1. Johann Peter Hebel wurde den 10ten Mai 1760 zu Basel geboren, und den 13ten desselben Jahrs in der Kirche zu St.Peter daselbst getauft.
Sein Vater war Johann Jakob Hebel, Schutzbürger und Webermeister zu Hausen, einem Badischen Dorfe, welches im Wiesenthale eine Stunde hinter Schopfheim liegt, und von Basel sechs Stunden entfernt ist. Seine Mutter war Ursula, eine geborne Oertlin. Das Vermögen dieser beiden Leute bestand in einem kleinem Hause nebst einigen Grundstücken und Kapitalien. Solches Vermögen hatten sie zum Theil von ihren Eltern geerbt, zum Theil in ihrer Dienstzeit, als sie noch unverheirathet waren, durch redlichen Fleiß und weise Sparsamkeit erworben.
Johann Jakob Hebel war aus Simmern in der jenseitigen Pfalz gebürtig. Schon als Jüngling verließ er seine Heimath, um in der weiten Welt sein Glück zu suchen. Zu Basel wurde er Bedienter bei einem Major, Namens Iselin, welcher zuletzt als Brigadier starb, und begleitete ihn und sein Regiment nach Flandern und an den Niederrhein, so wie später nach Korsika, wo er sich in den Jahren 1756 und 1757 befand. Nach seiner Zurückkunft verheirathete er sich mit der genannten Ursula Oertlin, welche er zu Basel, wo sie in dem nämlichen Hause diente, kennen gelernt hatte. Da sie die Tochter eines Bürgers von Hausen war, und hier ihr Vermögen hatte, so nahm er mit ihr in diesem Dorfe seinen Wohnsitz. Weil sie aber beide sich durch ihre Rechtschaffenheit und Treue bei der Familie zu Basel, bei welcher sie in Diensten gestanden waren, eine fortdauernde Achtung und Liebe erworben hatten, und sich ihnen zur Zeit des Frühlings und Sommers in dieser Stadt eine günstigere Gelegenheit zum Erwerbe als in ihrem Heimathsorte darbot, so begaben sie sich jedesmal im Frühling zu ihrer vorigen Herrschaft nach Basel zurück, und blieben einige Monate hindurch daselbst, indem sie theils im Hause, theils im Garten um den Taglohn arbeiteten. Während eines solchen Aufenthalts im Jahr 1760 geschah es, daß ihr Sohn, Johann Peter, zu Basel geboren wurde.
Johann Jakob Hebel lebte mit seiner Ehefrau zufrieden und glücklich, aber frühe schon entriß ihn der Tod den Seinigen. Schon am 25ten Juli 1761 starb er zu Hausen in einem Alter von 41 Jahren, nachdem er kurz vorher krank von Basel zurückgekommen war. Seine Familie verlor an ihm einen rechtschaffenen und treuen Hausvater, der sowohl wegen seines Verstandes, als auch wegen seines gefühlvollen und frommen Gemüthes bei Allen, die ihn kannten, geachtet war. Als er starb, hatte Johann Peter noch nicht völlig ein Alter von einem Jahre und drei Monaten erreicht. Ein jüngeres Kind, mit Namen Susanna, war beim Tode des Vaters erst fünf Wochen alt, aber es folgte ihm noch im nämlichen Jahre in die Ewigkeit.
Dieses Verhängniß, welches die hinterlassene Wittwe getroffen hatte, war schwer; aber auch hier bestätigte sich der alte Spruch, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Sie war eine Frau von vorzüglichem Verstande und edlem Gemüthe, und ihre bedrängte Lage diente nur dazu, daß sie bei der Erfahrung der Eitelkeit des irdischen Glückes den hohen Werth ihrer Tugend und Frömmigkeit um so inniger fühlen lernte. Ihr theuerstes Gut auf Erden, an welchem ihr mütterliches Herz hieng, war ihr kleiner Knabe, - das einzige Kind, welches sie noch hatte; und dieser Knabe wurde ihr um so theurer, als sich schon frühe vor ihren Augen die herrlichen Anlagen seines Geistes entwickelten. Aber je mehr sie ihn liebte, um so mehr glaubte sie ihm ihre Liebe nicht besser erweisen zu können, als durch eine gewissenhafte und christliche Erziehung. Frühe schon erkannte sie, daß sein jugendlicher Geist einer wachsamen und strengen Aufsicht bedürfe. Er war ein Knabe von gutmüthigem Herzen, aber bei seinem sehr muntern und regsamen Geiste blieb er nicht von jugendlichem Muthwillen frei, wovon noch jetzt manche Beispiele eigener Art erzählt werden. Deswegen verwendete sie die genaueste Sorgfalt auf seine Erziehung. Mit sanfter Liebe, aber auch, wo es nöthig war, mit ernster Strenge leitete sie ihn auf der richtigen Bahn. Ihr Herz ermüdete nicht in diesem schönen Berufe, und ihre mütterliche Sorgfalt blieb nicht ohne reichen Segen. Besonders machte ihr frommer Geist einen tiefen Eindruck auf ihn, und frühe schon erwachte ein gleicher Geist auch in seinem Gemüthe, und that sich auf eine sehr erfreuliche Weise kund. So zum Beispiel verfertigte er sich als Knabe ein Kästchen, um die Puppen von Raupen darein zu legen, die er gesammelt hatte. Er füllte es mit Erde, machte jeder Puppe ein kleines Grab, legte sie hinein, und setzte, nachdem er sie mit Erde leicht zugedeckt hatte, ein kleines Kreuz darüber. Mit Sehnsucht sah er dann ihrer Auferstehung entgegen, und freute sich, wenn diese erfolgte, um so inniger, da sein frommes Herz eine tröstliche Andeutung unsers zukünftigen Lebens darin fand.
Mit der Mutter vereint wirkten andere gut gesinnte Menschen für das Wohl des heranwachsenden Knaben. Besonders nahm sich desselben auch der Schullehrer des Dorfes, Andreas Grether, gewissenhaft und liebreich an. Bei diesem gieng Hebel von seinem sechsten Jahre an bis in sein zwölftes in die Schule. Grether liebte den Knaben wegen seiner ausgezeichneten Anlagen sehr, bestrebte sich mit aller Treue, sein Wohl zu befördern, und behandelte ihn eben so mit freundlicher Milde als mit gehörigem Ernste. Das Andenken dieses Mannes trug Hebel stets in dankbarem Herzen, und äußerte sich oft mit Rührung und Achtung über ihn. Als vor mehreren Jahren an Hebel von einem seiner Freunde und Schüler, der damals in Schopfheim wohnte, die bekannte Zeichnung des Hauses, in welchem er und seine Mutter einst wohnten, gesendet wurde, wobei sich zugleich noch ein Theil des in der Nähe stehenden Schulhauses darstellt, so schrieb er dem Uebersender zurück: "Beide Stätten sind mir heilig, wo zwei Menschen wohnten, meine Mutter und mein Schulmeister, Andreas Grether, die so Vieles an mir thaten, denen ich so Vieles verdanke."
Neben der teutschen Schule zu Hausen besuchte Hebel, nachdem er die nöthigen Vorkenntnisse im Lesen und Schreiben erlangt hatte, auch die lateinische Schule zu Schopfheim, wohin er Nachmittags wanderte. Wahrscheinlich erhielt er noch bei August Gottlieb Preuschen, welcher bis zum Jahre 1769 Diakonus zu Schopfheim und Lehrer der lateinischen Schule war, den ersten Unterricht in den Anfangsgründen der lateinischen Sprache. Auf Preuschen folgte aber Karl Friedrich Obermüller, welcher im Jahre 1810 als Pfarrer zu Weitnau starb. Von diesem wurde er mehrere Jahre unterrichtet.
Außerdem aber empfieng Hebel auch zu Basel Unterricht im Lateinischen, so wie im Zeichnen und in andern Lehrgegenständen. Auch jetzt noch besuchte seine Mutter oft die Familie zu Basel, bei der sie im Dienst gestanden war, und hielt sich gewöhnlich im Sommer längere Zeit daselbst auf, um durch Arbeit sich Lohn und Unterhalt zu erwerben. Während dieser Zeit genoß er daher in dieser Stadt den nöthigen Schulunterricht.
So brachte er einen großen Theil seines Knabenalters abwechselnd bald in einem armen Dorfe, bald in einer reichen Stadt zu, und lernte das menschliche Leben von verschiedenen Seiten kennen. So lange er sich in Hausen befand, lebte er in Dürftigkeit. Er mußte sich mit geringer Kost begnügen, und, gleich andern Knaben wenig bemittelter Eltern, manche beschwerliche Arbeiten verrichten. Mühsam mußte er im Winter seiner Mutter das nöthige Holz zusammenlesen und nach Hause tragen. Zuweilen arbeitete er auch für das Eisenwerk zu Hausen, indem er Steine für den Schmelzofen zerschlagen half. In den Tagen aber, in welchen er sich zu Basel aufhielt, lebte er im Hause einer vornehmen und reichen Familie, ohne die Beschwerden der Armuth zu fühlen. Stets erfreute er sich hier einer freundlichen und liebreichen Behandlung. Unvergeßlich blieb ihm daher das Gute, welches ihm auf diese Weise zu Theil ward. So oft er in späteren Jahren in die Nähe von Basel kam, besuchte er die edle Familie, von welcher er als Knabe so manche Wohlthat empfangen hatte; und als er später seine Wohlthäterin, die Gemahlin Iselins, nicht mehr unter den Lebenden fand, so verließ er doch Basel nie, ohne die Stätte ihres Grabes besucht zu haben.
Als aber Hebel das zwölfte Jahr zurückgelegt hatte, traf ihn ein schweres, und ohne Zweifel das schwerste Verhängniß seines Lebens. Seine Mutter wurde, als sie nicht völlig das siebenundvierzigste Jahr vollendet hatte, im October 1773 während ihres Aufenthalts zu Basel von einer Krankheit überfallen. Ungeachtet der menschenfreundlichen Pflege, die ihr im Hause ihrer Herrschaft zu Theil wurde, wünschte sie doch in ihre Heimath zurückgebracht zu werden, in der Hoffnung, daß sie bei ihren Verwandten daselbst leichter genesen werde. Ihrem dringenden Wunsche wurde nachgegeben, und ein Einwohner von Hausen holte sie am 16ten October desselben Jahres mit einem Fuhrwerke von Basel ab. Bei der kranken Mutter befand sich zugleich der Sohn als Begleiter. Noch ahndete man, als sie Basel verließen, die Nähe des Todes nicht. Auf der Straße aber zwischen den Dörfern Brombach und Steinen, ungefähr in der Mitte des Wegs von Basel nach Hausen, verschlimmerte sich der Zustand der Kranken so sehr, daß alle Hoffnung auf Rettung verschwand. Ehe nur ein Arzt herbeigeholt werden konnte, lag sie in den letzten Zügen, und verschied unter dem lauten Schluchzen und Weinen ihres bei diesem herzzerreissenden Anblicke trostlosen Sohnes. Ihr Leichnam wurde hierauf nach Hausen gebracht, und auf dem Kirchhofe daselbst beerdigt.
Auf's innigste liebte Hebel seine Mutter, und sein ganzes Leben hindurch blieb ihm...