeichen ihres Körpers: Ein leichter Spannungskopfschmerz, Schwindel oder Gelenkschmerzen sind ein sicheres Zeichen, dass ihnen die Musik in letzter Zeit wichtiger war als die eigene Gesundheit. Die Gründe für gesundheitliche Probleme bei Musikern und Sängern können vielfältig sein. Stress und Anspannung vor dem Konzert, ein zu hoher Lärmpegel im Orchestergraben oder Fehlhaltungen beim täglichen Üben sind nur einige der möglichen Faktoren.
Hintergrundwissen zu den körperlichen und psychischen Grundlagen des gesunden Musizierens helfen, die Ursachen der eigenen Symptome zu finden und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Prof. Dr. Claudia Spahn, Leiterin des Freiburger Instituts für Musikermedizin, Prof. Dr. med. Bernhard Richter, Professor am Freiburger Institut für Musikermedizin und staatlich geprüfter Sänger (KA), und Alexandra Türk-Espitalier, Musikerin, Physiotherapeutin und Lehrbeauftragte, geben Berufsmusikern und Hobby-Musikern wertvolle Tipps:
Praktische Übungen zur Prävention, zur Verhinderung von Fehlhaltungen und zur Linderung bereits vorhandener Beschwerden runden das Buch ab. Dabei gehen die Autoren auf unterschiedliche Lebensphasen, Instrumente und Berufsfelder ein. Dirigenten und Musiklehrer, Orchester- und Kirchenmusiker, Opernsolisten und Choristen, Pop- und Rockmusiker finden konkrete Empfehlungen zur Steigerung von Beweglichkeit und körperlicher Fitness, zum Gehörschutz, zu gelenkschonenden Bewegungsabläufen sowie zum Umgang mit Lampenfieber, Angst und Stress.
Mit diesem Wissen zu den physischen und psychischen Grundlagen des gesunden Musizierens behalten Sie die Freude an der Musik ein Leben lang!
1. Körperliche Grundlagen des Musizierens1
1.1 Aufbau und Funktionsweise des Bewegungssystems
Knochen
Das Skelett gibt die Form des menschlichen Körpers vor. Mit über 200 Knochen ist es sein inneres Gerüst, verleiht ihm Stabilität, schützt die Organe und ist die Ansatzstelle für Sehnen und Muskeln. Je nach Funktion weisen die einzelnen Knochen deutliche Unterschiede in ihrer Form auf. Die Extremitäten bestehen beispielsweise aus langen Röhrenknochen, während in der Wirbelsäule und in den Fuß- und Handwurzeln kompakte, eher würfelförmige Knochen vorherrschen. Die Formen der Knochen korrespondieren mit der Belastung, welcher sie ausgesetzt sind. Druck- und Zugkräfte wirken durch Schwerkraft und Zug der Muskeln auf die Knochen ein, so dass diese an Stellen höherer Belastung vermehrt Substanz aufbauen. Röhrenknochen z. B. sind in der Mitte dünner und werden an den Enden dicker, da dort durch den Ansatz der Sehnen mehr Knochenmasse benötigt wird (Abb. I.1). Die Verteilung der Knochensubstanz ist ökonomisch gestaltet, um das Eigengewicht aller Knochen so gering wie möglich zu halten. Auf diese Weise spart der Organismus Energie, da kein unnötiges Gewicht getragen und zusätzliches Gewebe versorgt werden muss. Das gesamte Skelett macht so nur etwa 15-20% des Körpergewichts aus.
Die Leichtbauweise unserer Knochen ist jedoch nicht nur ökonomisch, sondern sie ermöglicht auch die besonderen Eigenschaften wie Druck-, Zug- und Bruchfestigkeit sowie Elastizität als Reaktion auf äußere Reize. Der Knochen besteht an seinen beiden Enden aus einem Gerüst feiner Knochenbälkchen, die sich entlang der Belastungslinien ausrichten. Sie bilden die sog. Spongiosa mit ihrem Trabekelsystem, das an eine stabile und gleichzeitig elastische Brückenkonstruktion erinnert. Zwischen den beiden Knochenenden - den Epiphysen - befindet sich der lange Schaft. Er besitzt einen röhrenförmigen Knochenmantel (sog. Kortikalis) aus dichtem Knochenmaterial. In ihrem Inneren - der Markhöhle - und in den Zwischenräumen der Spongiosa befindet sich das Knochenmark, in dem die Blutzellen gebildet werden. Von außen wird der Knochen von der Knochenhaut umkleidet, die mit ihren Blutgefäßen für seine Ernährung sorgt. Sie ist von einem sensiblen Nervengeflecht durchzogen, so dass eine Verletzung dieser Knochenhaut äußerst schmerzhaft ist.
Der Knochen ist ein lebendiges und dynamisches System. Etwa ein Zwanzigstel unserer Knochenmasse wird innerhalb einer Woche durch ständigen Auf- und Abbau erneuert. Der Knochen reagiert dabei darauf, wie wir ihn belasten. Anpassungsprozesse führen dazu, dass der Knochen sich je nach Funktion in seiner Form verändert.
Abb. I.1: Aufbau eines Röhrenknochens
Gelenke
Ein Gelenk (Abb. I.2) entsteht dort, wo sich zwei Knochenenden treffen. Durch die Gelenke werden die Bewegungen des Skeletts ermöglicht. Sie bestehen aus den Gelenkpartnern, häufig auch Gelenkpfanne und Gelenkkopf genannt, der Gelenkhöhle und der Gelenkkapsel. Gelenke weisen vielfältige Formen auf - es gibt Kugelgelenke (z. B. Schultergelenk), Scharniergelenke (z. B. Fingergelenke), Radgelenke (z. B. Verbindung zwischen Elle und Speiche im Ellenbogengelenk), Eigelenke (z. B. Kopfgelenk zwischen Atlas und Schädel), Sattelgelenke (z. B. Daumensattelgelenk) oder plane Gelenke (Wirbelgelenke der Wirbelsäule). Die Gelenkform richtet sich danach, welche Bewegungsfreiheit für das jeweilige Gelenk sinnvoll ist.
Die Knochenenden der Gelenkpartner, die Gelenkflächen, sind mit Knorpel überzogen, der für eine geschmeidige Beweglichkeit und für die Verringerung von Stoßkräften sorgt. Man unterscheidet drei Arten von Knorpel: den hyalinen Knorpel, den Faserknorpel und den elastischen Knorpel. Hyaliner Knorpel bedeckt die Gelenkflächen, Faserknorpel findet sich u. a. in den Bandscheiben der Wirbelsäule und den Menisken der Kniegelenke, elastischer Knorpel kommt beispielsweise im äußeren Gehörgang, im Kehldeckel, in der Nasenscheidewand oder in den Bronchien der Lunge vor. Die einzelnen Knorpelarten weisen unterschiedliche Faserzusammensetzungen auf. Ihre Gemeinsamkeiten liegen darin, dass sie hohe Druck-, Scher- und Zugkräfte aushalten können und die Fähigkeit zur Stoßdämpfung besitzen. Knorpelgewebe ist nicht mit eigenen Blutgefäßen versorgt, sondern wird durch Diffusion von Flüssigkeit aus der angrenzenden Knorpelhaut bzw. sonstigen umgebenden Geweben ernährt. Wie ein Schwamm saugt der Knorpel Flüssigkeit auf, die bei Belastung wieder ausgepresst wird. Dies erklärt, warum Bewegung und wechselnde Belastung zur Erhaltung der Elastizität des Knorpels wichtig sind und warum Knorpel bei Ruhigstellung von Gelenken oder mangelnder Bewegung seine Elastizität verliert.
Abb. I.2: Aufbau eines Gelenks
Die Gelenkkapsel umschließt das Gelenk und bildet die Gelenkhöhle mit dem Gelenkspalt. In der Gelenkhöhle befindet sich die Gelenkschmiere (Synovia, von griech. sýn, »zusammen«, und lat. ovum, »Ei«, von Paracelsus wegen der Ähnlichkeit zum Eiklar so benannt), welche zusätzlich die Reibung im Gelenk verringert und die Gleitfähigkeit verbessert. Sie wird von der inneren Schicht der Gelenkkapsel gebildet und enthält neben dem Hauptbestandteil Wasser (>90%) auch Proteine, Hyaluronsäure, Glukosaminoglykane, Fetttröpfchen und Mucine. Bei Kälte und wenig Bewegung bleibt die Gelenkschmiere zähflüssig und Bewegungen verlaufen mit einem höheren Widerstand im Gelenk. Dieser nimmt ab durch Bewegung und Wärme, beispielsweise durch das Aufwärmen vor dem Spielen (vgl. Kap. III.2).
Bänder sind faserartige Bindegewebsstränge, die Knochen miteinander verbinden und die Beweglichkeit von Gelenken führen oder funktionell begrenzen.
Entsprechend den verschiedenen Kapseltypen im Gelenk setzen die Bänder an unterschiedlichen Stellen an. Ist ein Gelenk auf Stabilität ausgerichtet, ist seine Kapsel eher fest und eng und die Bänder strahlen in die Kapsel hinein, um sie weiter zu verstärken. Wenn die Bänder Teil der äußeren, straffen Bindegewebsschicht der Gelenkkapsel sind, spricht man vom Kapsel-Band-Apparat. Bänder können auch vollständig innerhalb des Gelenks verlaufen. Bei einem auf große Beweglichkeit ausgerichteten Gelenk ist die Kapsel eher weit und schlaff und die Bänder ziehen außen über die Kapsel hinweg. Wie bei den Knochen richten sich auch bei den Bändern die Fasern der Zugrichtung nach aus.
Die Bänder erfüllen neben ihren mechanischen auch propriozeptive Aufgaben. Sie sind als Teil des Kapsel-Band-Apparats dicht mit Messfühlern (sog. Rezeptoren) besetzt, welche Informationen über die Stellung des Gelenks an das Gehirn leiten (vgl. S. 72 f.). Dies ermöglicht die Anpassung des Spannungszustands an die jeweilige Bewegung und dient auch dem Schutz des Gelenks.
Gelenkstrukturen und Beweglichkeit
Am Beispiel des Schultergelenks lassen sich die verschiedenen Strukturen, die an der Bildung eines Gelenks beteiligt sind, also Knochen, Bänder, Sehnen, Muskelansätze und Schleimbeutel, in ihrem komplexen Zusammenwirken veranschaulichen. In Abb. I.3 sind als Knochen die angeschnittenen Rippenbögen, das Schlüsselbein und der obere Teil des Oberarmknochens zu erkennen. Der Oberarmknochen wird mit dem Rabenschnabelfortsatz des Schulterblatts durch ein Band, das Ligamentum coracohumerale, verbunden. Sehnen und Ansätze verschiedener Muskeln sind mit Schlüsselbein, Oberarmknochen und Schulterblatt (im Hintergrund, hier nicht zu sehen) verwachsen. Die Sehne des langen Bizepsmuskelkopfes ist zum Schutz mit einer Sehnenscheide umgeben, in der sie gut gleiten kann. Zwei Schleimbeutel polstern den Rollhügel des Oberarmknochens gegen das Schulterdach ab, damit bei der Seithebung des Armes beide Knochen nicht aneinanderschlagen. Der Blick ins Schultergelenk verdeutlicht, wie komplex und differenziert die verschiedenen Strukturen angeordnet und aufeinander bezogen sind.
Abb. I.3: Blick ins Schultergelenk
Die Beweglichkeit eines Gelenks wird hauptsächlich durch die Gelenkform und darüber hinaus durch die Festigkeit und Art des Kapsel-Band-Apparates sowie die Dehnfähigkeit der Muskulatur bestimmt. Das Bewegungsausmaß von Gelenken ist größtenteils genetisch festgelegt. Durch Übungen kann eine Begrenzung im Gelenk nicht wesentlich verbessert werden. Dehnübungen vergrößern die Elastizität der Weichteile, nicht jedoch die Beweglichkeit des Gelenks selbst.
Allgemein unterscheidet man zwischen dem aktiven und passiven Bewegungsausmaß. Das aktive Bewegungsausmaß ist der Winkelgrad in einem Gelenk, den eine Person aus eigener Kraft erreichen kann. Wenn eine andere Person das Gelenk bewegt - beispielsweise bei einer ärztlichen Untersuchung oder einer physiotherapeutischen Behandlung -, so ergibt sich hieraus das passive Bewegungsausmaß. Es ist im Allgemeinen ca. 10° größer als das aktive.
Eine gute Beweglichkeit der Gelenke ist für Musiker positiv, eine Überbeweglichkeit (Hypermobilität) stellt jedoch einen Risikofaktor dar. Die fehlende Stabilität im Gelenk muss dann von der dynamisch arbeitenden Muskulatur ausgeglichen werden, wodurch das Risiko zur Entwicklung eines Überlastungssyndroms ansteigt.
Muskeln
Die Muskeln führen die Bewegungen des Körpers aus. Die Impulse zur Kontraktion erhalten sie aus dem Nervensystem. Nach Aufbau und Funktion werden drei Arten von Muskeln unterschieden: die glatte Muskulatur, die Skelettmuskulatur und die Herzmuskulatur. Im Folgenden wird näher auf die Skelettmuskulatur eingegangen, da sie für die willkürlichen Bewegungen beim Musizieren zuständig ist.
Im menschlichen...
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