Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die fortdauernde, ja, messianische Hoffnung, die jeweils nächste Technologie könnte die Probleme lösen, die von der aktuellen Technologie geschaffen wurden, scheint fest in der bürgerlichen Gesellschaft verankert zu sein.
(Howard Rheingold, 1944)
»Wenn Sie einen Scheißprozess haben und den digitalisieren, dann haben Sie einen scheißdigitalen Prozess«1 - mit dieser Aussage in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung rüttelte der ehemalige Telefónica-Chef in Deutschland, Thorsten Dirks, im Oktober 2016 die Techszene auf. Zumindest eine kurze Zeit lang fragte man sich, ob Digitalisierung wider Pro und Kontra tatsächlich die Lösung aller globalen Probleme bedeute und die Start-up-Gründungskultur das Optimum beziehungsweise das Nonplusultra des Fortschritts sei.
Nehmen wir vier Wähler, drei Entscheidungsoptionen (A, B und C) und ihre Präferenzen an. Der erste Wähler bevorzugt Option B vor Option C und Option A vor Option B. Sein Favorit: Option A. Als Präferenzordnung ausgedrückt: A > B > C. Die Präferenzen des zweiten Wählers lauten: C > B > A - seine »erste Wahl« ist Option C. Der dritte Wähler weist die Präferenzordnung B > C > A auf, favorisiert also Option B. Der vierte Wähler schließt sich der Präferenzordnung des ersten Wählers an, für ihn gilt dementsprechend A > B > C, er votiert also für A.
I
II
III
A
B
C
Wähler 1
Wähler 2
Wähler 3
Wähler 4
3
2
1
Es wird abgestimmt. Option A landet zweimal auf dem ersten, keinmal auf dem zweiten und einmal auf dem dritten Platz, hat also 2 × 3 + 0 × 2 + 2 × 1 = 8 Punkte. Für Option B lautet das Ergebnis 1 × 3 + 3 × 2 + 0 × 1 =9 Punkte, für Option C1 × 3 + 1 × 2 + 2 × 1 = 7 Punkte. Diesmal ist der Gewinner Option B, gefolgt von A und C. Die Präferenzen der Wähler haben sich nicht geändert - das Wahlergebnis schon.
Wahlabstinenz, Politikverdrossenheit, Apathie oder vernachlässigbare politische Partizipation - man bescheinigt den modernen Demokratien eine Menge Schwächen. Der Democracy Index 2016 bezeichnet 2016 sogar als Jahr einer globalen demokratischen Rezession. Aktuell lebt weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung - 49 Prozent - in einer Demokratie, davon nur 4,5 Prozent in einer sogenannten »full democracy«, zu der auch Deutschland gehört (wenngleich nicht zu den Top 10 dieser stärksten Demokratien; die Liste wird von Norwegen, Island und Schweden angeführt).13 Der Anteil der »full democracies« ist seit 2015 von neun Prozent um 5,5 Prozentpunkte gesunken. Neu: Das fehlende Vertrauen in die politischen Institutionen hat die USA um den Status der »full democracy« gebracht - seit dem Jahr 2016 sind die USA nur noch eine »unvollständige« Demokratie (»flawed democracy«). Die Kriterien, nach denen die Güte einer Demokratie im Democracy Index 2016 bewertet wird, sind: politische Partizipation und Kultur, Arbeitsweise der Regierung, bürgerliche Freiheiten, Pluralismus und - der Wahlprozess.
In Deutschland wurde eines der ersten Experimente mit der elektronischen Stimmabgabe vom »Virtuellen Ortsverein« (VOV) durchgeführt - einem im Jahr 1995 gegründeten »Arbeitskreis von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Internet [.], die [.] über das Internet zusammenarbeiten wollen«.16 Der Bonner Repräsentant des Arbeitskreises traf 1997 mit dem damaligen Bundesgeschäftsführer der SPD, Franz Müntefering, eine exklusive Vereinbarung darüber, den Namen »Virtueller Ortsverein« (VOV) führen zu dürfen.17
Eine Attacke könnte die Veröffentlichung des vorläufigen Wahlergebnisses schlimmstenfalls verzögern.
(Dieter Sarreither, Bundeswahlleiter 2017, in Augsburger Allgemeine)
Die Experten des VOV stehen Wahlmaschinen oder Onlineverfahren für »Wahlen, in denen konkrete Macht verteilt wird«24, bis heute skeptisch gegenüber: Wahlmaschinen jeder Art stünden nicht umsonst unter sehr kritischer Beobachtung der IT-affinen Community. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wahlbeobachter und Sicherheitsforscher warnen immer wieder vor den Gefahren von Wahlcomputern, die in zahlreichen US-Bundesstaaten zur Erfassung und in vielen Ländern zur Auszählung der Stimmen zum Einsatz kommen. Nach der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 wurde aufgrund der Vorwürfe, ausländische Geheimdienste könnten mithilfe von Manipulationen der Wahlcomputer auf das Wahlergebnis Einfluss nehmen wollen, sogar kurz eine erneute Auszählung der Stimmen in Erwägung gezogen. In den Niederlanden beschloss man daraufhin, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen auf eine automatische Stimmenauszählung zu verzichten.25
Wahlen haben für westliche Demokratien eine existenzielle Bedeutung.35 Ohne Wahlen zur politischen Macht gäbe es im westlich-liberalen Grundverständnis keine Demokratie, schreibt Karl-Rudolf Korte.36 Das geht so weit, dass »Wahlen« und »Demokratie« fast zu Synonymen geworden sind. »Wir sind von dem Gedanken durchdrungen, dass der einzige Weg, um Repräsentation zu erhalten, der Urnengang ist«37, konstatiert Van Reybrouck in Gegen Wahlen. Eine Demokratie, die sich nur auf Wahlen beschränkt, sei dem Untergang geweiht, urteilt er. Sie sei »brüchig, brüchiger, als sie seit dem Zweiten Weltkrieg je gewesen ist. Wenn wir nicht aufpassen, verkommt sie langsam zu einer Diktatur der Wahlen.« Dafür ist seiner Ansicht nach eine Reihe von Ursachen verantwortlich. »Erstens gehen immer weniger Menschen wählen. In den sechziger Jahren nahmen in Europa mehr als 85 % aller Wahlberechtigten an Wahlen teil. In den neunziger Jahren waren es weniger als 79 %. Im letzten Jahrzehnt sank die Zahl sogar unter 77 %, die niedrigste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg.«38 Auch die Zahl der Wechselwähler steigt, sodass sich die Parteien nicht mehr auf ihre Stammwähler verlassen können.
Marx hat gesagt, die Religion sei »das Opium des Volkes«. Heute würde er vermutlich sagen, die digitalen Medien sind das Opium.
(Raphael Capurro, Agora 42)
Lange war der Vorwurf, man würde Meinungen manipulieren und Stimmungen beeinflussen, den Blogs, App-Portalen und Suchmaschinen vorbehalten, denn durch die Entscheidung, ob eine bestimmte Information überhaupt im Angebot platziert wird (Selektion) und wo sie im Ranking der Empfehlungen eingeordnet wird (Sortierung), eröffnen sie neue, zumindest theoretische Einflussmöglichkeiten, etwa auf politische Wahlergebnisse. Zunehmend gewinnen nun die sozialen Medien an Bedeutung, wobei das Wort »sozial« in »sozialen Medien« irreführend sei, findet Van Reybrouck: »Facebook, Twitter, Instagram, Flickr, Tumblr und Pinterest sind genauso kommerzielle Medien wie CNN, FOX oder Euronews - mit dem Unterschied, dass die Eigentümer nicht wollen, dass man zuschaut oder zuhört, sondern dass man schreibt und teilt.«43 »Facebook stellt das bestehende ökonomisch-politische System keineswegs in Frage«, bemerkt Roberto Simanowski in Facebook-Gesellschaft. »Die Datenanalyse erlaubt Personalisierung der Werbung, was deren Effizienz durch höhere Akzeptanz steigert; die Vermischung des Persönlichen mit Werbung, gewöhnt...
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