Der Boden hatte Blut getrunken. Und in der Luft hing beißender Rauch. Das Farmhaus bestand nur noch aus schwelenden Überresten. Das Dach war zum großen Teil eingestürzt und die Seitenbalken waren verkohlt, teilweise glühten sie noch. Wenige Bretter waren als Überreste der Wände noch zu erkennen. Es schien kaum noch vorstellbar, dass bis vor wenigen Stunden Menschen dies ihr Heim genannt hatten, dass sie hier glücklich gewesen waren.
Schwer verletzt kroch ein Mann vorwärts. Vorbei an den Leichen seiner Farmarbeiter und denen der Banditen, die bei dem kurzen, aber brutalen Schusswechsel ebenfalls ihr Leben hatten lassen müssen. David Lewellyn blutete aus zahlreichen Wunden. Es war kaum noch Leben in ihm. Es kostete ihn schier übermenschlichen Lebenswillen, sich noch vorwärtszuzwingen. Er wollte nur noch zu seiner Frau, wollte sie noch einmal im Arm halten, bevor das Leben endgültig von ihm wich.
"Kathryn!" Tiefe Verzweiflung klang aus seiner Stimme. Er rief so laut er es noch vermochte, doch es war eher ein undeutliches Krächzen, das aus seiner Kehle drang.
Sie hatten hier nur in Ruhe und Frieden leben wollen, hatten sich vorgenommen, sich eine neue Existenz zu schaffen und das Grauen des vergangenen Krieges hinter sich zu lassen. Doch es hatte sie am Ende doch eingeholt.
Dieses Land war schon immer wild und gefährlich gewesen. Viele Menschen hatten durch den Bürgerkrieg alles verloren, was sie sich in langen Jahren harter Arbeit aufgebaut hatten.
Und viele Männer kannten nach ihrer Zeit in der Armee nichts anderes mehr als das Töten und Kämpfen. Ordnung und Gesetz waren noch immer nicht wieder hergestellt und es schien, als würde das wohl niemals so ganz gelingen. Zu viel war zerstört worden, zu viel verloren gegangen.
Und durch die Zerstörungen, die die Kriegsgemetzel hinterlassen hatten, war wirklich alles wertvoll geworden. Pferde, Rinder, Lebensmittel, Gold, Bauholz und Baumwolle. alles, was für Geld gehandelt werden konnte, galt den Banditen mehr als Menschenleben. Gerade die Lebensmittelversorgung war ein Problem. Der Boden war lange nicht ausreichend bestellt worden und die großen Rancher verkauften das Fleisch lieber im Osten, wo sie mehr Geld pro Stück Rind bekamen.
So war die Farm der Lewellyns am helllichten Tag von einer Horde vagabundierender Exsoldaten überfallen worden. Ehemalige Feinde, Männer der Nordstaatenarmee als auch einstige Rebellensoldaten und Männer aus irregulären Bürgerwehren, hatten sich zu einer marodierenden Gruppe zusammengefunden und waren auf Raub und Mord aus. Die Farmarbeiter hatten versucht, mit allem, wonach sie gerade greifen konnten, Widerstand zu leisten, und David hatte sogar sein Gewehr, wie durch einen glücklichen Zufall, bei sich gehabt. Die Banditen hatten nicht mit bewaffneter Gegenwehr gerechnet und so konnte er einige von ihnen erwischen. Dadurch hatten seinen Leuten weitere Waffen in die Hände fallen können und es hatte eine kurze, aber umso heftigere Schießerei gegeben.
Letzten Endes jedoch hatten sich die Gewissenlosigkeit und die zahlenmäßige Überlegenheit der Bande durchgesetzt und sie hatten wie die Teufel gewütet, nur um hinterher das Wenige, das die Farm hergegeben hatte, zu plündern. Nicht einmal vor den Frauen, die auf dem Land lebten, hatten die Bastarde Halt gemacht. Sie waren nur auf Töten, Zerstören und Raub aus gewesen und hatten jeden Ehrenkodex, den die Armee ihnen vielleicht irgendwann einmal beigebracht haben mochte, vergessen. Übrig geblieben waren nichts als Rauch, Blut und Tod.
Mit letzter Kraft schleppte sich David bis zu dem glühenden Trümmerhaufen, der einmal sein Zuhause gewesen war. Endlich, nach einer unendlich lang erscheinenden Suche, fand er den Körper seiner Frau. Leblos lag sie in ihrem eigenen Blut. Ihr Blick ging gebrochen ins Leere. Sie sah aus, als habe sie bis zuletzt nicht glauben können, zu welcher Grausamkeit Menschen fähig waren.
Sie war immer so lebenslustig und gütig gewesen, hatte immer an das Gute in der Welt geglaubt und so viele Hoffnungen für ihre gemeinsame Zukunft gehabt. Sie wollte immer Kinder in die Welt setzen, davon hatte sie ihr Leben lang geträumt. Doch all dies, alle ihre Träume und Hoffnungen, alles, was hätte sein können, war in einem einzigen entsetzlichen Augenblick mit ihr dahin gegangen. David nahm sie in den Arm, hielt sie so fest, wie er konnte. Er hatte nicht einmal genug Kraft in seinem geschundenen Körper übrig, um sie zu beweinen. Tot sank er auf ihr zusammen. In seinem letzten Moment war er mit ihr vereint und nichts und niemand würde sie jemals wieder trennen können.
*
Ein Jahr später
Das Krächzen der Raben, die sich versammelt hatten, durchdrang die frühen Abendstunden. Sie klangen ungewöhnlich heiser und man hätte meinen können, es wäre Trauer, was sie mit ihren Rufen verkündeten. Oder aber ein böses Vorzeichen. Gerade versank die Sonne am Horizont und malte mit den herrlichsten Farben undeutliche Bilder an den Himmel. Die Ruine des abgebrannten Farmhauses stand noch immer unberührt. Die verkohlten traurigen Überreste der ehemaligen Heimstatt erinnerten an ein Skelett, das schon viel zu lange in der Gegend stand und bereits vor etlichen Zeiten hätte umfallen müssen. Doch irgendetwas hielt es noch immer aufrecht. Als würden die Wände auf etwas warten. Oder auf jemanden. Auf jemanden, der bezeugen würde, was sich hier vor so vielen Tagen abgespielt hatte. Ein mahnendes Denkmal des hier geschehenen Unrechts. Das letzte bisschen Farbe, das den Brand überstanden hatte, blätterte von den Bretterwänden ab, die Tür, die schief in den Angeln hing, schlug mit jedem Luftzug auf und zu, durch das eingestürzte Dach drangen die Insekten und Vögel in die ehemaligen Wohnräume ein und ließen sich im übrig gebliebenem Gebälk nieder. Und auch die Scheune war schon lange zur Heimstatt von Mardern und Waschbären geworden, die hier die Reste ihrer Beute, die sie aus Vogelnestern oder den Erdlöchern von Hasen gestohlen hatte, verschlangen. Mäuse und Ratten labten sich an den Körnern, die zur Aussaat bestimmt gewesen waren.
Die Menschen der Umgebung waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich um das verlassene Grundstück zu kümmern. Es gab keine Hinterbliebenen, die das Farmland hätten erben und weiter bewirtschaften können. So waren die Ländereien schließlich der Stadt zugefallen, die sie der Bahn überschrieben hatte. Was einst fruchtbare und blühende Felder gewesen waren, würde bald von Schienen durchschnitten werden.
Neben den Sorgen um die eigenen Ländereien und die eigenen Probleme mit Vieh und Saat gab es noch etwas, das die Menschen von dem alten Farmhaus fern hielt. Die nackte pure Angst. Nachdem die Toten gefunden und nachlässig begraben worden waren, gab es sehr bald Gerüchte, dass es dort nicht mehr mit rechten Dingen zuginge. Es hieß hinter vorgehaltener Hand, die Geister der Toten gingen des Nachts dort um und suchten nach ihren Mördern. Kinder, die nach der Schule trotz des Verbots ihrer Eltern auf dem Gelände spielen gegangen waren, berichteten, dass sie unheimlich wimmernde Stimmen gehört hätten. In den Nächten fanden sie danach keinen festen Schlaf mehr, sondern wurden von Albträumen gequält. Ihre Eltern beruhigten sie damit, dass es in Wahrheit nur der Wind gewesen wäre, den sie gehört hatten. Doch im Stillen fürchteten sich die Menschen vor dem, was sie dort in der blutgetränkten Erde vermuteten.
Wie an so vielen Orten auf der Welt, an denen Unrecht geschehen war, sollten die bösen Gefühle der Opfer etwas Dunkles in die Welt gebracht haben. Etwas, das am Schauplatz des Gemetzels noch greifbar war. Schatten der Ereignisse, die sich an den Seelen der Lebenden festsetzten, damit sie niemals wieder vergessen werden sollten.
*
Kaum, dass die letzten Strahlen der Sonne am Horizont verschwanden und der bunte Abendhimmel einem tiefen dunklen blau Platz machte, bewegte sich etwas unter der Erde, die vor zwölf Monaten so vom Blut besudelt worden war. Es begann mit leichten Verwerfungen, gefolgt von einem leichten Rütteln, das immer mehr und mehr zunahm. Vögel und kleine Säugetiere nahmen hurtig Reißaus. Dann brach schließlich eine Hand aus dem Erdreich und suchte sich ihren Weg nach oben. Gefolgt von einer Zweiten. Ziellos griffen die Hände ins Leere, bis es ihnen schließlich doch gelang, Halt zu finden und sich auf dem Erdboden abzustützen. Unter Schmerzenslauten befreite sich ein Körper aus seiner unterirdischen Gefangenschaft. Ein nackter Mann grub sich an die Oberfläche, drückte sich ab und kam so langsam und beschwerlich nach oben. Der ganze Vorgang kam einer Geburt gleich. Schmerzhaft, langsam, doch unumgänglich und befreiend. Es dauerte Stunden, doch unermüdlich grub und zog er sich immer weiter an die Oberfläche, wo seine Aufgabe ihn erwartete. Kaum, dass er frei war und festen Boden unter den Füßen hatte, schrie er seinen Schmerz und seine Wut in die junge Nacht hinaus.
Er wurde von einer Welle unsäglichen Leids geschüttelt. Sein Körper krümmte sich unter dieser Pein. All die Brutalität, die hier stattgefunden hatte, all das Unrecht, die Schmerzen und die Verzweiflung der Menschen, die hier gestorben waren, fuhren wie ein Blitz durch ihn hindurch. Alles, was die Menschen hier hatten erleiden müssen, erduldete er in einem einzigen Augenblick. Selbst für ihn mit all seinen Kräften und übernatürlichen Fähigkeiten war das zu viel. Er sank in die Knie und krallte seine Hände in die Erde, der er gerade entstiegen war. Unter schwerer Anstrengung schnappte er nach Luft. Eine Träne lief aus seinen tiefschwarzen Augen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, doch in Wahrheit währte all dies nur Momente. Was einen Menschen unweigerlich zerbrochen hätte, entfachte in ihm nur Zorn und Hass. Er hob den Kopf und im Schein des aufgehenden Mondes blitzten seine bis dahin schwarzen Augen plötzlich in dunklem Rot auf. Nach Jahrhunderten der Verbannung war der Rächer wieder zurück im Reich der Menschen. Und Gnade war das Letzte, was ihm durch den Kopf ging. Im Gegenteil. Vergeltung war das, was ihn antrieb.
Ein Wiehern drang an sein Ohr. Er drehte sich nach dem vertrauten Geräusch um. Da stand sein Rappen. Das einzige Wesen, das ihn immer begleitet hatte und dem er vertraute. Die Augen des Tieres leuchteten ebenso rot wie seine eigenen, und Feuer kam aus seinen Nüstern. Der dämonische Rächer erhob sich und ging auf sein Tier zu. Zuerst wankte er, ging in gebückter Haltung, doch mit jedem weiteren Schritt trat er sicherer auf, bis er sich zu seiner vollen Größe erheben und zielsicher voranschreiten konnte.
Mit ihm war das wahre Grauen der Gerechtigkeit in die Welt zurückgekehrt. Und es würde schon in dieser Nacht seine ersten Opfer finden.
*
Das mächtige Herrenhaus ragte wie eine Burg des europäischen Mittelalters über die umliegenden Baracken. Diese stammten noch aus der Zeit, als hier Sklaven gehalten wurden. Heute lebten hier freie Menschen, die für die harte Arbeit auf der Plantage bezahlt wurden. Zumindest hieß er offiziell so. In Wahrheit hatte sich nicht viel geändert. Sicher gab es laut Gesetz keine Aufseher mehr, die die Sklaven mit Peitschenhieben vorantrieben. Doch das war auch alles, was sich gebessert hatte. Denn das Wenige, das die Plantagenarbeiter verdienten, reichte gerade so für das Notwendigste zum Überleben und für ihre erbärmlichen Unterkünfte. Ihren Dienstherrn kosteten sie so sogar noch weniger als zu der Zeit, als sie noch Sklaven gewesen waren.
Und auch hier erwies sich Papier als geduldig. Auch wenn es laut Gesetz verboten war, Sklaven zu halten und sie mit der Peitsche zu misshandeln, so war es in Wahrheit doch noch oft genug der Fall, dass sich die Plantagenbesitzer darüber hinwegsetzten und die Gesetzeshüter gegen ein kleines Entgelt die Augen davor verschlossen. Und da es keine schwarzen Sklaven mehr zu kaufen gab, wurden Menschen aus Mexiko mit falschen Versprechungen über die Grenze gelockt und dann zu den Arbeiten auf den Plantagen gezwungen. Wer hätte die Plantagenherren auch zur Verantwortung ziehen sollen? Die Erinnerung an den Bürgerkrieg hatte die Menschen kälter und härter gemacht.
Natürlich waren die ehemaligen Sklaven so frei, dass sie jederzeit hätten gehen dürfen, doch wohin hätten sie sich denn wenden sollen? Etwa in den Norden? Die Versprechungen von Befreiung waren doch nur ein Vorwand gewesen, mit dem der Norden den Krieg zu rechtfertigen versucht hatte.
In Wahrheit ging es in den Fabriken des Nordens nur noch schlimmer und unmenschlicher zu als auf den Feldern und den Plantagen des Südens.
Und frei als Farmer arbeiten? Das wäre noch vor dem Krieg möglich gewesen, als freigelassene Sklaven noch in Frieden gelassen worden waren. Doch so, wie der Norden die Sklavenbefreiung als Rechtfertigung für den Krieg benutzt hatte, so war im Süden der Hass auf Menschen dunkler Hautfarbe nach dem Krieg noch weiter angestachelt worden. Und niemand hätte ihnen Land verkauft oder zugewiesen. Die Menschen gaben wie immer den Schwächsten und Hilflosesten die Schuld an dem erlittenem Elend. Und das waren in ihren Augen die ehemaligen Sklaven. Nur auf der Plantage waren sie vor den Fanatikern des Ku-Klux-Klans zumindest halbwegs sicher. Ein Umstand, den sich die Plantagenbesitzer zunutze machten und weiterhin so verfuhren, wie sie es immer getan hatten. Bestechungsgelder und Beziehungen schützten sie vor jedem Zugriff des Gesetzes. Nur die Form der Sklaverei hatte sich geändert, doch hinter der Maske war alles beim Alten geblieben.
Charles Lee Hardwick war durch den Krieg sogar noch reicher geworden, als er es zuvor gewesen war. Er hatte die Zeichen der Zeit früh genug erkannt und hatte darauf reagiert. Und so war er neben seinen Tabak- und Baumwollplantagen noch ins Waffen- und Rindergeschäft eingestiegen und hatte die Armeen mit Gewehren und Fleisch versorgt.
Über geheime Mittelsmänner die Armee der Yankees ebenso wie ganz offen die Streitkräfte der CSA. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte der Krieg noch Jahrzehnte anhalten können. Er verdiente immerhin sein gutes Geld damit.
Doch zu seinem Unglück ließ sich die Niederlage der Konföderierten Staaten nicht mehr aufhalten. Die Eisenbahn, die immer neue Truppen, Waffen und Versorgungsgüter brachte und die Gatling mit ihrer furchtbaren Feuerkraft waren letzten Endes der entscheidende Grund für den Untergang des Südens gewesen. Für einen klugen Geschäftsmann wie Hardwick war jedoch auch das kein wirkliches Problem gewesen. Seine Verbindungen zu den Regierungskreisen sowohl des Nordens als auch des Südens hatten ihm geholfen, relativ unbeschadet aus der Krise heraus zu kommen. Es waren genug Senatoren unter seinen Geschäftsfreunden, die ihm den Rücken frei hielten. Im Gegenteil, seine Investitionen zahlten sich noch immer aus. Seine Ländereien waren durch die immer näher kommende Bahn urplötzlich ein Vielfaches wert und die Versorgungsknappheit nach dem Krieg machten seine Rinderherden zu einer wahren Goldgrube. Waffen verkaufte er ebenfalls nach wie vor. Offiziell an Büffeljäger, die über ihn auch die Felle der getöteten Tiere verkauften. Und hinter dem sauberen äußeren Anschein machte er auch gute Geschäfte mit schlecht gepanschtem Alkohol und schlechten Gewehren, die er für gutes Gold an die Indianer verkaufte. Und auch mit Indianerinnen konnte er profitable Geschäfte machen. Die Gentlemenclubs im Osten und in Europa waren immer an Frauen interessiert, die ihren Kunden hinter diskreten Außenmauern exotische Erlebnisse bieten konnten.
Alles in allem war er also mehr als gut situiert und es gab mehr als genügend Männer in hohen Positionen, die gegen entsprechende Gefälligkeiten und Zuwendungen seine Geschäfte deckten. So stand er nach wie vor als seriöser Geschäftsmann in der Öffentlichkeit, mit dem sich Politiker, Banker, Journalisten und Geschäftsleute aus aller Welt gern zeigten. Weithin berühmt waren die exklusiven Empfänge, die er regelmäßig für seine Freunde und Partner gab.
Auf dieses Anwesen hielt der unheimliche Reiter zu. In den armseligen Baracken der Arbeiter war schon lange Ruhe eingekehrt, und im Herrenhaus gingen gerade die Lichter aus, als der Reiter sich näherte. Im Mondlicht wirkte seine nackte, bleiche Haut wie von einem unheilvollen Strahlen umgeben. Vor dem Haupteingang des Herrenhauses stieg er aus dem Sattel, ging die Treppen hinauf und öffnete die Eingangstür mit einer einzigen Berührung. Obwohl sie fest verschlossen war, öffnete sie sich vor seinen übernatürlichen Kräften wie von selbst. Er war noch nie zuvor hier gewesen, dennoch waren seine Schritte zielsicher, als würde er hierher gehören. Niemand bemerkte ihn oder ahnte etwas von seiner Anwesenheit. Er würde dem Besitzer dieses Hauses noch seine Aufwartung machen, doch zuerst suchte er die Kleiderkammer auf. Sterbliche waren in seinen Augen seltsame Wesen, die sich ihrer Körper schämten und wenn er bei seiner Aufgabe nicht zu sehr auffallen wollte, musste er seinen Körper ebenfalls verhüllen. Zufrieden wählte er sich schwarze Hosen und ein schwarzes Hemd aus. Wie eigens für ihn gemacht, wartete sogar ein schwarzer Stetson auf ihn. Perfekt.
So gekleidet stieg er die Treppe hinauf und ging den langen Gang entlang, bis er endlich vor Hardwicks Schlafzimmertür stand. Noch immer unbemerkt drang er in das Zimmer ein. Nicht einmal von der Tür war das Knarren zu hören, das sonst immer von ihr ausging, wenn sie geöffnet wurde. Genau wie die Bodendiele, die sonst immer ein wenig knirschte, wenn jemand darüber ging. Als ob der unheimliche Fremde nur ein Schatten wäre.
Auf dem Bett lag neben dem Plantagenbesitzer eine junge dunkelhäutige Frau. Sie war fast noch ein Mädchen. Splitternackt und ungeschützt lag sie in der nächtlichen Kühle. Der dicke Mann hatte die Decke ganz für sich allein beansprucht. Ein dunkelblaues Hämatom war um das rechte Auge des Mädchens herum zu sehen und auf ihr Rücken zeigten sich neben lange verheilten auch etliche frische Narben von der Peitsche. Sie schlief sehr unruhig, schien von einem bösen Traum verfolgt zu werden. Der dämonische Eindringling legte eine Hand auf ihre Stirn.
"Schlaf ruhig weiter!", sagte er in leisem Ton, "Hab keine Angst mehr! Dir wird niemand mehr etwas antun. Egal, was nun geschieht, Du wirst davon nicht erwachen, sondern tief und fest schlafen und morgen früh ausgeschlafen und ohne Furcht erwachen! Deine Schmerzen werden bald vergehen und dann für immer vergessen sein."
Dann wand er sich dem schlafenden Hardwick zu. "Auf Dich trifft das nicht zu. Du sollst all das Leid und Unrecht, das Du über die Menschen gebracht hast, am eigenen Leib erleben." Er legte seine Hand auf Hardwicks Stirn. Für einen Augenblick schien es, als würde der Sklavenhalter erwachen, doch so weit ließ es der Unheimliche nicht kommen. Schon mit der ersten Berührung hatte er den Verstand des Mannes unter seine Kontrolle gebracht. Und es würde kein Entkommen mehr für ihn geben.