1 Wahlkatastrophen
Die Einsamkeit des Donald Trump
2017
Es war einmal ein Kind, das reich geboren wurde und dem es an nichts mangelte, doch der Knabe war besessen von einer abgrundtiefen, grenzenlosen alles an sich reißenden Raffgier. Er wollte mehr und bekam mehr, wollte noch mehr und bekam noch mehr. Er war ein gezacktes oranges Scherenpaar, das pausenlos über den Meeresgrund trippelt, hinlangt und stiehlt, eine Aaskrabbe, ein Hummer und kochender Hummertopf zugleich, eine Termite, ein tyrannischer Herrscher über seine eigene kleine Welt. Am Anfang profitierte er von dem Reichtum, der ihm vermacht worden war, dann bewegte er sich unter Gaunern und Gangstern, die ihm nichts übel nahmen, solange er ihnen von Nutzen war; es könnte auch sein, dass Nachsicht herrscht in Kreisen, in denen Menschen untereinander loyal sind, bis sie betrügen oder selbst betrogen werden und sich nicht mehr an Gesetze und die Bibel halten. Sieben Jahrzehnte lang stillte er also seine Gier und nutzte seine Lizenz zu lügen und zu betrügen, zu stehlen und ehrliche Menschen um ihren Lohn zu prellen. Er setzte Dinge in den Sand, kümmerte sich nicht darum, griff nach der nächsten goldenen Kugel und ließ Trümmerhaufen hinter sich zurück.
Er galt als großer Macher, doch vor allem war er ein Zerstörer. Er legte sich Gebäude, Frauen und Firmen zu, behandelte alle auf die gleiche Weise, lobte sie in den Himmel und stieß sie wieder ab, geriet in Pleiten und Scheidungen, sprang von Prozess zu Prozess wie einst die Flößer über ihre Baumstämme, wenn sie den Fluss hinunter zum Sägewerk trieben. Doch solange er sich in der Unterwelt der Geschäftemacher bewegte, waren die Regeln flexibel, ihre Durchsetzung noch flexibler, und er ging nicht baden. Doch er war unersättlich, er wollte mehr, also pokerte er darum, der mächtigste Mann der Welt zu werden, und gewann, ohne Gespür für das, was er sich gewünscht hatte.
Wenn ich an ihn denke, fällt mir Puschkins Nacherzählung des alten Märchens vom Fischer und seiner Frau ein. Ein goldener Fisch, der sich im Netz eines alten Fischers verfangen hatte, versprach dem alten Mann, seine Wünsche zu erfüllen, wenn er den Fisch dafür ins Meer zurückwarf. Der Fischer bat um nichts, erzählte jedoch seiner Frau später von der Begegnung mit dem Zauberwesen. Die Frau schickte den Ehemann zurück, damit er um einen neuen Waschtrog für sie bitte. Dann ein zweites Mal, damit der Fisch ihre Erdhütte durch ein richtiges Haus ersetze, und ihre Wünsche wurden Mal um Mal erfüllt. Doch die Frau war eitel und gierig und schickte ihren Mann wiederum aus, den Fisch zu bitten, sie in eine Edelfrau mit einem Herrenhaus und Dienerschaft zu verwandeln, die sie anschließend schlug. Dann schickte sie ihren Mann wieder aus. Hin- und hergerissen zwischen seiner Scham und der Unersättlichkeit seiner Frau bat der alte Mann den Fisch um Gnade. Seine Frau wurde Zarin und ließ den Ehemann von ihren Edelleuten und Bojaren aus dem Palast werfen. Man könnte im Ehemann auch das Gewissen sehen - das Bewusstsein für andere und sich selbst im Verhältnis zu anderen -, während die Ehefrau für die Gier steht.
Am Ende verlangte sie, zur Herrscherin über das Meer und den goldenen Fisch zu werden. Und der alte Mann kehrte an den Strand zurück, um dem Fisch von den jüngsten Wünschen zu erzählen - und ihm sein Leid zu klagen. Diesmal antwortete der Fisch nicht mehr, er schlug lediglich mit der Schwanzflosse, und als sich der alte Mann umdrehte, sah er seine Frau mit ihrem zerbrochenen Waschtrog vor der alten Erdhütte sitzen.
Es ist gefährlich, die Dinge zu übertreiben, sagt uns diese russische Geschichte; genug ist genug. Und zu viel ist Nichts.
Der Knabe, der zum mächtigsten Mann der Welt wurde, oder zumindest die Immobilie bewohnte, die schon von einer ganzen Reihe mächtiger Männer bewohnt worden war, hatte zuvor ein Familienunternehmen geleitet. Dann spielte er die Hauptrolle in einer Unreality-Show, die auf der Fiktion beruhte, er sei keine Witzfigur, sondern ein würdiger Vertreter des Großkapitals, und jede dieser Stationen war ein Spiegelkabinett, dazu da, seinem Selbstgefühl zu schmeicheln, dem einzigen Konstrukt, an dem er immer weiter baute und von dem er nie abließ.
Ich bin schon oft Männern begegnet (und selten, wenn auch mehr als einmal einer Frau), die so mächtig geworden waren, dass es niemanden mehr gab, der ihnen sagte, wenn sie sich grausam, falsch, töricht, absurd oder abstoßend verhielten. Am Ende gibt es in der Welt dieser Menschen nur noch sie allein, denn wer nicht bereit ist zu erfahren, wie sich andere Menschen fühlen und was sie brauchen, der ist auch nicht bereit, die Existenz anderer Menschen anzuerkennen. So ist es um die Einsamkeit an der Spitze bestellt. Es ist, als lebten diese kleingeistigen Tyrannen in einer Welt ohne Spiegel, ohne Mitmenschen, ohne Anker - abgeschirmt von den Folgen ihres Tuns.
»Sie waren leichtfertige Menschen«, steht in F. Scott Fitzgeralds Der große Gatsby über das reiche Paar im Zentrum seines Romans. »Sie zerstörten Dinge und Lebewesen, und dann zogen sie sich wieder in ihr Geld oder ihre grenzenlose Leichtfertigkeit zurück oder was immer es war, das sie zusammenhielt, und ließen andere das Chaos beseitigen, das sie angerichtet hatten.« Manche von uns sind von zerstörerischen Menschen umgeben, die uns einreden, wir wären wertlos, obwohl wir unendlich wertvoll sind, wir wären dumm, obwohl wir klug sind, wir wären Versager, selbst wenn wir Erfolg haben. Doch das Gegenteil von Menschen, die uns herabziehen, sind nicht jene, die uns auf einen Sockel stellen und uns Honig um den Bart schmieren. Es sind Gleichgestellte, die großmütig sind, ohne uns aus der Verantwortung zu entlassen, Spiegel, die uns zeigen, wer wir sind und was wir tun.
Indem wir aufeinander reagieren, uns gegen Gemeinheit und Falschheit wehren und verlangen, dass die Menschen, mit denen wir zusammen sind, uns respektvoll zuhören und antworten - so wie wir es selbst tun, wenn es uns zugestanden wird und wir geschätzt werden -, sorgen wir gegenseitig dafür, dass wir ehrlich und gut bleiben. Es gibt eine Demokratie des sozialen Diskurses, durch die wir gewahr werden, dass nicht nur wir selbst, sondern auch andere Begierden, Gefühle und Ängste verspüren. In der Occupy-Wall-Street-Bewegung engagierte sich eine alte Frau, an deren Worte ich immer wieder denken muss. Sie sagte: »Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle wichtig sind.« Genauso sähe eine Demokratie aus, die nicht nur eine wirtschaftliche und politische ist, sondern auch eine Demokratie des Geistes und des Herzens.
Seit Trumps Sieg ist Hannah Arendt in beunruhigendem Maße aktuell geworden; ihre Bücher verkaufen sich gut, vor allem Elemente und Ursprünge der totalen Herrschaft. In der Radiosendung On Being verwies Lyndsey Stonebridge im Gespräch mit der Moderatorin Krista Tippett auf die Bedeutung eines inneren Dialogs mit sich selbst bei Arendt, eines kritischen »Sich-in-Zwei-Spalten[s]«, mit dem man sich selbst erforscht - als echtes Gespräch zwischen dem Fischer und seiner Frau sozusagen. »Leute, die das vermögen, sind dann auch in der Lage, mit anderen Menschen Gespräche zu führen und mit ihnen zu einem Urteil zu gelangen«, schloss sie. »Was [Arendt] die >Banalität des Bösen< nannte, war die Unfähigkeit, eine andere Stimme zu hören, die Unfähigkeit, mit sich selbst ins Gespräch zu kommen oder die Phantasie aufzubringen, mit der Welt, der moralischen Welt, in einen Dialog zu treten.«
Manche Menschen nutzen ihre Macht, um diesen Dialog zum Verstummen zu bringen, und leben in der Leere ihrer sich zunehmend verschlechternden und immer abwegiger werdenden Wahrnehmung von sich selbst und ihrer Bedeutung. Es ist, als verlöre man auf einer einsamen Insel den Verstand, allerdings mit Schleimern und Zimmerservice. Als hätte man einen gehorsamen Kompass, der den Norden immer dort anzeigt, wo man ihn gerade haben will. Ob man der Tyrann einer Familie, einer kleinen Firma, eines riesigen Unternehmens oder gar der Tyrann einer ganzen Nation ist - Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert häufig das Bewusstsein jener, die sie innehaben. Oder sie reduziert es: Narzissten, Soziopathen und Egomanen sind Menschen, für die andere nicht existieren.
Ein Bewusstsein für uns selbst und andere gewinnen wir durch Rückschläge und Schwierigkeiten. Durch sie gewöhnen wir uns daran, dass sich die Welt nicht immer nur um uns dreht. Menschen, die damit nicht umgehen müssen, sind zerbrechlich, schwach und unfähig, Widerspruch zu ertragen, weil sie von der Notwendigkeit durchdrungen sind, stets zu bekommen, was sie wollen. Die reichen Studenten, mit denen ich im College zu tun hatte, schlugen dort über die Stränge, als wären sie auf der Suche nach Wänden, die ihnen Grenzen setzen. Sie sprangen von ihren ererbten Höhen, als wünschten sie sich Schwerkraft, die sie auf dem Boden aufschlagen ließe, doch ihre Eltern und ihre Privilegien warfen immer wieder Sicherheitsnetze und Aufprallkissen aus, sie polsterten die Wände und sammelten die Scherben auf, sodass alles, was die Studenten taten, bedeutungslos wurde, im wahrsten Sinne des Wortes folgenlos. Sie trieben dahin wie Astronauten im Weltraum.
Ebenbürtigkeit lässt uns ehrlich bleiben. Es sind Gleichrangige, die uns daran erinnern, wer wir sind und wie wir uns verhalten, die im persönlichen Bereich also das übernehmen, was eine freie Presse in einer funktionierenden Gesellschaft leistet. Ungleichheit schafft Lügner und...